Die letzten Zeugen. Birgit Mosser-Schuocker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Birgit Mosser-Schuocker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783902862846
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13. KAPITEL

       »Nieder mit dem Faschismus! Wir kommen wieder!«

      Fritz Propst und Heinrich Treichl über Widerstand, Verfolgung und die Regierenden im Ständestaat

       14. KAPITEL

       »Natürlich gibt es wichtigere Dinge als den Opernball. Aber er hat sehr viel Freude geschenkt!«

      Christl Schönfeldt über ihren ersten »Ball der Bälle« in der Frsten Republik

       15. KAPITEL

       »Jetzt können wir uns alle auf einiges gefasst machen.«

      Fritz Molden, Fritz Propst, Franz Saxinger, Walter Stern, Dorothea Haider, Eric Pleskow, Marko Feingold und Heinrich Treichl über den »Anschluss« und seine Folgen

       16. KAPITEL

       »Brauchen tut man Patriotismus in schwierigen Zeiten, damit man sich festhalten kann.«

      Fritz Molden, Walter Stern, Eric Pleskow, Franz Saxinger, Fritz Propst, Marko Feingold und Dorothea Haider über Terror und Propaganda in den ersten Wochen der Nazi-Herrschaft

       Die letzten Zeugen

       Anmerkungen

       Literaturauswahl

       Dank

       Personenregister

       Vorwort

       von Gerhard Jelinek

      Es gibt sie noch: die letzten Zeugen. Menschen, die aus persönlichem Erleben eine oft dramatische Geschichte ihrer Zeit erzählen können. Sie sind im Wortsinn »Zeitzeugen«. Sie erinnern sich in langen Gesprächen an die Wendepunkte unserer gemeinsamen Geschichte.

      Ihr Zeugnis erweckt historische Jahreszahlen zum Leben.

      Sie kommen aus den unterschiedlichsten sozialen Schichten und haben die gemeinsame Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln erlebt, vielfach auch erlitten.

      Österreichs Vergangenheit fällt in der Rückschau in zwei gegensätzliche Teile auseinander. Nach dem Untergang der Habsburgermonarchie bleibt das – weit überwiegend deutschsprachige – Alpengebiet des k. u. k. Staates als »Republik Deutschösterreich«. Dem französischen Politiker Georges Clemenceau wird das verächtliche Diktum »Der Rest ist Österreich« zugeschrieben. Er soll den Satz bei den Friedensverhandlungen im Pariser Vorort St. Germain gesagt haben. Er trifft jedenfalls den Kern. Von der europäischen Großmacht Österreich-Ungarn verbleiben nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg gerade mal ein Achtel des Staatsgebiets und rund 6,4 Millionen Menschen in Österreich. Viele Zeitgenossen empfinden den Spruch des Siegers Clemenceau als schmerzhaft treffend. Er drückt auch die deprimierende Erkenntnis eines überwiegenden Teils der Bevölkerung aus: Was als Republik weiter existieren sollte, ist nur ein vorläufiges Konstrukt. Im Staat »Deutschösterreich« sehen fast alle Bürger der neuen Republik ihr Heil im Anschluss an ein neues, demokratisches Deutsches Reich. Wegen seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von den nun selbstständig gewordenen Kronländern geben nur wenige Österreicher ihrer neuen Heimat Überlebenschancen. Der Anschluss an das Deutsche Reich liegt nahe, er scheint die einzige Perspektive der deutschsprachigen Bevölkerung in der am Boden liegenden einstigen Habsburgermonarchie.

