Der Bergpfarrer Paket 3 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740960018
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da ein großes Unglück geschah?

      An diesem Samstag beschloß er, trotz seiner Bedenken, hinzufahren. Zu groß war sie Sehnsucht, den Hof wiederzusehen, den Ort, wo er geboren war und seine Kindheit verbracht hatte. Nachdem er im Kaffeegarten des Hotels zu Mittag gegessen hatte, brach er auf.

      Als er vom Parkplatz fuhr, bemerkte er eine ältere Frau, die ihn forschend anschaute. Adrian erkannte Maria Erbling und duckte sich unwillkürlich hinter dem Lenkrad. Er wußte schließlich um den Ruf, den die Witwe des ehemaligen Poststellenleiters des Ortes genoß.

      Maria hatte sich, was Adrian nicht wußte, schon geraume Zeit auf dem Parkplatz aufgehalten. Zu groß war ihre Neugier, etwas über den Fremden zu erfahren, über den alle sprachen.

      Ein Privatdetektiv, der einen Fall aufzuklären hatte, vermuteten die einen, ein Millionär aus München, die anderen.

      Die Klatschtante glaubte indes keines von beidem. Für einen Detektiv benahm sich der Mann nicht unauffällig genug. Sie konnte das beurteilen, schließlich waren die Freitagabendkrimis im Fernsehen ihre liebste Unterhaltung, und daß der Mann aus München kam, war ebenso unmöglich.

      Warum wohl fuhr er dann ein Auto, das ein Kennzeichen aus Kiel hatte?

      Das hatte sie mit einem schnellen Blick auf den Wagen festgestellt, als der an ihr vorüberfuhr.

      Adrian ahnte indes nichts von den Gedanken, die sich die Klatschbase machte. Er hatte das Dorf verlassen und fuhr über die kurvige Bergstraße.

      Es war ein herrlicher Sonnentag, und zahlreiche Tagestouristen waren nach St. Johann gekommen.

      Unterwegs begegneten ihm etliche Wandergruppen, erst als er die Straße zum Greiningerhof einbog, blieben die Ausflügler zurück.

      Adrian bemerkte die Aufregung, in der er sich befand, als der Hof in Sichtweite kam. Auf den ersten Blick schien sich dort nichts verändert zu haben, lediglich das Haus und die Nebengebäude, die noch vom Urgroßvater stammten, waren ausgebessert worden. Die Farben leuchteten jetzt wieder intensiver, als er es in Erinnerung gehabt hatte. Er fuhr daran vorbei und kehrte wieder um.

      Einen halben Kilometer von dem Anwesen hielt er an und stieg aus. Mit klopfendem Herzen ging er langsam weiter und gab sich dabei den Anschein eines Spaziergängers, der sich an dem Wetter und der schönen Umgebung erfreute.

      *

      »Sag’ mal, hast du auch von diesem Gerede über einen seltsamen Mann gehört, der im Löwen abgestiegen ist und aus München stammen soll?« fragte Max seinen Bruder beim Mittagessen.

      Sebastian Trenker sah auf und nickte.

      »Allerdings, und ich hab’ mich schon gefragt, was dieses Gerede soll«, antwortete er. »Ich weiß net, wieso die Leute immer wieder solche Gerüchte in die Welt setzen müssen. Auf der Bank erzählten s’ gestern, er wär’ ein Millionär und wollt’ das halbe Dorf aufkaufen.«

      Der Bergpfarrer schüttelte den Kopf.

      »So ein Unsinn!«

      »Ich frag’ mich nur, wer diese Gerüchte aufbringt«, meinte Max. »Der Hirsinger hat mich gefragt, ob der Privatdetektiv aus München mich schon um Amtshilfe gebeten hat.«

      Die beiden Männer am Tisch lachten. Es war wirklich nicht zu glauben, was die Phantasie der Leute manchmal ausbrütete.

      Einzig Sophie Tappert lachte nicht. Sie schaute mit ernster Miene vor sich hin, wirkte nachdenklich. Sebastian kannte seine Haushälterin. Sie sprach ohnehin nie viel, aber daß sie so schweigsam war, kam dem Geistlichen doch merkwürdig vor.

      »Nun, Frau Tappert«, sprach er sie an, »was halten Sie denn von dem ganzen Gerede?«

      Die Haushälterin legte ihren Löffel auf den leeren Teller. Am Samstag gab es meistens Suppe im Pfarrhaus. Zum einen, weil am Abend oft üppiger gespeist wurde – nicht selten hatte man Gäste zum Essen –, zum anderen aber auch, weil sowohl Hochwürden, als auch Max sehr gerne Eintöpfe aßen. Heute stand Linsensuppe auf dem Tisch, mit Rauchfleisch und Regensburgern darin.

