SCHWERE ZIELE (Extreme). Chris Ryan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Chris Ryan
Издательство: Bookwire
Серия: Extreme
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958352032
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nein, nein.« Falcon schüttelte energisch den Kopf. »Sie verstehen nicht. Roulette befehligt über einhundert Gangster. Ich kann sie nicht aufhalten.«

      »Wie lange noch, bis uns Ihre Kumpels von der Kavallerie den Arsch retten?«

      »Sie meinen, bis die BOPE eintreffen?« Falcon sah auf die Uhr. »Fünfzehn Minuten. So lange überstehen wir das nicht.«

      Wieder hatte Gardner das Gefühl, dass Falcon gar nicht so richtig auf seine Kameraden von der BOPE treffen wollte. Aber im Moment waren andere Dinge wichtiger.

      »Hat John Ihnen nie erzählt, was sie uns beim Regiment beigebracht haben?«

      Falcon blinzelte verständnislos.

      »Geht nicht, gibt's nicht. Verlieren ist keine Option. Und jetzt reißen Sie sich zusammen.«

      Ein Schuss schlug im Hinterrad ein. Luft schoss zischend aus dem Reifen.

      Eine Minute. Noch zwei, und man würde sie überrennen.

      Gardner untersuchte sein neues Spielzeug. Metallgehäuse, MIL-STD 1913 Picatinny-Schiene, darauf ein Zielfernrohr für den Tageseinsatz mit Vierfach-Zoom. Er stellte die Commando auf Halbautomatik, öffnete die Beifahrertür des Isuzu und kletterte in den Pick-up.

      Die Sitze waren herausgerissen worden, zusammen mit dem Lenkrad, dem Getriebe und allem anderen, was nicht niet- und nagelfest gewesen war. Er rutschte zur Fahrertür, die den Blick nach Osten über die Straße freigab, immer im Schutz der Karosserie. Gardner schob den Lauf des Gewehrs vorsichtig ein paar Zentimeter zum Fenster hinaus. Die künstliche linke Hand am Lauf, den Schaft fest gegen die Schulter gepresst.

      In Bagdad war es schwierig gewesen, Heckenschützen festzunageln. Diese Wichser waren trainierte Paramilitärs gewesen, mit Erfahrungen in der Republikanischen Garde und dem Iran-Irak-Krieg. Nach jedem Schuss wechselten sie ihre Position, nutzten keinen Standort ein zweites Mal. Typen wie Juba, der legendäre Scharfschütze von Bagdad, auf dessen Konto angeblich über einhundert amerikanische Tote gingen, hatten sich als harte Brocken erwiesen. Da brauchte es Experten von der Anti-Scharfschützen-Einheit, um diese Jungs zu erwischen.

      Es sei denn, man war ein Yankee. Dann reichte es auch, die komplette Nachbarschaft mit vier Tonnen hochexplosiven Sprengbomben einzudecken und gleich noch die Oma und die Nachkommenschaft mit über den Jordan zu schicken.

      Ein weiterer Schuss. Kein Mündungsfeuer. Er benutzte einen Schalldämpfer. Vielleicht war der Heckenschütze doch nicht so dumm, wie Gardner gehofft hatte. Wahrscheinlich hatte er bereits Übung darin, BOPE-Offiziere unter Feuer zu nehmen, und wusste ziemlich genau, was er tat: Er legte es gar nicht darauf an, ihn oder Falcon direkt zu treffen. Es genügte, sie so lange festzunageln, bis die Messenger eintrafen und sich um die Sache kümmern würden.

      Ihnen blieb nur noch wenig Zeit.

      Funken sprühten über den Beton, als eine weitere Kugel im Boden vor dem Pick-up einschlug. Die Schüsse kamen gefährlich nahe. Dem Schützen war bewusst, dass Gardner versuchen würde, ihn ausfindig zu machen.

      Dann sah Gardner etwas. Auf drei Uhr.

      Eine Reflexion, auf einem der Dächer, irgendwo in dem Gewirr aus Satellitenschüsseln und Leitungen.

      Nach all den Jahren, in denen Gardner als Zielscheibe für Schützen auf Dächern herumgelaufen war, erkannte er so etwas sofort. Es war der Lauf einer Fernwaffe. Damit hatte der Schütze die erste und wichtigste Regel der Scharfschützenausbildung außer Acht gelassen: Wenn du vermeiden willst, dass deine Kanone in der Sonne wie eine Weihnachtsbaumbeleuchtung glitzert, dann pinsel das verdammte Ding vorher an.

      Gardner atmete aus, entspannte seine Muskeln und blickte durch das Zielfernrohr der Commando. Das vergrößerte Bild vom Kopf des Gangsters. Der kahl rasierte Kerl mit einer Hautfarbe wie Kaffeesatz lag auf dem Bauch. Er trug Jeans und eine weiße Weste. Gardner konnte sogar die Goldringe an seinen Fingern zählen.

      Von rechts drangen die Rufe der Messengers an sein Ohr.

