SCHWERE ZIELE (Extreme). Chris Ryan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Chris Ryan
Издательство: Bookwire
Серия: Extreme
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958352032
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kam zu spät, um dem Yank noch zu helfen. Hab Afridi mit bloßen Händen umgelegt. Hättest seinen Blick sehen sollen, Joe.« Er räusperte sich. »Wir haben ihn erwischt. Deswegen sind wir hergekommen, und verdammt noch mal, wir haben es geschafft.«

      Gardner schwieg noch immer, doch in seinem Kopf kreisten die Gedanken. Er diente schon seit Jahren beim Regiment, hatte in den miesesten Dreckslöchern der Welt gekämpft, doch in keiner der Operationen, an der er teilnahm, hatte er einen Mann verloren.

      Bis heute.

      »Aber ein Gutes hat es. Wenigstens müssen wir uns jetzt keine Bibelsprüche mehr von Shaw anhören.« Bald sah zu Gardner, dann zu Hands, und grinste gequält. Keiner der beiden erwiderte sein Lächeln. Das Grinsen verschwand aus Balds Gesicht, dann starrte er auf Gardners linke Hand.

      »Was ist mit dir passiert, Joe?«

      Gardner biss sich auf die Zunge. Er konnte sich nicht konzentrieren. Ihm brummte der Kopf. Irgendetwas drückte von innen gegen seinen Schädel.

      »Sieht wie ein Schlangenbiss aus«, ergänzte Bald.

      Der Druck hinter Gardners Augen nahm stetig zu.

      »Eine Grubenviper hat ihn erwischt«, sagte Hands.

      »Mir geht's gut«, fuhr Gardner dazwischen.

      Aber tatsächlich ging es ihm alles andere als gut. Seine Lippen waren taub geworden, ihm war trotz der bereits einsetzenden Morgenhitze eiskalt, und er hatte Kopfschmerzen, als würde eine Ameisenkolonie seinen Schädel annektieren. Bei Gott, er fühlte sich beschissen, und sah mit Sicherheit auch so aus.

      »Lass mal sehen, Joe.« Bald war für die Mission als Sanitäter eingeteilt und hatte sich um alle Verletzungen und Infektionen zu kümmern.

      »Ich sagte doch, mir geht's gut.«

      Bald zuckte mit den Schultern, fläzte sich in den Sitz und starrte hinaus auf die vorbeifliegende Landschaft.

      »Fuck!«, unterbrach Hands die Stille und schaltete das Funkgerät ab. Er machte ein Gesicht, als hätte er Scheiße gefressen.

      »Was ist los?«

      »Also, die gute Nachricht ist, dass der Chinook auf dem Weg ist.«

      »Und die schlechte?«

      »Head Shed meldet, die Taliban haben Camp Bastion angegriffen. Sieht so aus, als müssten wir denen helfen, die Schweinepriester zurückzudrängen. Das wird wohl kein Spaziergang nach Hause.«

      »Und ich hatte mich schon so auf mein Bier gefreut«, sagte Bald.

      Gardners Unterarme versteiften sich. Ein Straßenschild verkündete, dass Aparzi noch vierundzwanzig Kilometer entfernt war. Seine düsteren Gedanken behielt er aber lieber für sich.

      Kapitel 6

      Aparzi, 05:51 Uhr

      Die Morgendämmerung brach über die ausgetrocknete Mondlandschaft herein. Gardner stoppte den Land Cruiser dreihundert Meter unterhalb des Rendezvous-Punktes. Der RV selbst befand sich auf einer plattformartigen quadratischen Anhöhe, schätzungsweise hundert Meter über dem Wüstenboden, am Rand eines Berges, der die Form eines abgebrochenen Knöchels hatte. Mit vierzig Quadratmetern war die Fläche groß genug für einen Helikopter, gleichzeitig aber auch hoch und unzugänglich genug, um neugierige Passanten abzuhalten.

      »Endstation«, sagte Gardner über das metallische Knacken des abkühlenden Motors hinweg. »Den Rest müssen wir zu Fuß zu gehen.«

      »Wie lang?«, fragte Bald.

      Gardner sah auf seine Uhr. Eine MX10 Nite Watch, NATO-zertifiziert. Hands und Bald trugen das gleiche Modell. Zu Beginn der Mission hatten sie ihre Uhren synchronisiert. Das speziell beschichtete rostfreie Stahlgehäuse von Gardners Uhr war mit Sandkörnern bedeckt.

      »Ankunft des Choppers in neun Minuten.«

      Hands, der an dem Satellitentelefon herumnestelte, sagte: »Ich hoffe, sie sind pünktlich. Head Shed sagt, dass uns mindestens fünfzig Taliban auf den Fersen sind.«

      Gardner kratzte sich seine entzündete Hand.