      »Ich glaub’, ich weiß, wer der Mann ist«, sagte sie zur großen Überraschung der beiden Brüder.

      »Sie kennen ihn?« forschte der Geistliche nach.

      Sophie Tappert nickte.

      »Als ich am Montag auf dem Friedhof nach dem Grab der Greiningers geschaut hab’, da fiel’s mir auf. Ein frischer Blumenstrauß lag darauf. Zum ersten Mal seit acht Jahren.«

      Sebastian wurde aufmerksam.

      »Ein Blumenstrauß?«

      »Ja«, nickte die Haushälterin, »aber es blieb net bei dem einen. Am nächsten Tag, neugierig geworden, bin ich wieder hingegangen, fand ich einen neuen Strauß, dann am übernächsten und so weiter, bis gestern. Jeden Tag ein frischer Strauß. Und gestern hab’ ich gesehen, wer ihn dort abgelegt hat. Es war Adrian.«

      Sebastian Trenker war jetzt noch mehr als überrascht.

      »Sind S’ sich da ganz sicher?« fragte er nach.

      Sophie Tappert nickte.

      »Ich hab’ ihn gleich erkannt«, erwiderte sie, »auch wenn er sich sehr verändert hat.«

      »Kann mir mal jemand sagen, um wen es hier geht?« mischte sich Max ein.

      Der Bergpfarrer hatte sich zurückgelehnt.

      »Du kannst darüber nix wissen«, erklärte er seinem Bruder. »Damals warst du gerad’ zur Ausbildung auf der Polizeischule. Der Greiningerbauer hatte seinen Hof heruntergewirtschaftet und verloren. Net lange vorher war seine Frau gestorben, und er folgte ihr schon bald darauf nach. Adrian ist das einzige Kind der beiden. Er verschwand damals aus dem Wachnertal, und man hat nie wieder was von ihm gehört.

      Ich muß gesteh’n, geglaubt zu haben, daß er seinem Leben… ein End’ gemacht hat, so verzweifelt, wie er damals war… ich hab’ versucht, mich um ihn zu kümmern, aber er wollt’ niemanden an sich heranlassen. Er sprach immer wieder von dunklen Machenschaften, durch die sein Vater in den Ruin getrieben worden sein soll.

      Natürlich hab’ ich nachgeforscht, doch seine Spur verlor sich irgendwo in München. Dort war er abgerissen in einem Obdachlosenheim angekommen, aber nachdem er da ein-, zweimal übernachtet hatte, ist er wieder verschwunden. Das war das letzte, was ich über ihn hörte.

      Und jetzt taucht er wieder auf…«

      »Dann hat der Reindlbauer seinerzeit den Greiningerhof gekauft?« fragte Max.

      »Ja, und ich muß sagen, daß es damals alles recht schnell über die Bühne ging. Wie es zuerst hieß, sollte der Hof zwangsversteigert werden, doch dann wurden der Karl Reindl und die Bank sich schnell einig. Man munkelte, daß der Hof nur für den Bruchteil seines wirklichen Wertes verkauft wurde, es soll dabei net mit rechten Dingen zugegangen sein. Allerdings ist es mir nie gelungen, die Angelegenheit aufzuklären. Kurz darauf verunglückte der damalige Leiter der Bankfiliale tödlich, und der Reindlbauer hüllt sich bis heut’ in Schweigen.«

      Max strich sich nachdenklich durch das Haar.

      »Hm, und denkst’, daß Adrians Auftauchen was zu bedeuten hat?« fragte er.

      »Eine Bedeutung steckt bestimmt dahinter«, antwortete sein Bruder. »All die Jahre hat er kein Lebenszeichen von sich gegeben und jetzt, wo er wieder da ist, wohnt er anonym im Hotel, meldet sich net bei mir und umgibt sich mit der Aura des Geheimnisvollen; wenn das alles nix bedeuten soll, dann lassen mich meine Erfahrung und Menschenkenntnis wirklich im Stich.«

      »Und was wirst’ jetzt unternehmen?«

      »Erst mal schau’n, ob Adrian heut’ wieder zum Friedhof kommt, und dann mit ihm reden. Er hat einiges zu erklären, denk’ ich.«

      Sebastian schaute einen Moment nachdenklich auf den Teller mit dem Nachtisch: Birnenkompott auf Vanillecreme.

      »Frau Tappert«, wandte er sich dann an seine Haushälterin, »rechnen