SCHWERE ZIELE (Extreme). Chris Ryan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Chris Ryan
Издательство: Bookwire
Серия: Extreme
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958352032
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oder nachdem sie versucht hat, dich zu überfahren?«, fragte Gardner, riss das Lenkrad ganz nach rechts und bog auf die Maktoub-Straße ein. Der Wagen schlingerte um die Kurve. Reifen quietschten wie halb überfahrene Katzen. Für einen Moment dachte Gardner, sie würden in einen Gemischtwarenladen krachen, doch im nächsten Augenblick bekam er den Cruiser wieder in die Spur. Die Räder hörten auf zu kreischen.

      »Da ist John«, sagte Hands.

      Gardner sah ihn auch. Zwanzig Meter voraus.

      »Wo ist Shaw?«

      Bald sprintete auf demselben Weg am Vorplatz der Moschee vorbei, den auch Gardner und Hands eingeschlagen hatten. Er blieb in der Mitte der Straße stehen und ruderte mit den Armen. Den Hilux hinter ihnen schien er nicht bemerkt zu haben.

      Gardner musste das Tempo drosseln, als er sich Bald näherte, und der plötzliche Tempoverlust ließ den Hilux bis auf achtzig Meter herankommen. Jetzt konnten Gardner und Hands einen genaueren Blick auf das metallische, turbinenartige Objekt auf der Ladefläche werfen.

      »Fuck, das ist 'ne beschissene Minigun«, sagte Hands.

      Die GAU-17/A Minigun war auf einem eigens dafür konzipierten Gestell montiert. Der Kerl, eben der in die Luft geballert hatte, hatte seine Waffe abgelegt und die beiden Griffe am hinteren Ende der Kanone gepackt. Die Läufe begannen aufzuheulen und sich zu drehen – Aufwärmphase für die totale Verwüstung, 7.62-51mm Kaliber, 3000 Schuss pro Minute.

      Halte so viel Abstand wie möglich zu dem Hilux, dachte Gardner bei sich. Wenn dich die Minigun ins Visier bekommt, hast du schnell mehr Löcher als ein Schweizer Käse.

      Bald vor ihnen hatte den Hilux gerade erst bemerkt. Die Scheinwerfer des Cruisers tanzten um ihn herum.

      Zehn Meter, dann nur noch sieben. Gardner beugte sich zur Beifahrerseite hinüber und stieß die Tür auf. Bald glänzte vor Blut. Es war überall, auf seinem Gesicht, seinen Armen, seinem Hals. Feucht und ölig, wie Lack. Aus der Entfernung hätte man es auch für Kriegsbemalung halten können, aber Gardner hatte genug von dem roten Zeug gesehen, um es mit etwas anderem zu verwechseln.

      Gardner bremste auf Fünfunddreißig ab. Bald sprintete die restlichen Meter auf die Beifahrertür zu und packte den Türrahmen, hielt sich an der Innenseite des Autodachs fest, schwang zuerst das linke Bein in den Wagen und dann das rechte. Der Cruiser rumpelte durch ein Schlagloch. Durch den Ruck schlug die Beifahrertür zu und beförderte Bald gänzlich ins Auto.

      »Fahr!«, brüllte er.

      »Wo ist Shaw?«

      »Keine Zeit, Joe.«

      »Wo ist deine Waffe?«

      »Bring uns einfach hier raus!«

      Gardner ließ den Motor aufheulen. Der Cruiser dröhnte. Sie preschten die Straße entlang. Die Nadel auf dem Tacho kletterte über die 50 km/h-Marke. Der Hilux blieb an ihnen dran, und Gardner wusste, dass die Minigun jeden Augenblick losgehen konnte.

      »Verdammte Scheiße«, murmelte Gardner.

      Da Gardner fuhr und Bald blutverschmiert und angeschlagen war, übernahm Dave Hands die Kontrolle. Er kurbelte sein Beifahrerfenster herunter und drehte sich so, dass sein Rücken gegen den Vordersitz drückte und er seine Füße gegen den Rücksitz stemmte. Dann steckte er seinen Kopf zum Fenster hinaus und zielte mit seiner AK auf den Hilux. Er ließ eine Dreiersalve losrattern. Die Kugeln schlugen im Staub um den Hilux herum ein. Der Cruiser schaukelte und ruckelte. Hands hatte Mühe, die Verfolger im Schussfeld zu behalten.

      »Beeil dich, verdammt!«, rief Gardner.

