Die wichtigsten Dramen. Людвиг Тик. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Людвиг Тик
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027238385
Скачать книгу
Und doch sollte das grade der Grund seyn, eine solche Sache ihrer näheren Aufmerksamkeit zu würdigen; denn wenn wir nichts Neues zulernen wollen, so verschimmeln am Ende auch die alten Kenntnisse in uns.

      AGNES. Bruder Simon spricht heute mit ungemeiner Weisheit.

      SIMON. Ihr versteht mich nur so selten; dies scheint dir nur deswegen klug, weil du auch schon etwas Aehnliches gedacht hast.

      AGNES. Was ist denn aber am Ende der menschliche Verstand?

      SIMON. Ja, das können wir mit unserm eigenen Verstande nicht leicht begreifen; aber er hat gewiß, wie eine Zwiebel, eine Menge von Häuten; jede dieser Häute wird auch Verstand genannt, und der letzte, inwendige Kern ist der eigentliche beste Verstand. Recht verständig sind nun also die Menschen, die ihren zwiebelartigen Verstand durch lange Uebung so abgerichtet haben, daß sie jeden Gedanken, nicht nur mit den äußern Häuten, sondern auch mit dem innern Kerne denken. Bei den meisten Leuten aber, wenn sie auch die Hände vor den Kopf halten, ist nur die oberste Haut in einiger Bewegung, und sie wissen es gar nicht einmal, daß sie noch mehrere Arten von Verstand haben, und so ist Bruder Anton.

      AGNES. Ha ha ha! das ist lustig! Zwiebel und Verstand, das ist eine artige Vorstellung. — Und wie denkt denn Bruder Leopold?

      SIMON. Gar nicht! er denkt nur mit der Zunge; wie andre Menschen essen, um zu leben, so spricht er unaufhörlich, damit er nur etwas zu denken hat, und was er gesprochen hat, hat er auch in demselben Augenblick wieder vergessen, indem er es von der Zunge geschüttelt hat; seine Gedanken sind wie der Spargel, der abgeschnitten wird, so wie man nur die grüne Spitze aus der Erde bemerkt, er schießt noch bis im Sommer, dann läßt man ihn Saamen treiben; um die Zeit wird Bruder Leopold nicht viel mehr sprechen und denken, und die Leute werden von ihm sagen: das ist ein vortreflicher Hausvater!

      AGNES. Aber wie denkst du denn?

      SIMON. Ich? — das ist eben die Schwierigkeit und meine Unruhe, — seht, es ist schwer zu denken, auf welche Art man denkt: denn, versteht das, was gedacht wird, soll denken; ein Casus, der einen sonst ganz vernünftigen Menschen wohl toll machen könnte.

      AGNES. Wie so?

      SIMON. Siehst du, jetzt verstehst du mich gar nicht, weil du auf diesen Gedanken noch gar nicht gekommen bist. — Suche zu begreifen: ich denke, und mit dem Zeuge, womit ich denke, soll ich denken, wie dieses Zeug selbst beschaffen sei. Es ist pur unmöglich. Denn das, was denkt, kann nicht durch sich selbst gedacht werden.

      AGNES. Es ist wahr, darüber könnte man wirklich toll werden.

      SIMON. Nun seht Ihr, und doch fragt Ihr immer noch, warum ich melankolisch bin.

      Ein Arzt tritt ein.

      ARZT. Verzeiht, meine Fräulein, ich ritt eben vorbei — wie geht es Euch, Junker!

      SIMON. Gut in so weit, ich habe Eure Sachen gebraucht, es hilft für den Magen, aber nicht für den Verstand.

      ARZT. Wie kommt Ihr darauf, daß die Medizin für den Verstand seyn könnte?

      SIMON. Aber je besser mein Magen wird, je schwächer wird mein Verstand.

      ARZT. Das ist nicht anders.

      SIMON. So werd ich ja aber auf der einen Seite nur krank, wenn auf der andern die Gesundheit anschießt.

      ARZT. Freilich wohl.

      SIMON. So ist man am Ende in der schönsten Blüte der Gesundheit, wenn man schon in den letzten Zügen liegt.

      ARZT. Das kann wohl seyn.

      SIMON. (zu den Schwestern). Nun, seht Ihr, und man soll nicht melankolisch werden.