      Der Zusammenbruch des Habsburger-Imperiums nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg scheint für die deutschsprachige Bevölkerung auf dem heutigen Staatsgebiet Österreichs das Ende zu bedeuten. Die meisten Nationen der Monarchie, die mehr als vier Jahre lang gemeinsam gegen äußere Feinde gekämpft haben, finden sich nach dem Waffenstillstand im November 1918 auf der Seite der Sieger. Sie sagen sich vom Kaiserhaus los und pochen auf das Postulat von US-Präsident Woodrow Wilson: Dieser hat im Jänner 1918 in einer Rede vor beiden Häusern des US-Kongresses ein politisches Programm für die Zeit nach dem Ende des Krieges formuliert. Das Schicksal der Monarchie wird in eineinhalb Zeilen als »Punkt Zehn« abgehandelt: »Den Völkern Österreich-Ungarns, deren Platz unter den Nationen wir geschützt und gesichert zu sehen wünschen, sollte die freieste Gelegenheit zu autonomer Entwicklung zugestanden werden.«

      Damit hat der amerikanische Präsident das »Selbstbestimmungsrecht der Völker« formuliert und so der übernationalen Monarchie im Zentrum des europäischen Kontinents den Todesstoß versetzt. Die »freieste Gelegenheit zur autonomen Entwicklung« gilt bei den Verhandlungen in St. Germain keineswegs für alle Völker. »Deutschösterreich« wird die Selbstbestimmung verwehrt. Das Land und seine Menschen werden zur Unabhängigkeit gezwungen. Ein Anschluss des Monarchie-Restes an das ebenfalls besiegte Deutschland wird untersagt. Die französischen Sieger wollen eine Gebietsvergrößerung des Deutschen Reichs nach der militärischen Niederlage verhindern. Auch die Beifügung »Deutsch« zum Namen Österreich wird verboten.

      Die »letzten Zeugen« in diesem Buch erinnern sich nicht an die staatspolitischen Vorgänge, sie spüren aber noch heute – fast hundert Jahre danach – die Stimmung jener Tage: wenn sich Kaisersohn Otto (von) Habsburg an die Dunkelheit im kaiserlichen Schloss Schönbrunn erinnert, das Machtvakuum der Novembertage 1918 am Verschwinden der Gardesoldaten festmacht, oder wenn er das hoffnungslose Bemühen seines Vaters, des letzten Kaisers Karl I., zumindest ein kleines Stück Macht zu retten, als kindliches Abenteuer in den Auen rund um das kaiserliche Jagdschloss Eckartsau erlebt, ebenso die lange Zugfahrt durch Österreich ins Schweizer Exil. Am Grenzbahnhof kreuzen einander die Lebenswege der kaiserlichen Familie beim Abschied aus dem einstigen Erbland und die des Schriftstellers Stefan Zweig, der in umgekehrter Richtung aus der Schweiz ins heimatliche Wien fährt und ein anderes Land entdecken muss – »einen verstümmelten Rumpf, aus allen Adern blutend«.

      Heinrich Treichl, auch er einer der »letzten Zeugen«, spürt den Empfindungen seiner großbürgerlichen Familie nach, die bei aller Kritik an den Unterlassungen des greisen Kaisers Franz Joseph I. doch stets treu zum »Hause Habsburg« stand und die jene neue Republik niemals als Heimat empfinden konnte, obwohl sie dem neuen Staat loyal zu dienen glaubte. »Das eigentliche Österreich gibt es nicht mehr.« So bringt Heinrich Treichl die Empfindungen seiner Eltern im Winter 1918 auf den Punkt.

      Die Klagenfurterin Felizitas Wester verbindet den Einmarsch serbischer Freischärler in Klagenfurt mit dem Taubenfutter ihrer Großmutter. Die 102-jährige Kärntnerin hat als Kind den Widerstand der deutschsprachigen Kärntner Bevölkerung gegen die Annexionsversuche von Teilen Kärntens an das neue Königreich der Südslawen erlebt. Auch sie ist eine der letzten Zeuginnen von politischen und militärischen Ereignissen, die nur noch unscharf aus dem Nebel der Geschichte des vorigen Jahrhunderts auftauchen. Dabei hat der »Kärntner Abwehrkampf« und seine politische Instrumentalisierung über Jahrzehnte die Kärntner Politik geprägt und im Streit um die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln bis ins dritte Jahrtausend gewirkt.

      Die persönlichen Erlebnisse einer Generation wurden tradiert und immer wieder weitergegeben. Erst heute, fast hundert Jahre nach den Geschehnissen, scheint