Als Zeitgenosse von Pythagoras deutete Xenophanes von Kolophon (um 570 v. Chr. – um 470 v. Chr.) erstmals Versteinerungen von Muscheln und anderen Meeresbewohnern in küstenfernen Landstrichen als Überreste von einstigen marinen Lebewesen. Damit erkannte er, dass das Land einmal vom Meer überschwemmt war. Außerdem erkannte Xenophanes die voranschreitende Küstenerosion und schloss auf große Zyklen, in denen sich Gebirgsbildung und Erosion abwechselten. Ende des 18. Jahrhunderts führten sehr ähnliche Beobachtungen den englischen Mediziner James Hutton (1726–1797) zu vergleichbaren Ergebnissen, die ihn zu einem »Charles Darwin der modernen Geologie« werden ließen (siehe S. 56). Xenophanes nahm zudem an, dass bei der Zerstörung der Festländer jedes Mal die jeweilige Menschheit vernichtet werde. Auch in dieser Vorstellung finden wir die Kataklysmen-Theorie eines Georges Cuvier (1769–1832) an der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert wieder (siehe S. 78).
Empedokles (um 494 v. Chr. – um 434 v. Chr.), Arzt, Politiker, Priester, Dichter und Philosoph, prägte maßgeblich die Lehre von den vier Elementen Feuer, Wasser, Luft und Erde, die später Platon (428 v. Chr. – 348 v. Chr.) inspirierte und Aristoteles (384 v. Chr. – 322 v. Chr.) beeinflusste. Nach seinen Vorstellungen gibt es kein Entstehen und Vergehen der Elemente. Das Werden vollzieht sich als ein Mischen und Trennen dieser Elemente, denn »aus jenen ist alles, was war und ist und sein wird, sind Bäume entsprungen und Männer und Frauen und Tiere und Vögel und auch sich im Wasser ernährende Fische und Götter«. Empedokles deutet die Erdoberfläche als vulkanisch entstanden, die durch das »in den Tiefen der Erde wirkende Feuer gehoben und zugespitzt« wurde.
Herodot von Halikarnassos (490/480 v. Chr. – um 425 v. Chr.) war ein antiker griechischer Historiograph, Geograph und Völkerkundler, der neben seinen wertvollen Beschreibungen (Historien) aus Ägypten erstmals den »dreieckig« geformten Sedimentkörper an der Mündung des Nils nach dem griechischen Buchstaben Delta ( Δ ) benannt hatte und richtig folgerte, dass sich diese sedimentäre Struktur durch allmähliche »Aufschlickung« vergrößert und in das Mittelmeer vorbaut. Herodot errechnete auch, wie lange der Nil für die Aufschüttung des ägyptischen Tieflands benötigte. Er zog die aktuelle Sedimentationsfracht des Flusses in Betracht und meinte, dass dies in einem Zeitbereich von 10000 bis 20000 Jahren möglich gewesen sei. »Wie sollte also in all der Zeit, die vor mir vergangen ist, nicht noch eine viel größere Bucht als diese aufgefüllt werden von einem Fluss, der so groß und so tätig ist?«, fragte sich Herodot. Von den ägyptischen Priestern erfuhr er zudem, dass der Wasserpegel des Nils vor weniger als 900 Jahren nur 8 Ellen anzusteigen brauchte, um das Land mit seinem fruchtbaren Schlamm zu überfluten, dagegen zu seiner Zeit bereits etwa 15 Ellen dazu benötigte. Herodot erfuhr damit, dass erdgeschichtliche Prozesse also durchaus, wenn auch in kleinen Dimensionen vor sich gehend, innerhalb der Menschengeschichte ablesbar sind. Auch diese Erkenntnis werden wir weitaus später in der geologischen Wissenschaftsgeschichte bei James Hutton und Charles Lyell (1797–1875) wiederfinden.
Aristoteles (384 v. Chr. – 322 v. Chr.) gilt als einer der bedeutendsten griechischen Philosophen, der zahlreiche Disziplinen entweder selbst begründet oder zumindest maßgeblich beeinflusst hat. Seine Erkenntnisse zur Biologie waren auch im Mittelalter noch von großem Einfluss. Aus der Sicht der Entwicklung der Erdwissenschaften sind seine Thesen zur »Urzeugung« (generatio spontana) von Bedeutung. Dabei sollte Leben spontan und zu jeder Zeit von Neuem aus unbelebter Materie entstehen. Aristoteles dachte, dass auf diese Weise niedere Tiere im Flussschlamm, in feuchter, fauliger Erde oder ähnlichem Material entstehen, die sich dann durch geschlechtliche Fortpflanzung zu höheren Tieren entwickeln könnten. Auch hier entdecken wir wiederum Parallelen zum 19. Jahrhundert, insbesondere zu Jean Baptiste Lamarck (1744–1829), der 1809 durchaus im Geist seiner Zeit keinen Einwand gegen die »Urzeugung« hatte (siehe S. 61).
Aristoteles’ Schüler Theophrast (um 371 v. Chr. – 287 v. Chr.) nannte die in der Erde vorhandene gestalterische Kraft, die auch Fossilien hervorbringen konnte, »vis plastica«.
