Der Bergpfarrer Paket 3 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740960018
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      »Hanna, ich fürcht’, du hast ein völlig falsches Bild von der Lebensweise eines Schauspielers«, antwortete er. »Die meiste Zeit verbring’ ich an irgendwelchen Orten, wo gedreht wird. Oft hause ich dann in Wohnwagen. Wenn ich im Hotel wohn’, dann muß ich mich mit dem zufriedengeben, was mir dort serviert wird. Aber glaub’ mir, Kaviar und Champagner sind es in den seltensten Fällen.«

      Zufrieden und satt schob er seinen Teller zurück.

      »So, Vater«, wandte er sich an den Bauern. »Was liegt an? Wo kann ich anpacken?«

      Vinzenz Corbian schüttelte den Kopf.

      »Heut’ ist net mehr viel zu tun«, sagte er. »Ich muß nachher in die Stadt, es ist ja schon wieder Monatsende, und das Finanzamt wartet auf die Steuererklärung. Du kannst’ dich derweil ein bissel umschau’n, und wenn du wirklich Lust dazu hast, dann fährst’ morgen mit dem Sepp aufs Feld.«

      Christian nickte.

      »Dann werd’ ich wirklich ein bissel wandern«, erklärte er. »Und den Rex nehm’ ich mit.«

      *

      Nach einer guten Tasse Kaffee zog er los.

      Christian hatte sich umgezogen und die Arbeitshose gegen eine Jeans eingetauscht. Das passende Hemd stand am Kragen offen, und die Wanderstiefel hatte er vom Dachboden geholt. Es war eine Ewigkeit her, daß er sie getragen hatte, doch die Schuhe paßten immer noch.

      Wie früher verzichtete er auf eine Leine. Der Hund, eine Mischung, von der keiner mit Bestimmtheit sagen konnte, wessen Rasse mehr durchschlug, die des Vaters oder die der Mutter, gehorchte ihm schon damals aufs Wort, und Christian war sicher, daß sich daran nichts geändert hatte.

      Zuerst ging es durch den nahen Höllenbruch, ein kleiner Bergwald, dessen Name schauriger klang, als es dort wirklich war. Der Bauernsohn stieg langsam den Pfad hinauf, Rex tobte ausgelassen um ihn herum, folgte aber sofort, wenn Christian ihn zur Ordnung rief.

      Zwischendurch dachte er an Andrea. Ihre Worte von gestern klangen ihm immer noch in den Ohren.

      Ob es ihr wirklich ernst damit ist?

      Diese Frage stellte er sich, während er über eine Almwiese wanderte. Bisher hatte er immer den Eindruck gehabt, Andrea nehme das Leben genauso locker wie er. Gut, es gab hin und wieder leidenschaftliche Momente, aber das hieß doch nichts heutzutage. Deswegen band man sich nicht aneinander. Auch wenn die Presse es am liebsten hätte, daß die Hochzeitsglocken für sie beide läuteten.

      ›Romantischer Heiratsantrag‹, ›Das Hochzeitskleid schon ausgesucht‹ – so und so ähnlich lauteten die Schlagzeilen in den einschlägigen Zeitschriften. Die Journalisten stellten einfach irgendwelche Behauptungen auf, ohne jemals mit den Betreffenden Rücksprache gehalten zu haben. Christian wußte, daß es nicht nur ihm und Andrea so ging, und dieser Umstand ärgerte ihn zuweilen, auch wenn sie sich hin und wieder darüber amüsierten. Indes war es eine Tatsache, daß solche völlig aus der Luft gegriffenen Behauptungen die damit Konfrontierten oftmals unter Zugzwang stellten. Sie waren gezwungen zu handeln, wenngleich Christian sich diesem Druck nicht beugen wollte. Und gerade deshalb machten ihm Andreas Worte so zu schaffen.

      Sie galten als das Traumpaar des deutschen Films, auf jeder Party waren sie gerngesehene Gäste, und das Publikum lag ihnen zu Füßen und verehrte sie. Möglich, daß Andrea diesem Druck nicht mehr standhalten konnte und ihm deshalb mit diesem Liebesbeweis einen Fingerzeig geben wollte. Doch je mehr er darüber nachdachte, um so überzeugter war Christian, daß eine feste Bindung mit der Kollegin der falsche Schritt wäre.

      Auch wenn er sie mochte, so sehr liebte er Andrea Jorgensen nicht!

