Denn wenn auch die Geistlichkeit gegen die Unzucht von der Kanzel herab Zeter und Mordio predigte, so war sie während ihrer unendlich vielen Freizeit eine ewig dräuende Gefahr für den schöneren Teil ihrer Pfarrkinder.
»Die Sünden, die begehn allein
Die Pfaffen, sind die Weibelein«
sagt der Freidank in seiner Bibel des Mittelalters, in der »Bescheidenheit«, indem er den Klerikern ins Gewissen zu reden sucht und ihnen zürnend zuruft:
»Ein jeder Priester meiden soll
Mess oder Weib; das stehet wohl:
Das Haus bedarf der Reinheit wohl,
Darein Gott selber kommen soll.«[51]
Auch Walter von der Vogelweide meint: »Die Pfaffen sollten keuscher leben als die Laien«, sie thaten es aber so selten, dass die Bauern froh waren, wenn ihre Seelenhirten Beischläferinnen besassen. Die kernigen Friesen duldeten keine Priester ohne Konkubinen in ihrer Mitte: »Se gedulden ock geene Preesteren, sunder eheliche Fruwen, op dat se ander lute bedde nicht beflecken, wente sy meinen, dat idt nich mogelygk sy, und baven die Natur, dat sick ein mensche ontholden konne«.[52]
Mit anerkennenswerter Offenheit äussert sich ein Manuskript-Fragment aus dem 13. Jahrhundert »de rebus Alsaticis«: »Um das Jahr 1200 hatten auch die Priester allgemeine Beischläferinnen, weil gewöhnlich die Bauern sie selbst dazu antrieben. Diese sagten nämlich: Enthaltsam wird der Priester nicht sein können, es ist darum besser, dass er ein Weib für sich hat, als dass er mit den Weibern aller sich zu schaffen macht.« Welche Gefahr dieses Beackern fremder Felder darstellte, beweist nach der eben citierten Quelle ein Herr Heinrich Bischof von Basel (1215-38), der bei seinem Tode 20 vaterlose Kinder ihren Müttern hinterliess. Ein Bischof von Lüttich, den das Konzil von Lyon absetzte, besass gar 61 Sprösslinge. Nach Caesarius von Heisterbach scheute mancher Pfaffe selbst nicht davor zurück, mit Jüdinnen Verhältnisse einzugehen, im Mittelalter eine Todsünde, doppelt sündhaft für einen Geistlichen.
Offen und ungescheut unterhielten die meisten Geistlichen ihre Pfarrersköchinnen bis zur Reformation, die sich diese Achillesferse der Gegenpartei nicht entgehen liess und eine ganze Litteratur wider die Pfaffenbuhlerinnen zeitigte. Die »Epistolae virorum obscurorum« und Ulrich von Huttens Gesprächbüchlein sind köstliche Blüten dieser Kampfschriften; namentlich das erstgenannte Buch übergiesst die Pfarrerdirnen und ihre Liebhaber mit ätzender Satire. Aber auch die katholische Litteratur bemächtigte sich von altersher des dankbaren Stoffes, um ihr Mütchen an den Pfaffendirnen zu kühlen, sei es in ernst mahnender, sei es in derb-komischer Manier. Der »Pfarrer von Kahlenberg« weiss durch die hübsche Beischläferin seines Bischofs sich manchen Vorteil zu erschleichen. So liegt er einmal unter dem Bette, während der Bischof seiner Liebsten »die Kapelle weiht«.[53] Da dieser Eulenspiegel im Priesterkleide den Befehl erhielt, Bedienerinnen zu haben, die 40 Jahre zählen, so nimmt er sich zwei von je 20 Jahren. Im Till Eulenspiegel und den anderen Schwankbüchern des Mittelalters gehört der verbuhlte Pfaffe zu den stereotypen Figuren, die es meisterlich verstehen, die Gatten und Väter zu hintergehen. Manchmal misslang allerdings das Vorhaben, dann empfingen sie eine Tracht Prügel, wurden sogar manchmal erschlagen. Doch auch an ernsten Stimmen über das pfäffische Treiben fehlt es nicht. Thomas Murner, dessen Geissel auch seine eigenen Standesgenossen nicht verschont, wenn es gilt, der Menschheit ihre Laster vorzuhalten, ironisiert im »Narrenspiegel«:[54]
»Dann hör' ich eurer Köchin Beicht',
Und ihr thut's meiner auch vielleicht
Und thut, wie unser Vorfahr that,
Der von der Höll' uns alle hat
Befreit, uns thät vor Tod bewahren,
Dass wir nicht brauchen hineinzufahren.