Während Aristoteles noch ein geozentrisches Weltbild vertrat, also die Erde im Mittelpunkt des Weltalls sah, vertrat wenige Dezennien später Aristarchos von Samos (um 310 v. Chr. – um 230 v. Chr.), der Begründer der Trigonometrie, ein heliozentrisches Bild, das er gut begründen konnte. Etwa zu dieser Zeit, um 225 v. Chr., berechnete Eratosthenes von Kyrene (ca. 276 v. Chr. – 194 v. Chr.) den Erdumfang und die Ekliptik der Erde. Auf ihn geht auch eine Erdkarte zurück, die das geographische Wissen seiner Zeit darstellt.
Eratosthenes wird häufig als einer der »Väter« der Geographie gesehen. In Strabo (ca. 63 v. Chr. – 23 n. Chr.), einem griechischen Weltreisenden, fand er einen ersten Kritiker. Interessant für die frühe Geschichte der Erdwissenschaften sind seine Ansichten zur Land-Meer-Verteilung. Landnahe Inseln interpretierte er als durch Erdbeben vom Festland abgetrennte Gebiete, landferne Inseln erklärte er durch die Wirkung unterirdischer Feuer (Vulkanismus) entstanden. Auch ein paläontologischer Hinweis findet sich bei Strabo: Als er die herauswitternden Foraminiferen des Nummulitenkalksteins der Pyramiden von Giseh betrachtete, hielt er diese für versteinerte Linsen, welche die Nahrungsreste der beim Pyramidenbau tätigen Arbeiter gewesen seien.
Lucius Annaeus Seneca (»der Jüngere«; 1 n. Chr. – 65) war einer der meistgelesenen Schriftsteller seiner Zeit. In seinen »Questiones naturales« vermutete er zum einen, dass Erdbeben durch die Ausdehnung von (vulkanischen) Gasen oder durch Einsturz von Hohlräumen im Erdinneren entstehen, zum anderen mutmaßte er, dass Vulkane durch Kanalsysteme mit einer unterirdischen Glutkammer verbunden seien.
Ein großartiges kompilatorisches Werk der Naturwissenschaften seiner Zeit stellte Gaius Plinius der Ältere (23–79) mit seiner in 37 Büchern erschienenen Naturgeschichte »Naturalis historia« zusammen. Die ersten zehn Bücher wurden im Jahr 77 veröffentlicht, die übrigen, darunter die Bücher 35 bis 37 über Metalle, Gesteine und Mineralien und deren Verwendung in der Kunst der Antike erschienen nach seinem Tode. Plinius fand am 24. August 79 beim Ausbruch des Vesuvs durch Ersticken in vulkanischen Giftgasen den Tod. Er hatte sich aus Hilfsbereitschaft, aber auch aus Neugier zu nah an den Ausbruchsbereich herangewagt. Sein Neffe Gaius Plinius Caecilius Secundus (»der Jüngere«; 62–113 oder 115) beschrieb diesen Ausbruch des Vesuvs sehr detailliert. Auf ihn geht die heutige Bezeichnung der »plinianischen Eruptionen« zurück, womit explosive Ausbrüche gemeint sind.
Während der Spätantike gingen viele Kenntnisse über die Beschaffenheit der Erde verloren bzw. wurden durch spekulative Vorstellungen verdrängt. Zu dieser Zeit unternahm Theophilus von Antiochia (115–181) den Versuch, nach jüdischem Vorbild das Alter der Erde aus den Angaben der Bibel zu errechnen. Er kam auf ein Erdalter von 5529 Jahren vor Christi Geburt.
Nach dem Zusammenbruch des römischen Imperiums und dem vermehrten Aufkommen der christlichen Schöpfungslehre setzte in Westeuropa für lange Zeit eine Stagnation in der Auseinandersetzung mit erdwissenschaftlich relevanten Themen ein. Dagegen wurden im arabisch-muslimischen Kulturraum die antiken Vorstellungen über die Entstehung der Erze und Gesteine, speziell wie sie Aristoteles formuliert hatte, weiter entwickelt. ›Ali al-Husain ibn ›Abd Allah ibn Sina al Qanuni (um 980–1037), der sich latinisiert Avicenna nannte, avancierte zum bedeutendsten und bekanntesten arabischen Gelehrten des Mittelalters. Unter anderem stellte er ein Mineralsystem mit einer Untergliederung in Salze, Schwefel, Metalle und Steine auf und erklärte die Bildung von Kalkstein durch Erstarrung von Wasser. Aufgrund des geschichteten Aufbaus von Gesteinen schloss er auf ihre Entstehung durch Sedimentation. Avicenna unterschied innere und äußere Ursachen als wesentliche gestaltende Prozessfelder für geologische Erscheinungen, wobei er zu den inneren die Erdbeben rechnete, zu den äußeren die Erosionswirkungen von Wind und Wasser. Fossilien deutete er, von den Griechen übernommen, von einer »vis plastica« erzeugt, wobei alle jemals existierenden Lebewesen als plastische Modelle in Stein vorgeformt worden seien.
Seine mineralogisch-geologischen Arbeiten wurden im 12. Jahrhundert ins Lateinische übersetzt und waren somit Europas