Die böse Begierde. Stefan Bouxsein. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stefan Bouxsein
Издательство: Bookwire
Серия: Mordkommission Frankfurt
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783939362081
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Arenz-Werke könnten viel besser dastehen«, ereiferte sich Arenz. »Was glauben Sie, wie viele Investoren sich die Finger nach dem Kuchen lecken? Die Firma wird noch nach den Regeln der Nachkriegszeit geführt. Aber die Zeiten ändern sich nun mal. Die Welt ist globalisiert und die Deutschland AG hat ausgedient. Als die deutschen Unternehmer und die deutschen Banken noch eine verschworene Clique waren, da tickten die Uhren noch langsamer. Meine Mutter hatte sich in kürzester Zeit vom mittellosen Flüchtling zu einer schillernden Figur in dieser Clique entwickelt. Wenn sie einen Kredit benötigte, ging sie nicht zur Bank. Sie veranstaltete stattdessen eine kleine Feier in unserem Haus, wo natürlich auch der Bankdirektor mit Gattin anwesend war. Erst wurde fürstlich diniert, dann unterhielt man sich bei Klaviermusik und dabei ließ sie im richtigen Moment mal anklingen, dass für neue Investitionen ein paar Millionen Mark benötigt würden. Am nächsten Tag rief ein Bankangestellter an und erkundigte sich nach den Einzelheiten der gewünschten Transaktion. Nie im Leben hätte damals ein ausländischer Finanzier seine Füße in die Tür der deutschen Wirtschaft bekommen. Man blieb unter sich und man hatte Erfolg. Aber dieses System war typisch deutsch. Es funktionierte auch nur deshalb so gut, weil der deutsche Arbeiter mit seiner gesetzlichen Rente abgesichert war. Bei den Amerikanern herrschte ein anderes System. Dort musste der Arbeiter bereits früh für seine Altersvorsorge Eigenverantwortung übernehmen. Die Amerikaner stecken ihr Geld in Fonds. Die Fonds werden von Investoren eröffnet und wenn genug Geld drinsteckt, wird investiert. Das System ist riskanter, aber mittlerweile hat es sich durchgesetzt. Seit Mitte der neunziger Jahre werden mehr und mehr deutsche Unternehmen von Investoren übernommen. Die Banken ziehen sich nämlich zurück und ohne Mittelzuflüsse von ausländischen Investoren verdursten die deutschen Unternehmen. Die einzige Möglichkeit, ohne solche Fremdfinanzierer langfristig zu überleben, ist eine vorzügliche Nachfolgeregelung und eine gesicherte Kapitalzufuhr. Weder das eine noch das andere ist bei den Arenz-Werken gegeben. Wenn Hermann und Eva und Dr. Jürgens etwas anderes behaupten, dann stellen sie sich blind. Mehr möchte ich zu diesem Thema nicht mehr sagen.«

      Siebels nickte nachdenklich und fluchte innerlich, weil er keine Zigaretten mehr hatte. Andererseits war er ein wenig stolz auf sich, weil er es immer noch aushielt, ohne seinen Gesprächspartner um eine Zigarette anzubetteln. Peter Arenz hatte ihm soeben klipp und klar erklärt, dass er die 45 Prozent aus Magdalenas Erbe unbedingt haben musste. Er hatte bereits einen Rechtsstreit heraufbeschworen. Er hatte ein Motiv. Solange Magdalena am Leben war, waren die Aktien für ihn unerreichbar. Das könnte sich nun bald ändern. Da es aber noch keine Klarheiten aus der Testamentseröffnung von Magdalena gab, wollte Siebels vor Peter Arenz keine Schwäche zeigen. Und seine einzige Schwäche waren die Zigaretten. Je länger er darüber nachdachte, desto größer wurde sein Verlangen nach Nikotin. Er musste hier raus. Aber vorher musste er noch eine Frage loswerden, die seit einigen Minuten in seinem Kopf herumschwirrte.