Jedoch, sobald ihr wolltet schnurren
Und wider unsre Freiheit murren,
Aus meiner Pfarr', aus meinem Haus
Meine liebe Köchin treiben aus,
Mit der ich alle Kurzweil' treib',
Die mir auch wärmet meinen Leib,
Die wohl schon zwanzig ganze Jahre
Mir hat gekräuselt meine Haare –
Das würde dir nicht schlecht vergolten.
Denn bald die Bauern wissen sollten,
Bald sagt' ich ihnen frohe Märe,
Dass nirgends eine Hölle wäre.«
Dann weiter:
»Jeder hat eine Dienerin,
Die tag und nacht bischlaft im.«
Die Herren Geistlichen waren Epikureer, die dem Sprichworte huldigten: »Es ist kein feyner leben auf erden, denn gewisse Zinss haben von seinem Lehen, eyn Hürlein daneben und unserem Herre Gott gedienet.«
Die Pfarrer durften sich ungestört ihrer wilden Ehe hingeben, wenn sie ihre Oberen nur dafür bezahlten. Aus diesem Sündengeld zogen viele Bischöfe grosse Summen. »Es war ein mal ein priester, der gab alle iar dem fischgal (Fiskal) fier guldin, dass er im die Kellerin in ruwen (Ruhe) liess«[55], eine stattliche Summe, die ein Erkleckliches ausmachte, wenn eine grössere Anzahl von Priestern aus einer Diözese den gleichen Betrag erlegen musste. Heinrich von Hewen, um die Mitte des 15. Jahrhunderts Bischof von Konstanz, selbst ein üppiger Herr, gewann aus den Konkubinen-Abgaben seiner Geistlichen eine jährliche Einnahme von 2000 Gulden. Das ärgerliche Leben der Geistlichkeit verlockte sogar die abergläubische Menge, ihnen die Schuld an Epidemien und schweren Erkrankungen ihrer Beichtkinder, besonders an der Epilepsie, zuzuschieben. »Da ward darnach von etlichen also gedeutet, als sollten diese Leute nicht recht getaufft, oder doch ihre Tauffe nicht krefftig sein, weil sie die von solchen pfaffen empfangen, die da unverschampt, mit unzüchtigen Huren in öffentlicher Unehe bey einander lebten, darüber das gemeine Volk bald ein aufstehen gemacht, und alle pfaffen zu todt geschlagen hette.«[56]
Neben der Liebe vergassen auch viele Geistliche nicht, weltliche Güter zu eigenem und zum Nutzen ihrer Klöster zu ergattern. Junge, hübsche und reiche Witwen und Waisen waren ein gesuchter Artikel für Laien und Priester. »Darnach sind etliche (Geistliche),« äussert sich Geiler von Kaisersberg, »die wittwen und weyssen heymsuchend. Warumb? Darumb: Sy begerend sye zuo verfueren, uff dass sye ires leibes und guotes gantz gewaltig werdend.«[57]
Ausser ihren Beichtkindern und ihren Wirtschafterinnen standen übrigens der höheren Geistlichkeit die ihnen subordinierten Klöster für galante Abenteuer zur Verfügung, worüber schon in früher Zeit viele Klagen laut wurden, deren Berechtigung auch Karl der Grosse durch einige seiner Kapitularien anerkannte.
Die Klöster.
Ebenso unkeusch wie die Seelsorger in Dorf und Stadt waren die Insassen der Klöster, gleichviel ob Mönche oder Nonnen. Namentlich die Nonnenklöster standen vielfach in denkbar schlechtestem Rufe, so dass Geiler von Kaisersberg sagen durfte: »Ich weiss nicht, welches schier das best wer, ein tochter in ein semlich closter thuon oder in ein frawenhauss. Wann warumb? ym closter ist sie ein huor ....« Ein hartes Urteil eines Geistlichen über seinesgleichen, dem umsoweniger die Berechtigung abgesprochen werden darf, als es keineswegs vereinzelt dasteht. Sebastian Brant meint im Narrenschiff:
»Solch Klosterkatzen sind gar geil,
Das schafft, man bind sie nicht an seil«,[58]
das heisst, dass sie keine Aufsicht haben.
Die Abgeschlossenheit der Klöster eignete sich vorzüglich dazu, Geheimnisse der Aussenwelt zu verbergen und sich unter dem Schutze der Klausur der ausgelassensten Wollust hinzugeben.
Es