Rosalinde.
Aber weiß er, daß ich in diesem Lande bin, und in Mannskleidern? Sieht er so munter aus, wie an dem Tage, wo wir ihn ringen sahen?
Celia.
Es ist ebenso leicht, Sonnenstäubchen zu zählen als die Aufgaben eines Verliebten zu lösen. Doch nimm ein Pröbchen von meiner Entdeckung und koste es recht aufmerksam. – Ich fand ihn unter einem Baum wie eine abgefallne Eichel.
Rosalinde.
Der mag wohl Jupiters Baum heißen, wenn er solche Früchte fallen läßt.
Celia.
Verleiht mir Gehör, wertes Fräulein.
Rosalinde.
Fahret fort.
Celia.
Da lag er, hingestreckt wie ein verwundeter Ritter.
Rosalinde.
Wenn es gleich ein Jammer ist, solch einen Anblick zu sehn, so muß er sich doch gut ausgenommen haben.
Celia.
Ruf deiner Zunge «Holla» zu, ich bitte dich; sie macht zur Unzeit Sprünge. Er war wie ein Jäger gekleidet.
Rosalinde.
O Vorbedeutung! Er kommt, mein Herz zu erlegen.
Celia.
Ich möchte mein Lied ohne Chor singen; du bringst mich aus der Weise.
Rosalinde.
Wißt Ihr nicht, daß ich ein Weib bin? Wenn ich denke, muß ich sprechen. Liebe, sag weiter.
Orlando und Jacques treten auf.
Celia.
Du bringst mich heraus. – Still! kommt er da nicht?
Rosalinde.
Er ist's! Schlüpft zur Seite und laßt uns ihn aufs Korn nehmen.
(Celia und Rosalinde verbergen sich.)
Jacques.
Ich danke Euch für geleistete Gesellschaft; aber meiner Treu, ich wäre ebensogern allein gewesen.
Orlando.
Ich auch; aber um der Sitte willen danke ich Euch gleichfalls für Eure Gesellschaft.
Jacques.
Der Himmel behüt Euch! Laßt uns sowenig zusammenkommen wie möglich.
Orlando.
Ich wünsche mir Eure entferntere Bekanntschaft.
Jacques.
Ich ersuche Euch, verderbt keine Bäume weiter damit, Liebeslieder in die Rinden zu schneiden.
Orlando.
Ich ersuche Euch, verderbt meine Verse nicht weiter damit, sie erbärmlich abzulesen.
Jacques.
Rosalinde ist Eurer Liebsten Name?
Orlando.
Wie Ihr sagt.
Jacques.
Ihr Name gefällt mir nicht.
Orlando.
Es war nicht die Rede davon, Euch zu gefallen, wie sie getauft wurde.
Jacques.
Von welcher Statur ist sie?
Orlando.
Grade so hoch wie mein Herz.
Jacques.
Ihr seid voll artiger Antworten. Habt Ihr Euch etwa mit Goldschmiedweibern abgegeben und solche Sprüchlein von Ringen zusammengelesen?
Orlando.
Das nicht; aber ich antworte Euch wie die Tapetenfiguren, aus deren Munde Ihr Eure Fragen studiert habt.
Jacques.
Ihr habt einen behenden Witz; ich glaube, er ist aus Atalantens Fersen gemacht. Wollt Ihr Euch mit mir setzen, so wollen wir zusammen über unsre Gebieterin, die Welt, und unser ganzes Elend schmähen.
Orlando.
Ich will kein lebendig Wesen in der Welt schelten als mich selber, an dem ich die meisten Fehler kenne.
Jacques.
Der ärgste Fehler, den Ihr habt, ist, verliebt zu sein.
Orlando.
Das ist ein Fehler, den ich nicht mit Eurer besten Tugend vertauschte. – Ich bin Eurer müde.
Jacques.
Meiner Treu, ich suchte eben einen Narren, da ich Euch fand.
Orlando.
Er ist in den Bach gefallen; guckt nur hinein, so werdet Ihr ihn sehn.
Jacques.
Da werde ich meine eigne Person sehen.
Orlando.
Die ich entweder für einen Narren oder eine Null halte.
Jacques.
Ich will nicht länger bei Euch verweilen. Lebt wohl, guter Signor Amoroso!
Orlando.
Ich freue mich über Euren Abschied. Gott befohlen, guter Monsieur Melancholie!
(Jacques ab.)
Celia und Rosalinde treten vor.
Rosalinde.
Ich will wie ein naseweiser Lakai mit ihm sprechen und ihn unter der Gestalt zum besten haben. – Hört Ihr, Jäger?
Orlando.
Recht gut; was wollt Ihr?
Rosalinde.
Sagt mir doch, was ist die Glocke?
Orlando.
Ihr solltet mich fragen, was ist's an der Zeit; es gibt keine Glocke im Walde.
Rosalinde.
So gibts auch keinen rechten Liebhaber im Walde, sonst würde jede Minute ein Seufzen und jede Stunde ein Ächzen den trägen Fuß der Zeit so gut anzeigen wie eine Glocke.
Orlando.
Und warum nicht den schnellen Fuß der Zeit? Wäre das nicht ebenso passend gewesen?
Rosalinde.
Mitnichten, mein Herr. Die Zeit reiset in verschiednem Schritt mit verschiednen Personen. Ich will Euch sagen, mit wem die Zeit den Paß geht, mit wem sie trabt, mit wem sie galoppiert und mit wem sie stillsteht.
Orlando.
Ich bitte dich, mit wem trabt sie?
Rosalinde.
Ei, sie trabt hart mit einem jungen Mädchen zwischen der Verlobung und dem Hochzeitstage. Wenn auch nur acht Tage dazwischen hingehn, so ist der Trab der Zeit so hart, daß es ihr wie acht Jahre vorkommt.
Orlando.
Mit wem geht die Zeit den Paß?
Rosalinde.
Mit einem Priester, dem es an Latein gebricht, und einem reichen Manne, der das Podagra nicht hat. Denn der eine schläft ruhig, weil er nicht studieren kann, und der andre lebt lustig, weil er keinen Schmerz fühlt; den einen drückt nicht die Last dürrer und auszehrender Gelehrsamkeit, der andre kennt die Last schweren mühseligen Mangels nicht. Mit diesen geht die Zeit den Paß.
Orlando.
Mit wem galoppiert sie?
Rosalinde.
Mit dem Diebe zum Galgen; denn ginge er auch noch sosehr Schritt vor Schritt, so denkt er doch, daß er zu früh kommt.
Orlando.
Mit wem steht sie still?
Rosalinde.