Von England nur will ich noch bemerken, daß seine Reßourcen, die hauptsächlich in Fabriken und Maschinen liegen, immer mehr versiegen. In den frühern Zeiten lieferte für England eine Tonne Kohlen, wenn sie zur Fabrikation verbraucht wurde, einen Klumpen Goldes; es war daher nicht fühlbar, wenn damals (wie jetzt) Bedürfnisse an Holz, Flachs, Hanf, Wolle, Talg, Pottasche, Häute, Taback, Korn, Weine, Borsten, Wachs, Oele, Lumpen etc. mit baarem Gelde bezahlt wurden, indem die ausgegangenen Summen unbedingt wieder eingehen mußten. Allein jetzt, da jedes Land mehr und mehr für seine Manufactur- und Fabrik-Bedürfnisse selbst sorgt, England dagegen alle oben angeführten Artikel einführen und baar bezahlen muß, jetzt muß wohl die Regierung, welche die ganze Baarschaft der vereinigten Königreiche auf nicht mehr als höchstens drei und zwanzig Millionen Pfund berechnen kann, dem Abfluß des baaren Geldes aus dem Lande entgegenarbeiten, wenn die Nation nicht das Schicksal aller früheren Handelsnationen — d. h. baldigen Untergang theilen soll. Daher ist die von der englischen Bank (Bank of England) ergriffene Maßregel zu loben, der übermäßigen Fabrikation wird hierdurch Einhalt gethan, und alle Fabrikanten in allen Ländern werden sich bei dieser Maßregel besser befinden, weil der Waarenüberfluß dadurch aufhören wird, und Verkäufe zu bessern Preisen gemacht werden können.
Diese und andere Bemerkungen schrieb ich während der kalten und nassen Tage nieder, da ich das Zimmer hüten mußte. Meine Abreise nach Westindien wurde verzögert, indem das Schiff Norma, womit ich fahren wollte, noch nicht geladen hatte. Während dieser Zeit hatte ich eine Angelegenheit mit Amerikanischen Advokaten, die der Leser bei dieser Gelegenheit genau kennen lernen wird. Ich suchte auf Empfehlung meines Freundes P... einen Advokaten, Herrn J...... auf, damit er mir in den Besitz von 180 L. St. verhelfen möchte, welche mir ein New-Yorker Handlungshaus M.... und H..... bei einer Abrechnung gekürzt hatte. Der Advokat findet nach Durchsicht meiner Papiere meine Forderung rechtmäßig, lehnt es jedoch ab, etwas gegen diese Leute, deren Anwalt er sei, zu unternehmen, verspricht dagegen, die Zahlung in Güte für mich auszuwirken, und mir binnen zwei Tagen darüber zu berichten. Indessen der Bericht erfolgt nicht, und ich muß mich nach einem andern Advokaten umsehen. In den Zeitungen finde ich, daß ein gewisser L.... bei einer Prozeßsache gegen eine Versicherungs-Gesellschaft sich tüchtig und trefflich gezeigt hat; ich begebe mich sogleich zu ihm. Der Doctor, dessen Aeusseres einen gewandten und denkenden Rechtsgelehrten verrieth, gab mir sogleich nach meiner Eröffnung die Papiere zurück, da er der Anwalt meiner Opponenten sei. Nachdem ich meine Verwunderung bezeigt hatte, daß mich das Schicksal treffe, nur zu Anwalten meiner Gegner zu kommen, und ihm das Ergebniß der Conferenz mit dem Advokaten J...... mitgetheilt hatte, fand er sich bereit, sich meiner Sache anzunehmen, nur mußte ich zuvor die Correspondenz, und alle Documente, welche in deutscher Sprache geschrieben waren, ins Englische übersetzen. Da meine physischen Kräfte zu dieser Arbeit nicht hinreichten, so ersuchte ich meinen Arzt, mir einen jungen Menschen zu recommandiren. Dieser war denn auch so gütig, mir einen solchen zuzuschicken, der die Arbeit in kurzer Zeit beendete. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich, daß man in New-York mit Regenschirmen sehr vorsichtig sein müsse, denn der junge Mann, dem ich den meinigen ganz neuen von 1 L. St. — Werth geborgt hatte, brachte mir denselben nicht wieder, und als ich hierüber dem Arzt mein Befremden äußerte, entgegnete derselbe: „Regenschirme haben in diesem Lande keine Eigenthümer, jeder hilft sich mit diesem Artikel so gut wie er kann, aus der Verlegenheit, Sie werden ihn ohne Zweifel nie wieder bekommen.“
Die Deutschen stehen hier in keiner Achtung, und so weit meine Erfahrung reicht, glaube ich auch nicht, daß der größere Theil dieselbe besonders verdiene; ich wenigstens bin von dreien, mit denen ich in Berührung kam, betrogen worden. —
Noch muß ich der Artigkeit des Theater-Directors erwähnen, der mich zum Mittags-Essen einlud und mir einen bequemen Sitz in der Directions-Loge, auch bei außerordentlichen Vorstellungen, anbot — was ich jedoch ablehnte.