      ARZT. Der Magen ist nichts als ein Gegenbild zum Kopfe, ja ich möchte sagen, ein Vater des Kopfes. Wenn der Magen tüchtig denkt, und sich an den Speisen übt, und immer neue fordert, und dieses wiederholten Studiums nicht überdrüßig werden kann, so steht der Kopf unter der Vormundschaft, und ist gleichsam nur ein Bedienter seines Herrn Vaters; wird er mündig gesprochen und die Herrschaft fällt ihm zu, so macht er sich gierig über die Nahrung her, die ihm gefällt, er denkt unermüdet und sucht immer nach neuen Ideen, indeß sein armer alter Vater unter ihm zusammen schrumpft, und es am Ende sehr übel nimmt, wenn man ihm nur irgend eine Speise zumuthet.

      AGNES. (lacht überlaut). Noch nie habe ich eine so lustige Philosophie gehört, — der Magen ein Vater, — der Verstand eine Zwiebel.

      ARZT. (fühlt Simons Puls) Ich habt nicht gut geschlafen.

      SIMON. Ach nein, — es liegt mir beständig etwas im Kopfe, —

      ARZT. Was denn?

      SIMON. Seht, der Mensch kann alle Anlagen entwickeln, die in ihm liegen, alle seine dunkeln Empfindungen aufklären, — ob man es denn gar nicht bis zum Prophezeien sollte bringen können!

      ARZT. Ja, lieber Ritter —

      SIMON. Es hat aber doch schon Propheten gegeben, und vielleicht hat man ihrer noch jetzt, und vielleicht kann man einer werden, wenn man nur auf den richtigen Weg geräth.

      ARZT. Das ist nur Schimäre.

      SIMON. Und dann ängstigts mich so oft, warum eine Sache gerade so und nicht anders ist.

      ARZT. Wie meint Ihr?

      SIMON. Seht, diese Thür geht nach außen hinaus, wenn man sie aufmacht; warum könnte sie nicht eben so gut ins Zimmer herein gehn?

      ARZT. Da habt Ihr Recht; — aber auf irgend eine Art muß sie doch beschaffen seyn.

      SIMON. Wer läugnet das? — Und manchmal ist mir, als müßt ich durchaus auf meine Pulsschläge Acht geben, und als würde bei dem einen plötzlich eine schmerzhafte Krankheit ausbrechen.

      ARZT. Ihr müßt die Pulver nehmen.

      SIMON. Manchmal muß ich einen halben Tag hinter einander funfzehn zählen.

      ARZT. Und den Trank. —

      SIMON. Manchmal, als wäret Ihr mit allen Euren Arzneien nur ein Narr.

      ARZT. (setzt sich). Ja, da muß ich Euch nur noch Pillen verschreiben. — (schreibt) Und nun lebt wohl, ich besuche Euch bald wieder. (ab.)

      SIMON. Es ist nichts mit ihm anzufangen. (geht ab.)

      Anton (kommt zurück.)

      ANTON. So eben ist ein Bote bei uns eingeritten, der uns einen Besuch meldet, den Ritter Hugo vom Wolfsbrunn.

      AGNES. Ei! da kriegen wir ja auch einmal den Blaubart zu sehn!

      ANTON. Wie ungezogen! Geht in Euer Zimmer und schmückt Euch so gut Ihr könnt, denn wir müssen ihn höflich und anständig empfangen. Ich will ihm entgegen. (ab.)

      AGNES. Komm, Schwesterchen, so fällt doch Gottlob einmal etwas Neues vor. Komm, hilf mir beim Putz, du bist gar geschickt und verständig. (sie gehn.)

       Inhaltsverzeichnis

      (Burg Marloff.)

      Hans von Marloff, Brigitte.

      BRIGITTE. Aber Ihr kehrt doch bald zurück, lieber Vater?

      HANS. Sobald es das Ceremoniel, der Wohlstand, die Ehre erlaubt, Kind. Es ist keine Kleinigkeit, meine Tochter; Agnes ist meine Pathe und Hugo vom Wolfsbrunn, ein angesehener reicher Rittersmann will um sie werben, und das muß ich jetzt, verstehst du mich, vollends zu Stande bringen. Der Ritter hat sich noch nicht völlig erklärt, aber mir ein Sendschreiben zugesandt, worinnen er um mein Fürwort bei dem Fräulein und den Gebrüdern höflichst ansucht.

      BRIGITTE. Mir ist bange, da Ihr mich so allein laßt.

      HANS. Dir sollte nicht bange seyn, meine Tochter, denn mein Seegen bleibt bei dir