Leni Behrendt 6 – Liebesroman. Leni Behrendt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Leni Behrendt
Издательство: Bookwire
Серия: Leni Behrendt
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740931841
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antwortete sie wahrheitsgemäß: »Zuerst waren wir von einem Zufall nicht ganz überzeugt –.

      Machen Sie nicht so böse Augen, kleine Almut, unser Mißtrauen ist gewiß gerechtfertigt. Es passierte nämlich schon oft, daß Menschen, die wir unterwegs kennenlernten, sich dann ›ganz durch Zufall‹ plötzlich hier einfanden.«

      »Wir kannten aber weder Ihren Namen noch Ihren Wohnsitz, Frau Gräfin –!« rief Almut mit blitzendenAugen. »Ich finde –«

      »Finden Sie vorläufig nichts, mein Kind«, unterbrach die Dame sie lächelnd. »Ein rasches Wort ist bald gesagt, und ich möchte nicht, daß unser gutes Verhältnis zueinander getrübt wird.«

      »Ist es bereits«, warf das Mädchen den Kopf in den Nacken. »Komm, liebes Möpschen –!«

      »Kinder, nun verderbt euch doch nicht den schönen Abend«, meldete sich der Hausherr unbehaglich. »Er ist bis jetzt so harmonisch und schön gewesen, soll er durchaus mit einem Mißklang enden? Meine Frau hat recht, wir sind durch allerlei Erfahrungen klug und – mißtrauisch geworden. Sie glauben gar nicht, meine Damen, wer sich im Laufe des Jahres so alles bei uns eingefunden hat, um sich auf kostenlose Art ein behagliches Leben zu verschaffen. Zuerst fielen wir arglos darauf herein, doch später zeigten wir aller Gastfreundschaft zum Trotz den Schmarotzern die kalte Schulter.

      Sie jedoch haben wir herzlich zum Bleiben gebeten. Ist das nicht Beweis genug, wie sympathisch Sie uns gleich vom ersten Augenblick an waren? Selbst als Witwe Niemand und Tochter, die ausgerechnet im tiefen Winter durch halb Deutschland fahren, um ihre Ware feilzubieten«, schloß er lachend, und auch um Adeles Mund zuckte ein Lachen, während Almuts Miene eisig blieb. Sie überließ es ihrer Betreuerin, das heikle Gespräch weiterzuführen, was diese auch in ihrer trockenen Art tat –.

      »Na schön, nehmen Sie also an, daß wir als Schmarotzer hier erschienen, was wir letzten Endes ja auch sind. Wir haben uns auf der Wettersburg eingenistet –«

      »Aber, liebes Fräulein Aldermann –«, legte die Gräfin bittend ihre Hand auf die rundliche Rechte Adeles. »Welch ein häßliches Wort! Haben Sie denn gar nicht gemerkt, wie liebe Gäste Sie und Ihre Schutzbefohlene uns geworden sind? Sie haben es doch wahrlich nicht nötig, hier zu schmarotzen, da Fräulein Fahrenroth mehr als gutsituiert ist, wie Sie uns erzählten.«

      »Vielleicht ist das gelogen, Frau Gräfin.«

      »Auch das noch –«, lachte die Dame nun herzlich. »Erstens haben wir Sie in den vier Wochen Ihres Hierseins als aufrichtigen Menschen schätzen gelernt, der zu so einer schwerwiegenden Lüge gar nicht fähig ist, und dann hat Fräulein Fahrenroth bereits Briefe von ihrem Bruder erhalten –.

      Nun wollen wir wieder gemütlich werden, ja? Sie sind uns so liebe Gäste, daß wir Sie am liebsten immer hierbehalten möchten, nicht, Veit?«

      »Ist Ehrensache, Erdmuthe. Doch das kleine böse Mädchen dort scheint davon noch lange nicht überzeugt zu sein. Wollen Sie nicht auch ein Wort sprechen, gnädiges Fräulein?«

      Ein hochmütiger Ausdruck trat in des Mädchens Gesicht.

      »Ich finde jeden Kommentar überflüssig.«

      »Bums, da haben wir’s, Erdmuthe«, tat der Graf zerknirscht. »Jetzt werden wir für unsere Eselei gebührend mit Nichtachtung gestraft. Beugen wir demütig das Haupt.«

      »Tun Sie es«, schmunzelte Adele. »Ich werde nämlich noch meinen Zorn darauf häufen. Doch zuvor eine Frage: Welch schwarze Gedanken hegten Sie, als wir plötzlich hier auftauchten? Nehmen Sie etwa an, daß wir einen Detektiv beauftragten, der Ihren Namen auskundschaften sollte?«

      »Das hätten Sie viel leichter haben können, meine Gnädigste«, blinzelte der Hausherr ihr verschmitzt zu. »Eine Frage an den Wirt im ›Wilden Jäger‹.«

      »Aha«, nickte Adele verständnisinnig. »Nun kommen wir der Sache schon näher. Wir hörten also Ihren Namen, fuhren der Wettersburg zu – und blieben ausgerechnet kurz davor im Schnee stecken. Almut, was sind wir doch für ausgekochte Gauner.«

      Das klang so trocken, daß stürmische Heiterkeit losbrach. Selbst Marbod tat mit, der sich bis dahin passiv und sehr ernst verhalten hatte. Nur Almut saß noch immer hochmütig da. An sie wandte sich nun die Gräfin.

