PRIMORDIA 2 - Die Rückkehr zur vergessenen Welt. Greig Beck. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Greig Beck
Издательство: Bookwire
Серия: Primordia
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958354210
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Mann musterte sie für einen Moment und räusperte sich dann. »Der Dschungel bietet manchen Menschen nicht nur positive Erlebnisse.«

      Er lief schweigend ein paar Meter weiter, entschied sich dann aber doch dafür, die Stille mit etwas mehr Small Talk zu füllen. »Wussten Sie, dass der Amazonas immer noch der größte Regenwald der Welt ist?«

      Sie lächelte und nickte. »Ja, das weiß ich.«

      Er erwiderte das Lächeln. »Aber wussten Sie auch, dass frühere Schätzungen, unser Dschungel wäre 55 Millionen Jahre alt, sich inzwischen als viel zu vorsichtig entpuppt haben? Es gibt in den tiefsten, abgelegensten Gebieten Bereiche, die bis zu 100 Millionen Jahre alt sein könnten.«

      Ihr Lächeln wurde noch breiter. »Sogar das wusste ich.«

      »Sie haben wirklich ihre Hausaufgaben gemacht, Misses Wilson, meinen Respekt.« Alvarez legte den Kopf etwas schief. »Das erklärt auch, warum Sie zu den wenigen Menschen auf der Welt gehören, die etwas über unser Artefakt wissen.« Er blieb vor einer verschlossenen Tür stehen und kramte einen Moment in seiner Tasche, bevor er ein großes Schlüsselbund hervorzog. »Ich frage mich nur, wie haben Sie davon erfahren?«

      Emma spürte einen Anflug von Aufregung, als sie darauf wartete, dass die Tür sich öffnete. »Ein Professor Michael Gibson von der Universität Ohios hat mir davon erzählt. Er war sich allerdings nicht einmal sicher, ob es stimmte. Er sagte, vielleicht sei es nur eine Geschichte.«

      »Das ist ein renommierter Experte für Archäologie, ich habe schon von ihm gehört.« Er steckte einen Schlüssel in das Schloss, hielt jedoch noch einen Moment inne, um sie zu mustern. »Trotzdem haben Sie eine lange Reise auf sich genommen, um etwas zu sehen, das zwar real, aber auch sehr verwirrend ist.«

      »Pure Neugier«, sagte sie und hielt ihren Blick auf der Tür.

      »Die soll ja laut einem Sprichwort in Ihrer Sprache schon Katzen das Leben gekostet haben, nicht wahr?« Er grinste sie an.

      »Nicht nur Katzen«, antwortete sie in böser Erinnerung.

      Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. »Vermutlich nicht nur Katzen«, stimmte er zu, entriegelte die Tür und schob sie auf. Er schaltete das Licht an und vor ihnen eröffnete sich ein großer Raum voller Ausstellungsstücke, die entweder eingelagert worden waren oder noch auf ihre Klassifizierung warteten.

      Emmas Blick wurde sofort von einem großen Schrank an der gegenüberliegenden Wand angezogen, der direkt von einem eigens dafür eingerichteten Lichtkegel angestrahlt wurde, sodass die bronzenen Griffe an den stabil aussehenden Schubfächern nur so funkelten. Sie musste sich beherrschen, nicht einfach an Alvarez vorbeizustürmen. Stattdessen ging sie ruhig hinter ihm her. Er griff nach einer der größten Schubladen, die die gesamte Breite des Schrankes einnahm und zog sie hervor. Emma spürte, wie ihr das Herz bis zum Halse schlug.

      »La huella de Dios«, sagte Alvarez in ehrfürchtigem Ton.

      Emma flüsterte die Übersetzung: »Der Fußabdruck Gottes.«

      Sie starrte das Objekt an, es war eine steinerne Scheibe, etwa sechzig Zentimeter breit und dreißig Zentimeter tief. An einem Rand war etwas, das wie ein menschlicher Fußabdruck aussah, dessen Zehen tief in das Material gepresst worden waren. Eher in der Mitte befand sich der Abdruck einer Art riesiger Echsenkralle, möglicherweise der Fuß eines Dinosauriers. Der Anordnung der Füße nach sah es so aus, als würde die eine Person rennen, die andere ihr folgen. Emma schloss die Augen für einen Moment und spürte, wie das Wasser darin aufsteigen wollte.

      »Diese Versteinerung ist auf 100 Millionen Jahre datiert worden, sie stammt also aus der späten Kreidezeit.« Er wandte sich ihr zu. »Dem Zeitalter der Dinosaurier.«

      Emma starrte wieder auf das Fundstück, ihr Blick nun verwässert. »Glauben Sie …?« Sie zog die Nase hoch und wischte sich schnell mit dem Ärmel über das Gesicht.