      »Sie kommen!«, rief Falcon eindringlich mit bebender Stimme.

      Gardner blendete die Umgebung aus. Die Stimmen, das Genörgel seines Kompagnons, die drückende Hitze und den Schweiß, der sich in seiner Unterhose sammelte. Er konzentrierte sich auf sein Ziel – und drückte ab.

      Der Kopf des Heckenschützen explodierte wie ein Kürbis. Blut, Knochensplitter und Gewebe klatschten auf das Dach. Sein Körper kippte auf die Seite. Sein nun freiliegender Unterkiefer mit blutigen Zähnen ragte in den Himmel. Die Sonne tauchte das Dach in ein grelles Licht und ließ das Blut schimmern.

      Volltreffer. Gardner krabbelte aus dem Isuzu. Seine Beine hatten den Asphalt noch nicht berührt, da sah er aus dem Augenwinkel, wie fünf Gestalten am Ende der Gasse auftauchten, hundert Meter von ihnen entfernt.

      Vier von ihnen waren definitiv Messengers, denn sie trugen Waffen bei sich. Maschinenpistolen vom Typ PP-2000, state-of-the-art. Woher bekamen diese Typen solche Waffen? Eine Dreiersalve aus Falcons AK-47 riss ihn aus seinen Gedanken. Zwei Kugeln durchbohrten einen der Messenger. Seine graue Trainingshose färbte sich rot von Blut, und seine Kameraden, die sich eilig zurückzogen, ließen ihn bei dem Versuch zurück, die Löcher in seinen zerschossenen Testikeln zuzuhalten.

      Die dritte Kugel traf einen Mann mehrere Meter rechts des Messengers. Dieser war mittleren Alters, mit wenigen Haaren, die so weiß wie das Shirt waren, das er trug. Die Kugel drang ihm in den Rücken, und der Mann stürzte auf den Bauch. Der Inhalt einer Plastiktüte, die er bei sich hatte, kullerte auf die Straße: ein Päckchen Zigaretten, ein Brot, Zitronen und Petersilie.

      »Verdammte Scheiße, Rafa. Du hast einen verdammten Zivilisten erwischt!«

      »Mist«, sagte Falcon, und nahm die AK herunter. »Ich dachte, er wäre … es sah aus, als hätte er eine Kanone. Dachte …« Dann verhärtete sich sein Tonfall. »Blöder Idiot. Selbst schuld. Wieso verdammt noch mal rennt der auch hier herum? Sieht der nicht, dass hier gerade ein Krieg tobt? Scheiß auf ihn.«

      Ein paar Flaschenraketen zischten in den Himmel.

      »Feuerwerk. Meine Einheit ist gleich hier.«

      »Wie lange noch?«

      »Fünf Minuten.«

      Gardner rannte auf kürzestem Weg zu der Schule, Falcon hängte sich an ihn dran. Nur noch diese eine Angriffswelle, und der Weg zu Bald ist frei, ermutigte er sich. Er war sich jetzt sicherer denn je, dass es John gelungen war, der Gang zu entkommen. Und auf keinen Fall wollte er diese Mistkerle zu ihm führen. Sobald die Jungs von der BOPE auftauchten, würde er sich aus dem Staub machen und seine Mission zu Ende bringen.

      Neben ihm traf eine Kugel ihr Ziel, und jemand schrie auf.

      Falcon.

      Überall auf dem Boden war Blut. Sein linker Knöchel schien in Blut zu schwimmen. Die Messenger versuchten ihr Glück und feuerten blindlings die Straße hinauf. Gardner wirbelte herum, feuerte vier Schüsse aus der Colt, dann packte er Falcon bei den Schultern und half ihm dabei, auf seinem gesunden Bein die verbliebenen fünfzig Meter bis zur Schule hinaufzuhumpeln. Gardner war völlig fertig, das letzte Quäntchen Energie schien verbraucht.

      Sie erreichten die Schule. Das Gebäude warf einen rußartigen Schatten auf sie. Die Temperatur sank von flambiert auf kackheiß. Gardner bearbeitete das Vorhängeschloss mit dem Schaft des Maschinengewehrs. Das Schloss war altersschwach, und ein sauberer Treffer genügte, um die Kette zu lösen. Sie passierten das Tor. Falcon winselte bei jedem Schritt.

      »Wir haben es gleich geschafft.«

      Gardner trat in mittlerer Höhe gegen die Tür. Der Rahmen knirschte, aber die Verriegelung hielt dem Tritt stand.

      »Bei Gott, beeilen Sie sich«, stöhnte Falcon.

      Ein zweiter Tritt. Dieses Mal schwang die Tür auf. Gardner ließ Falcon los, und sein Partner von der BOPE brach auf dem Linoleumboden der Schule zusammen. Als Gardner sich umdrehte, um eine letzte Salve auf die Messengers abzufeuern, zählte er zehn Angreifer. Fünf von ihnen waren mit PP-2000 bewaffnet, die