      Hands feuerte eine weitere Salve ab. Der erste Schuss ging daneben, aber die beiden anderen trafen den linken Vorderreifen. Wie bei einer Orange schälte es den Gummi von dem Reifen. Der Hilux brach aus, die Reifen quietschten. Der Fahrer ruderte mit dem Lenkrad hin und her und sah aus, als würde er mit den Hinterbeinen eines Hundes kämpfen. Gardner warf einen Blick in den Rückspiegel. Pech gehabt, dachte er. Dann schoss der Hilux von der Straße und krachte frontal in einen Laden für Mobiltelefone. Der Aufprall mit hundertzehn Stundenkilometern quetschte die Front des Hilux wie eine Blechdose zusammen. Zwei Männer wurden durch die Windschutzscheibe geschleudert und prallten gegen die Mauerwand. Rauch quoll aus der Motorhaube, dann gab der Motor den Geist auf.

      »Hab's immer noch drauf«, sagte Hands, machte es sich wieder auf dem Rücksitz bequem und gab seinem Gewehrkolben einen Kuss.

      Die Blades überließen den Hilux seinem Schicksal, der hinter ihnen zusammen mit den Gebäuden und den unregelmäßigen Straßenzügen des Mardan in der Dunkelheit verschwand. Sechs Minuten später erreichten sie die kalte Stille offenen Geländes. Für eine ganze Weile sprach niemand von ihnen.

      Schließlich fragte Gardner: »Was ist mit Shaw passiert?«

      »Tot«, antwortete Bald tonlos und mit ausdruckslosem Gesicht. »Afridi hat ihn erwischt. Konnte nichts mehr für ihn tun.«

      Gardner stieg auf die Bremse. Der Cruiser kam rutschend zum Stehen.

      »Was soll das?« Bald glotzte Gardner ungläubig an, während der den Rückwärtsgang einlegte.

      »Wir müssen zu ihm zurück«, sagte Gardner.

      »Mit dem Großteil der Taliban am Arsch? Vergiss es.«

      »John hat recht«, warf Hands ein und richtete sich auf.

      Für eine gefühlte Ewigkeit stand der Cruiser quer auf der Straße, während Gardner das Für und Wider abwägte. Auf der einen Seite ließ das Regiment niemals jemanden zurück. So lautet ihr Kodex. Aber eine dunkle Stimme in seinem Kopf sagte ihm, dass Bald und Hands nicht unrecht hatten. Nach Mardan zurückzukehren war faktisch Selbstmord. Der Ort würde vor Taliban nur so wimmeln. Widerwillig ließ Gardner den Motor wieder an und gab Gas. Frustriert hieb er mit den Handflächen gegen das Steuer.

      Bald kniff die Augen zusammen. Sie rasten gen Westen, ihrem finalen RV-Punkt entgegen. Einem Feld am Rande eines kleinen Dorfes namens Aparzi, vierunddreißig Kilometer westlich ihrer aktuellen Position. In zwei Stunden und acht Minuten, um exakt sechs Uhr, würde ein Chinook am vereinbarten Zielort eintreffen und die Blades zurück nach Camp Bastion bringen, einer britischen Militärbasis tief in der Helmand Provinz.

      Gardner, der den Cruiser systematisch auf über einhundertdreißig Kilometer pro Stunde beschleunigte, gönnte sich die kleine Genugtuung, dass ihre Evakuierung der einzige Teil des Plans war, der nicht in einem totalen Fiasko enden würde.

      Kapitel 5

      04:12 Uhr

      Gardner trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Die Tachonadel zuckte bei 140 km/h. Mardan war einer kahlen Landschaft mit kärglichen Hütten und vereinzelt auftauchenden schmucklosen Moscheen gewichen.

      Niemand sprach.

      Hands war mit dem Funksender beschäftigt. Die Kommunikationsausstattung der Einheit bestand aus einem abhörsicheren Iridium 9555 Satellitentelefon mit integrierter Antenne und einer GPS-Einheit, die es der Kommandozentrale ermöglichte, jeden ihrer Schritte zu überwachen. Das abhörsichere Funkgerät sendete auf einer verschlüsselten Frequenz und nutzte die sogenannte Bitbündelübertragung. Bei dieser Technik wurden Nachrichten zu kleinen Einzelübertragungen komprimiert, wodurch sie von feindlicher Funkaufklärung schwieriger zu entdecken war. Das Signal wurde verschlüsselt an die Befehlszentrale für Spezialoperationen in Bastion übermittelt.

      Das Blut in Balds Gesicht war mittlerweile zu dünnen Schlieren getrocknet, so als hätte jemand lauter Fingerabdrücke auf seinem Kopf hinterlassen.

      »Tut mir leid, Joe.«

      Gardner sagte nichts.

      »Afridi kam aus dem Nichts. Ging auf mich los. Hat mir die AK aus der Hand geschlagen. Dann ist er auf Shaw los. Plötzlich war da dieses verdammte riesige Messer – hat ihn regelrecht aufgespießt, mitten durchs Herz.«

      Gardners Hände schlossen sich so fest um das