      Alvarez nickte. »Es ist unmöglich, ich weiß. Aber dieser Fels wurde mit aller wissenschaftlichen Genauigkeit radiologisch datiert. Doch damals gab es noch keine Menschen. Viele Experten glauben deswegen, dass es der verzerrte Abdruck irgendeines unbekannten Tieres ist. Andere sehen es als Beweis, dass Gott durch unser Land wandelte, um seine Schöpfung zu bewundern.« Er zuckte mit den Schultern und grinste wieder. »Wir nennen es das Surama-Geheimnis, nach dem Ort, wo wir es gefunden haben, inmitten des Amazonas.« Er kicherte. »Ausstellen können wir es nicht, denn wer würde uns schon glauben?«

      »Meinen Sie … kann ich es mal berühren?« Sie wandte sich ihm zu und hoffte, dass ihr Flirten sich nun auszahlen würde.

      »Wie bitte?« Er schien verwirrt, vermutlich aufgrund des Nachdrucks in ihrer Stimme.

      »Es ist wichtig.« Sie starrte ihm in die Augen, doch seine Mundwinkel wanderten nach unten. »Warum? Warum wollen Sie …?«

      »Bitte«, drängte sie, »es ist mir extrem wichtig.«

      Alvarez Unterkiefer zuckte, offenbar wog er ihre Bitte ab. »Señorita Wilson, Sie müssen sehr vorsichtig sein. Und bitte heben Sie den Stein nicht von der Unterlage.« Er warf einen Blick über seine Schulter. »Machen Sie schnell.« Er beobachtete sie genau.

      Emma hob ihre Hand, streckte die Finger aus und näherte sich dem dunklen Stein. Sie fühlte seine Kühle und ließ ihre Finger über die Abdrücke gleiten, ertastete die Ferse und die Zehen.

      »Der Stein wurde vor über hundert Jahren in der Mündung eines Flusses gefunden, nach starkem Regen. Er muss aus dem tiefsten Amazonas herbeigespült worden sein.« Alvarez sah zu, wie sie ihre Finger beinahe liebevoll über die Abdrücke gleiten ließ. »Wer oder was auch immer diese Abdrücke gemacht hat, diese Wesen sind seit hundert Millionen Jahren tot.«

      »Für mich nicht«, flüsterte sie, zog ihre Hand ruckartig zurück und drehte sich auf dem Absatz um.

      »Wie? Das war schon alles?« Alvarez richtete sich auf, als sie sich daran machte, den Raum zu verlassen. »Äh, vielleicht könnten wir uns noch ein bisschen unterhalten, bei einem Kaffee vielleicht, oder …?«

      Emma schaute noch einmal über ihre Schulter, als sie die Tür erreicht hatte. »Vielen Dank, Señor Alvarez, aber ich habe sehr viel zu tun und nicht mehr viel Zeit.«

      Sie verließ das Gebäude und rannte die Treppen hinunter, wobei ihre Gedanken rasten. Statt sich sofort ein Taxi zu nehmen, ging Emma die Straße hinunter und folgte den prächtigen Alleen, während sie in ihrem Kopf ganz woanders war, in einer anderen Zeit vor vielen, vielen Jahren.

      Sie stellte sich Ben in dem dunklen, urzeitlichen Dschungel vor, wie er um sein Leben rannte und verfolgt wurde.

      Das letzte Mal hatten sie sich wie dumme Kinder verhalten, die keine Ahnung hatten, worauf sie sich da einließen. Und dafür hatten sie bitter bezahlt, die meisten von ihnen mit ihrem Leben. Doch diesmal würde sie bereit sein. Sie würde ein Team zusammenstellen, das über genug Fachwissen und Feuerkraft verfügte. Sie musste noch einiges erledigen und hatte leider schon viel zu lange gewartet. Doch ihr Entschluss, an Ort und Stelle zu sein, wenn die feuchteste Regenzeit zurückkehren würde, war unumstößlich und brannte in ihrem Herzen noch genau so sehr wie an jenem Tag, als sie von diesem teuflischen Plateau heruntergeklettert war und mit angesehen hatte, wie es sich scheinbar in Luft auflöste.

      Personal, Logistik, Zeitfenster und Finanzen jagten durch ihren Kopf und sie achtete auf kaum etwas anderes. Geistesabwesend lief sie durch die Straßen und registrierte plötzlich, dass sie sich in einem ziemlich heruntergekommenen Teil der Stadt befand. Es gab Ecken in Venezuela, da zählte Respekt nicht mehr viel, denn wenn die Zeiten hart sind, werden Menschen ungemütlich. In diesem Viertel war sie keine Frau oder auch nur ein menschliches Wesen mehr, sondern einfach nur ein Ziel.

      Als sie an einer dunklen Gasse vorbeiging, packte sie jemand von hinten und drückte ihr eine kleinkalibrige Pistole gegen die Wange. Emma hätte gern ihre eigene Dummheit verflucht, aber mit dem muskulösen Arm um ihren Hals konnte sie nicht mehr sprechen.

      Sie ließ zu, dass man sie tiefer in die Gasse hineinzog, wo ein weiterer Mann vor