Als Martin zu seinem alten Schlafzimmer gegangen war, hatte ihn Margarita gefragt: »Es ist nicht wahr, dass du uns liebst?«
Martin blieb stehen. »Was? Nein! Ich liebe euch. Etwas anderes entspricht nicht der Wahrheit.«
»Was ist denn nicht wahr?«, fragte Walter verwirrt.
Martin antwortete: »Ihr werdet es schon noch früh genug sehen. Ich bin jetzt in meinem Zimmer«, und zog sich zurück. Energisch schloss er die Tür hinter sich.
Margarita und Walter sahen sich verwirrt an. Sie hörten nun Sirenen, die immer lauter wurden. Langsam machte Walter sich auf den Weg zu Martins Zimmer.
»Mein Sohn«, sagte er laut genug, damit man ihn auch durch die geschlossene Tür hören könnte. »Steckst du in irgendwelchen Schwierigkeiten?«
Er wollte gerade sein Ohr an die Tür pressen, als sie plötzlich aufgerissen wurde. Martin rannte aus seinem Zimmer zurück zur Küche. Aus irgendeinem Grund trug er die dämliche Robe aus Highschoolzeiten, die ein Halloween-Kostüm gewesen war.
Martin rannte nun hektisch zu der Schublade neben der Küchenspüle.
»Martin, was geht denn bloß hier vor?«, fragte Margarita verwirrt.
Martin hielt nun eine Packung Klarsichtfolie hoch. »Habt ihr nicht vielleicht etwas Strapazierfähigeres? Das Zeug ist viel zu dünn.«
»Im Schrank unter der Spüle. Warum trägst du denn dein Snape-Kostüm?« Margarita musste mittlerweile schreien, denn die Sirenen waren jetzt so laut, als hätten die Polizeiautos direkt auf dem Rasen vor dem Haus geparkt, was sie ja auch getan hatten.
»Das ist Malfoy! Die beiden verwechselst du jedes Mal«, murmelte Martin, während er den Schrank aufriss, zwei Packungen der qualitativ hochwertigen Frischhaltefolie ergriff und seinen Eltern lautlos dafür dankte, dass sie gerne im Doppelpack einkauften. Dann ging er wieder zurück in sein altes Zimmer und schrie: »Danke, Mom!« Er schloss seine Schlafzimmertür in dem Moment, als er jemanden an die Haustür seiner Eltern hämmern hörte.
***
Wieder zurück im Lager des Verrottenden Stumpfs atmete Martin einmal tief durch. Ein stechendes Schuldgefühl plagte ihn, weil er seinen Eltern so viel Stress bereitete. Er wusste, dass für sie weniger als eine Minute vergangen war, seit er zur Haustür hereingekommen war, aber für ihn fühlte es sich so an, als ob das Haus seiner Eltern bereits seit Stunden von Bundesagenten belagert worden sei. Dennoch konnte er nichts dagegen tun. Er hatte schließlich gerade eigene Probleme.
Martin arbeitete nun im trüben Licht seines Handydisplays und öffnete die beiden Packungen mit Klarsichtfolie. Er legte die Rollen beiseite, während er die Pappkartons systematisch zerriss, damit er sie in seiner Tasche verstecken konnte. Er bezweifelte, dass sie ihm hier von großem Nutzen sein würden und er glaubte auch nicht, dass die Menschen in dieser Zeit etwas damit anzufangen wussten, aber es kam ihm trotzdem leichtsinnig vor, irgendeinen Beweis herumliegen zu lassen.
Martin stand auf und breitete seine Arme aus. Er trug noch seine leichte Jacke unter seiner Robe, und wenn er die Arme hob, bauschte sich der Umhang an den Seiten. Genau so, wie er es sich erhofft hatte. Er nahm nun eine der Rollen mit Frischhaltefolie und rollte etwa einen Meter davon ab. Das abgerollte Ende riss er allerdings nicht ab, sondern zerknüllte er es zu einer Art losem Seil und stopfte es sich durch den Ärmel seiner Robe. Die Rolle mit der Folie steckte er in die linke Außentasche seiner Jacke, wo sie unter seiner Robe verborgen war. Dann hielt er seinen linken Arm hoch. Ein Zentimeter der Klarsichtfolie schaute aus seinem Ärmelaufschlag heraus. Mit der anderen Hand zog er vorsichtig daran und mit etwas Geschick rollte sich die Folie reibungslos von der Rolle ab und kam aus seinem Ärmel heraus. Die überschüssige Folie stopfte er nun schnell wieder zurück, damit sie nicht mehr herausschaute. Martin kicherte diebisch, während er die zweite Rolle in die andere Jackentasche steckte und das Ende durch den rechten Ärmel hindurchführte.