      »Was macht Sie so sicher, dass nicht Ihr Vater außer Ihnen und Ihrer Schwester noch ein Kind gezeugt hat? Vielleicht bevor er Ihre Mutter kennen gelernt hat? Oder ein heimliches Verhältnis? Vielleicht wusste Ihre Mutter davon, als sie dieses Testament aufgesetzt hat?«

      Peter Arenz öffnete seinen Mund, ohne etwas zu sagen. Dann schloss er ihn wieder und zündete sich eine Zigarette an. »Vergessen Sie die unbekannten Enkel«, sagte er schließlich. »Es gibt keine.«

      Und wenn es welche gibt, bringst du sie um. Siebels gefiel der Gedanke. Allerdings traute er diesem kleinen dicken Kettenraucher keinen Mord zu. Nicht den an Magdalena und auch keinen an unbekannten Enkeln. Arenz war ein Mann, der die Drecksarbeit von anderen erledigen ließ. Er gehörte auf jeden Fall in den Kreis der Verdächtigen. Und wenn seine Schwester Klara kein hieb- und stichfestes Alibi aufweisen konnte, galt für sie das Gleiche. Siebels war schon gespannt auf diese Frau. Bevor er sich von Arenz verabschiedete, erkundigte er sich nach dem Aufenthaltsort von Sarah Liebig.

      »Sarah lebt in Berlin. Aber sie reist heute an und wird die nächsten Tage im Haus ihrer Eltern wohnen. Dann haben Sie die übrig gebliebenen Liebigs alle zusammen.«

      »Das vereinfacht die Sache ungemein«, stellte Siebels zufrieden fest und reichte Arenz zum Abschied die Hand. Er verließ das Zimmer und schlenderte am Schreibtisch von Petra Schneider vorbei. Sie schien nicht viel zu tun zu haben. Jedenfalls saß sie hinter einem aufgeräumten Schreibtisch und lackierte sich die Fingernägel.

      »Winke, winke«, säuselte Siebels und wedelte dabei freundlich mit der linken Hand, als er an ihr vorüberging.

      »Ciao, Kommissario«, piepste Petra mit einem aufgesetzten Lächeln.

      Draußen betrachtete er noch mal den Maserati, während er seinen Gedanken freien Lauf ließ. In dieser Familie hatten anscheinend traditionell die Frauen die Hosen an. Wilhelmine war die graue Eminenz gewesen, ihr zweiter Ehemann Walter Arenz spielte nur die zweite Geige. Später leitete Hermann die Firma, aber seine Mutter Wilhelmine bestimmte die Familien- und die Firmenpolitik. Und diese Rolle schien nach dem Tod von Wilhelmine nun Eva Liebig auszufüllen. Und an der Seite von Peter Arenz wandelte Petra Schneider. Hatte Siebels das Püppchen vielleicht unterschätzt? Kurzentschlossen nahm er sein Handy und rief bei Staatsanwalt Jensen an. Er verlangte, dass Charly Hofmeier in den Fall eingebunden werden sollte. Er brauchte mehr Informationen. Mehr Informationen aus dem Leben der Familienmitglieder. Charly war EDV-Spezialist im Präsidium. Keiner kam schneller an Informationen ran als er. Charly wusste, in welche Datenbanken man musste und wie man reinkam. Außerdem war er ein Kumpel von Siebels und Till. Ohne ihn hätten die beiden viele ihrer Fälle nicht aufklären können.

      »Herr Hofmeier ist im Urlaub«, widersprach Jensen dem Ansinnen von Siebels.

      »Er war im Urlaub. So wie ich und Kollege Krüger auch. Holen Sie ihn zurück.« Siebels legte auf, ohne auf Antwort seines Vorgesetzten zu warten. Er wusste, dass Charly Junggeselle geblieben war und sich zuhause doch nur langweilte. Das würde Charly zwar nie zugeben, dafür aber Siebels schwere Vorwürfe machen, weil er wegen ihm seinen Urlaub gestrichen bekam, aber das machte Siebels nichts aus. Charly würde fünf Minuten lang so tun, als wäre er stocksauer und sich dann mit Elan auf die neue Aufgabe stürzen.

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