Meine Gesundheit stellt sich allmählig wieder ein, ich kann an der Gesellschaft im Hause Theil nehmen, fand mich aber bewogen, aus meinem bisherigen Logis auszuziehen, da ich für vieles Geld erbärmlich und ohne Bequemlichkeit logirte. Bald finde ich auch eine weit wohlfeilere und comfortable Wohnung bei der Frau eines französischen Buchhändlers. Hier finde ich eine Gesellschaft von 15 Personen, bestehend aus Deutschen, Franzosen und Schweizern.
Beim Abziehen aus dem frühern Logis wurde ich noch recht tüchtig geprellt, und konnte nicht einmal alle Stücke meiner Wäsche zurückerhalten, diese Schuld war nur der Dienerschaft beizumessen, welche in diesem Lande miserable ist. Die weiße Dienerschaft besteht größtentheils aus Vagabonden die aus Europa herüber gekommen sind, weshalb die meisten hier Ansässigen sich der schwarzen bedienen. Die Deutschen der untern Stände, welche herüber kommen, werden entweder Ackerbauer oder Lumpen- und Knochen-Einsammler; zum Dienen will sich kein Einziger verstehen, weshalb sie verachtet sind und zur Ehre Deutschlands nicht Deutsche, sondern Holländer genannt werden.
So viele Gebrechen es in diesem Lande in Hinsicht der Dienerschaft giebt, eben so groß sind die des Logirens. Die Miethen sind enorm theuer, nach dem Zinsfuße reguliren sich natürlich dieselben. Es ist gar nichts Seltenes, daß die Pfandleiher hier 12–15 Procent pro Monat nehmen. In einem der hiesigen Blätter las ich eine Verhandlung vor einem Gerichtshofe, die neulich hier statt gefunden hatte. Ein Ausländer hatte einen Diamant-Ring und eine Uhr mit Perlen zu 15 Procent monatlich versetzt und reklamirte solche, weil sie ein theures Erbgut von einem Verwandten seien, von dem Pfandleiher, welcher die Rückgabe verweigerte, weil der stipulirte Termin der Auslösung verstrichen war. Der Kläger wurde abgewiesen. Nach unsern Gesetzen würde ein solcher unerhörter Wucher bestraft, allein in diesem Lande heißt es: Jeder kann den Werth seines Geldes selbst feststellen, und wenn sich ein Narr findet, der für einen Solitair ein Stück Silber im Werth eines Piasters kaufen will, so kann er es immerhin thun, die Gesetze können nichts dagegen einwenden.
Jeder Hauseigenthümer ist daher Wucherer, und schlägt nach dem Maaßstabe des Zinsfußes die Miethe an; so bezahlt jeder enorme Miethen, und aus diesem Grunde giebt es hier sehr wenige Haushaltungen. Die meisten Familien leben in Boarding Houses (Pensions), die eigentlich nichts mehr und nichts weniger sind als Gasthöfe; es giebt deren ungemein viele. Die Deutschen nennen sie Kosthäuser, auch findet man in den Straßen, an vielen Häusern Aushängeschilder mit der Aufschrift: deutsche Kosthäuser; vorzüglich findet man diese in den Straßen, wo sich die ärmere Klasse der Deutschen aufhält. Mit Ausnahme sehr weniger Kaufleute und Banquiers ersten Ranges wohnt jeder Geschäftsmann hier in einem solchen Boarding-Haus. Der Preis wird pro Woche bestimmt, die Mahlzeiten sind folgende: ein Frühstück, bestehend aus Thee, Caffee, Fisch-, Fleisch-, Eier- und Mehlspeisen; ein Mittags-Essen nach englischer, französischer, oder deutscher Weise, am Abend kalte Küche (Ueberreste von Mittag) und Desert, Thee; der Preis regulirt sich nach dem Zimmer, fängt von sieben Piaster pro Woche an, und steigt bis 20 pro Kopf. Um 7 Uhr des Morgens giebt eine Glocke das Signal zum Aufstehen, um 8 Uhr verkündet dieselbe, daß das Frühstück aufgetragen ist; um 4 Uhr hört man sie das Mittags-Essen, um 7 Uhr Abends die Theezeit verkünden. Von dieser Zeit an bleiben die Herren und