Pete, Gert und Phillip hörten nach einer Weile ein Klopfen an der Tür des Lagerraums. Pete schob den Riegel zurück und schwang die Tür auf. Martin Banks sagte kein Wort. Er tat so, als hätte er gar nicht gemerkt, dass sie da waren. Er ging zurück zum Hauptraum des Wirtshauses und hielt seine Arme hoch. Die Handrücken hatte er dem versammelten Publikum zugewandt. Alle Gespräche verstummten auf Anhieb.
»Ich, Martin der Prachtvolle, der mächtigste Zauberer hier im … Ort … wurde dazu aufgefordert, meine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, indem ich mehr von dem durchsichtigen Stoff produziere. Bevor ich fortfahre, frage ich den einen, den man Phillip nennt: Kannst auch du durchsichtigen Stoff herstellen?«
Phillip stand lächelnd am Rande des Raums neben Gert und Pete. »Nein, Martin. Ich gebe zu, das kann ich nicht. Ich freue mich aber schon darauf, dir dabei zuzusehen, damit ich etwas von deinen Methoden lernen kann. Der Tag, an dem wir aufhören zu lernen, ist der Tag, an dem wir sterben.«
Ja, du bist gerade in der Tat dabei, etwas zu lernen, du Schwindler, dachte er.
»SO SEI ES!«, schmetterte Martin. »Ich werde allerdings zwei Freiwillige brauchen!«
Das Publikum wich vor ihm zurück und versuchte jeden Blickkontakt zu vermeiden, genauso wie es ein Publikum üblicherweise auch tat.
Martin sagte: »Du! Ja, du. Nein. Nicht du. Er. Komm schon. Ich tue dir auch nicht weh. Oh. In Ordnung. Dann eben nicht. Wie ist es mit dir? Nein? Komm schon. Ich brauche doch nur zwei Leute, die mir helfen. Okay. Ihr Zwei. Ja, genau ihr hier vorne. Ja, seht mich an. Okay. Macht euch keine Sorgen. Ihr müsst nicht mal aufstehen. Bleibt einfach da. Ich werde euch sagen, was zu tun ist.«
Nachdem Martin seine Helfer bestimmt hatte, hob er wieder die Arme mit dem Handrücken in Richtung Menge. »Wenn ihr den durchsichtigen Stoff wollt und einen Beweis meiner Macht benötigt, dann werde ich euch jetzt beides geben. SCHAUT HER!« Er nahm seine Hände über dem Kopf zusammen, packte die beiden Folienenden, die aus seinen Ärmeln herausschauten, und zog an ihnen, während er die Arme langsam wieder ausbreitete. Die Menge murmelte aufgeregt. Er streckte seine Arme zu den beiden Freiwilligen in der vorderen Reihe aus und hielt ihnen die losen Enden der Folie entgegen, die an seinen Händen herabhingen. »Zieht daran, meine Freunde! Zieht daran!«
Die beiden Männer ergriffen die Klarsichtfolie und reichten dann die überschüssige Folie, die aus seinen Ärmeln herauskam, an die Leute weiter, die um sie herumstanden. Martin machte mit seinen markigen Sprüchen weiter, um die Illusion aufrechtzuerhalten.
»Ja, zieht! Zieht daran! Ich produziere den durchsichtigen Stoff, so wie es eine Spinne macht, die Seide spinnt. Nur, dass ich es mit den Händen tue und nicht mit dem Unterleib!«
Als die Rollen langsam leer wurden, war der gesamte Raum in zerknitterte Klarsichtfolie gehüllt. Das Publikum untersuchte das Material und zog daran, um zu testen, wie stark es war. Sie versuchten auch, sie wieder glatt zu ziehen, damit sie hindurchsehen konnten.
Phillip sah äußerst erfreut aus, was Martin verwirrte. Der Zauberer näherte sich Martin nun und klatschte in die Hände. »Gut gemacht! Ich hätte ehrlich nicht gedacht, dass ich so etwas jemals in meinem Leben zu Gesicht bekäme. Ich bin wirklich beeindruckt!« Energisch schüttelte er Martins Hand. »Ich sehe, dass du hier eine große Zukunft vor dir hast. Vergiss das Abendessen und das Bett von Pete. Da wirst du dir nur Flöhe einfangen, und zwar vom Essen.«
»Hey!«, wandte Pete entrüstet ein.
»Du weißt, dass es stimmt«, sagte Phillip, der immer noch Martins Hand schüttelte. »Komm mit zu mir. Ich habe viel Platz und noch dazu einen riesigen Pott Eintopf. Ich denke, wir werden uns eine Menge zu erzählen haben.«
Martin riss seine Hand los. »Ich gehe nirgendwo mit dir hin! Du möchtest doch nur, dass ich dir erzähle, wie ich es genau gemacht habe. Du denkst, es ist nur ein Trick, den du dann dazu verwenden kannst, Leute zu täuschen.«
Die Wärme in Phillips Gesichtsausdruck schwand augenblicklich. Seine Augen schossen im Raum umher. »Pass gut auf«, sagte er leise. »Wir beide wissen genau, wie du das gemacht hast und ich denke, wir sollten jetzt zu meinem Haus zurückgehen, und