      »Machen Sie ein anderes Gesicht, meine liebe Kleine. Mich friert ordentlich, wenn ich Sie ansehe.«

      »Dann mußt du noch Sekt haben, Muttchen«, schmunzelte der Gatte. »Marbod, steige in den Keller und hole von den köstlichen Sorgenbrechern. Unser Stephan dürfte sich bereits zur Ruhe begeben haben.«

      Als eingeschenkt war, hob der Hausherr sein Glas.

      »Wir trinken auf das Wohl unserer lieben Gäste. Auf daß es Ihnen hier so gefallen möge, daß Sie auf der Wettersburg seßhaft werden –.

      Oder haben wir es bereits einmal wieder satt, meine kleine Gnädige?« blinzelte er spitzbübisch zu Almut hin, die soeben ihr Glas an das seine klingen ließ.

      »O nein, Herr Graf. Die Wettersburg werde ich niemals ›satt‹ bekommen – und das soll Ihre Strafe sein.«

      »Die will ich gern auf mich nehmen«, tanzten die Fältchen in seinen Augenwinkeln. »Und nun lachen Sie wieder, damit auch der letzte Rest von Groll aus Ihrem Herzchen schwindet. Spülen Sie ihn mit diesem köstlichen Naß hinunter – und uns allen wird wieder wohl.«

      *

      Gut, daß Adele jetzt beschwipst war, da brauchte sich Almut nicht so zu beherrschen.

      Leise, um ihr bereits schlafendes »Möpschen« nicht zu wecken, kleidete sie sich aus. Ging in das Badezimmer, knipste die Lampe über dem Spiegel an und brachte ihr Gesicht dem Glas ganz nahe.

      So sieht nun ein Mensch aus, der eine heiße, aussichtslose Liebe im Herzen trägt – betrachtete sie kritisch das blasse Antlitz, in dem die Augen in sehnsüchtigem Glanz brannten. Der Mund zuckte wie bei verhaltenem Weinen –

      Und vielleicht – vielleicht – konnte sie einmal darüber lachen, worüber sie jetzt immerzu weinen möchte. Wie war doch der dritte Vers des Liedes, das sie heute gesungen.

      Ich sprach zum Geier:

      Reiß aus meinem Herzen den Namen mir,

      der eingegraben steht,

      vergessen lernen will ich und – verschmerzen –

      der Geier sprach:

      Es ist zu spät.

      Nein, zu spät durfte es nicht sein – um alles nicht! Darum wollte sie kämpfen, zäh und verbissen, mit allen Waffen des Stolzes und des Trotzes, die ihr nur zu Gebote standen.

      So zerquälte sich das ratlose Menschenkind Kopf und Herz, während ihm die Tränen über die Wangen liefen. Bis der barmherzige Schlaf kam, um mit milder Hand die nassen Augen zu schließen.

      Adeles Stimme riß sie aus dem Schlummer, den bunte Träume durchwebt hatten. Süßselige und schmerzliche, glückliche und quälende –

      »Wach endlich auf, du Murmeltierchen! Wir dürfen nicht zu spät zum Frühstück kommen. Stephan würde uns mit seiner ganzen Nichtachtung strafen.«

      »Das wäre allerdings das Ärgste, das uns passieren könnte«, reckte Almut gähnend die schlanken Glieder.

      Dann sprang sie rasch aus dem Bett, um gar nicht erst die quälenden Gedanken aufkommen zu lassen, die mit ihr zusammen hellwach geworden waren. Duschte im Badezimmer kalt und frottierte den Körper so lange, bis das Blut wieder warm durch die Adern pulste.

      Das tat gut, gab einen klaren Kopf und hoffentlich auch ein klares Herz.

      Laut sang sie die Stelle des Liedes vor sich hin: »Und konnt’ ich erst wieder singen, war alles auch wieder gut –«

      »Du bist ja nicht wenig fidel«, schmunzelte Adele, als das Mädchen im Zimmer erschien. »Ist dir der Sekt so gut bekommen?«

      »Großartig! Dir nicht?«