      Seine Gedanken wurden abgelenkt, als er sich unversehens vor einem Bauernhof wiederfand. Er war so mit Andrea beschäftigt gewesen, daß er gar nicht bemerkt hatte, daß er seine Schritte in Richtung des Oberhoferhofes gelenkt hatte.

      Christian blieb stehen. Rex, der den Weg von früher her kannte, war losgerannt, stürmte auf die Hofeinfahrt zu, doch ein scharfer Pfiff seines Herrn rief ihn zurück.

      Der junge Schauspieler blickte über das Anwesen. Hier hatte sich kaum etwas verändert. Das Haus war gestrichen worden, Scheune und Stallgebäude. Sein Blick blieb an dem Balkon im obersten Stock hängen. Hinter einem der Fenster wußte er Burgls Zimmer. Schon wollte er sich abwenden und zurückgehen, als er eine Gestalt aus der Haustür treten sah, und ihn ein froher Schreck durchfuhr.

      Burgl hatte ihn im selben Moment erkannt. Die Bauerstochter blieb stehen. Ihre Augen weiteten sich, und dann gingen sie langsam aufeinander zu.

      »Grüß dich, Burgl«, sagte Christian, als sie sich gegenüberstanden. »Wie geht’s dir?«

      Sie nickte, während ihr Herz klopfte.

      »Gut«, antwortete sie. »Sehr gut.«

      Beinahe verlegen fuhr er sich durch das Haar.

      »Ich hab’ mich mit Vater ausgesöhnt.«

      »Das dachte ich mir schon. Franzi hat erzählt, daß du da bist.«

      Sie blickte zum Haus. Ihre Eltern machten ein Nickerchen.

      »Wollen wir ein Stück gehen?«

      »Gern«, erwiderte Christian. »Sag’ mal, warst du neulich am Chiemsee, als ich dort gearbeitet hab’?«

      Burgl schüttelte schnell den Kopf. Das mußte er nicht auch noch wissen, daß sie ihm hinterherlief.

      »Ach, dann hab’ ich mich wohl geirrt.«

      Der Bauernhof lag hinter ihnen. Rex tollte irgendwo im Gebüsch umher, und sie beide gingen stumm nebeneinander.

      Wahrscheinlich war’s nur Zufall, daß er hier entlanggegangen ist, dachte Burgl. Bestimmt hat er mich net besuchen wollen.

      Doch eigentlich wollte ihr Herz, daß es anders war…

      Auf einer Anhöhe blieben sie stehen. Christian sah sie an, und die Bauerstochter wünschte sich nichts sehnlicher, als daß er sie, so wie früher, in die Arme nahm und küßte.

      »Es ist viel Zeit vergangen«, sagte der Schauspieler statt dessen und steckte dabei seine Hände in den Hosenbund.

      Als müsse er sie unter Kontrolle halten, dachte Burgl bitter, damit er net nach mir greift.

      Eigentlich hatte sie sich das Wiedersehen mit ihm anders vorgestellt. Tausendmal war es in ihren Träumen schon geschehen, daß sie sich unvermittelt gegenüber standen, im Mondenschein aufeinander zuliefen oder sich an einem romantischen Ort ihre Liebe neu gestanden.

      Doch nichts von alledem geschah. Sie stand auf einer Bergwiese, sahen sich scheu an, und Christian sprach davon, wieviel Zeit vergangen war.

      »Ja«, antwortete sie nur.

      Und dann schwiegen sie.

      Christian betrachtete ihr blondes Haar. Sie trug es immer noch so wie früher. Locker fiel es auf die Schultern, in der Mitte des Kopfes gescheitelt.

      »Ich hab’ viel erlebt in den letzten Jahren…«

      Sie blickte ihn an.

      Sie nicht. Ihr Leben war ohne besondere Ereignisse an ihr vorübergezogen. Niemand hatte davon Notiz genommen.

      »Ich glaub’, ich muß jetzt zurück«, sagte sie nach einer Weile, in der kein weiteres Wort gesprochen worden war.

      Christian nickte.

      »Ich wünsch’ dir alles Gute«, sagte er. »Vielleicht sehen wir uns noch mal. Ich bin ja noch ein bissel da.«

      Burgl winkte ihm einen Gruß zu. Dann drehte sie sich um und ging den Weg nach Hause zurück.

      Dort angekommen lief sie in ihr Zimmer hinauf und warf sich auf das Bett. Dann endlich ließ sie ihren Tränen freien Lauf.

      *

      Am nächsten Morgen riß das Klingeln des Weckers den Bauernsohn in aller Herrgottsfrühe aus