      »Wo? Ich kann nichts erkennen.«

      »Auf der anderen Seite der Berge. Kommen direkt auf uns zu.«

      Gardner blickte stirnrunzelnd zu der Gebirgskette.

      »Wie lange dauert es, bis sie hier sind?«

      »Head Shed schätzt, etwa zehn Minuten.«

      Bald stieß die Beifahrertür auf. »Dann sollten wir uns besser auf die Socken machen.«

      Die Männer stiegen aus. Hands verstaute das Funkgerät in einem Rucksack und warf ihn sich über die Schulter. Gardner machte einen letzten Kontrollgang um den Wagen herum zum Kofferraum, um nachzusehen, ob sie auch nichts zurückgelassen hatten, und ließ die Kofferraumklappe aufschnappen. Darin befand sich eine Notfallausrüstung, bestehend aus vier Knicklichtern und einer Leuchtpistole, um ein Notsignal absetzen zu können.

      »Mist«, murmelte Bald, trat näher an den Kofferraum heran und griff nach einem in Zeitungspapier eingewickelten Gegenstand, der neben der Notfallausrüstung lag.

      »Hätte ich doch beinahe dieses Prachtstück vergessen.«

      Gardner schüttelte den Kopf, als sein Partner den Gegenstand auspackte. Es handelte sich um eine Excalibur Ecocet 200 Jagdarmbrust, der Rahmen aus Kunstharz, in Wüstentarnfarbe bemalt. Die 20 Zoll-Pfeile flogen bis zu fünfzig Meter weit. Seit dem Tag, an dem Bald offiziell ein Blade war, hatte er darauf bestanden, die Armbrust mit zu den Einsätzen zu nehmen. Sie war so eine Art Glücksbringer für ihn. Er hatte die Excalibur so umfunktioniert, dass er damit Pfeile abfeuern konnte, deren Spitzen mit Acetonperoxid versehen waren – einem Initialsprengstoff, auch bekannt als APEX oder TATP, mit einer zeitverzögerten Reaktion von zwei Sekunden.

      Bald griff nach der Kiste mit den Explosivpfeilen und tippte die Armbrust an.

      »Ich hab vielleicht kein Gewehr, aber das Baby hier tut's auch«, sagte er.

      Gardner sah, das Bald die Scheinwerfer in der Ferne nicht aus den Augen ließ. Er packte die mittelalterlich anmutende Armbrust mit der rechten Hand. Da war etwas in seinem Gesicht, das Gardner beunruhigte. Getrocknetes Blut klebte in Striemen an seinen Mundwinkeln wie das Make-up bei einem bösen Clown. Er sah Gardner in die Augen: »Erinnerst du dich noch an das Auswahlverfahren?«

      Gardner erinnerte sich.

      Phase Eins der Prüfung, die schroffe Landschaft der Brecon Beacons, Süd-Wales. Es goss in Strömen, als sich die durchgefrorenen und ausgehungerten Kandidaten der bislang härtesten Herausforderung ihres Lebens gegenübersahen – die Besteigung des unerbittlichen Pen-y-Fan, dem größten Berg des südlichen Wales, auf dem Weg zu ihrem nächsten Rendezvous-Punkt. Gardner hatte sich mit letzter Kraft bis zum Gipfel durchgekämpft. Als er oben angekommen war, hatte sich seine Lunge wie Sandpapier angefühlt, und seine Oberschenkel schienen nur noch aus Brei bestanden zu haben. In dieser ersten Phase hatte er Bald geschlagen, um ganze acht Minuten.

      »Kinderkacke«, hatte Bald es am Ende des Auswahlverfahrens genannt.

      Gardner fing an, den Berg hinaufzulaufen. Der Anstieg war hart. Der Untergrund bestand aus losem Geröll, und er hatte Mühe, sicheren Halt zu finden. So als würde man einen Salzberg besteigen. In dem Licht, dass die Streichhölzer auf seine Waden warfen, schätzte Gardner, dass die Steigung wenigstens fünfzehn Prozent betrug. Er lehnte sich nach vorn und tastete nach Felsvorsprüngen, um sich daran festzuhalten. Aber die Steine waren locker, zerbröckelten wie Kalk in seinen Händen, und die Sicht während der körnigen Morgendämmerung war schlecht. Bald war vor ihm, vierzig Meter weiter oben.

      Gardner zog das Tempo an. Er war ausgelaugt und fragte sich, wie es Bald gehen mochte.

      Und dann fielen ihm wieder die Gerüchte ein, die zu Hause die Runde gemacht hatten. Gerüchte, dass es unmöglich war, das Auswahlverfahren so leichtfüßig