Dennoch gab es keinen Zweifel daran, dass die Landschaft hier oben wirklich schön war, selbst wenn alles mit Schnee bedeckt war. Als Frankie noch klein gewesen war, hatte er immer davon geträumt, wegzulaufen und sich eine kleine Hütte im Norden zu suchen, wo alles ruhig und idyllisch war, genauso wie in Mayberry aus der Andy Griffith Show. Und zur Abwechslung hätte ihn jeder mal gemocht. Als er älter geworden war, war ihm natürlich bewusst geworden, dass es weniger wie in Mayberry, sondern eher wie in Beim Sterben ist jeder der Erste geworden wäre, je weiter er sich nach Norden bewegt hätte. Trotzdem hatte ihn dieser Gedanke nie ganz losgelassen und besonders mit den trällernden Stimmen der Mönche, die ihn umgaben, machte Frankie die Umgebung nostalgisch, während er sich wünschte, dass ein Typ wie er so ein Leben tatsächlich führen könnte.
Er verdrängte die Tagträume und zwang sich dazu, sich auf die Straße zu konzentrieren. Nur noch ein paar Meilen bis zur Abzweigung, erinnerte er sich, nicht sicher, ob es tatsächlich ein paar Meilen waren oder nicht. Bald, verbesserte er sich. Bald bin ich auf dem Highway und ungeschoren davongekommen.
Dann sah er den Elch.
Gerade als die Musik zu ihrem dramatischen, hoffnungsvollen Höhepunkt anschwoll, sprang das Tier aus dem Unterholz. Frankie verstand nicht auf Anhieb, was los war, aber als er es tat, war der einzige Gedanke, für den er noch Zeit hatte, dass er am Arsch war. Der Elch war größer als eine Kuh, dunkel und haarig und hatte ein so großes Geweih, dass es schwer war, nicht darauf zu starren. Frankie schrie auf und bremste, aber er hätte genauso gut auf das Gaspedal treten können. Der Elch drehte den Kopf in Frankies Richtung, blinzelte jedoch nur und rührte sich nicht vom Fleck.
Wieder schrie Frankie auf, als er auswich, in eine Schneewehe driftete und die Kontrolle verlor.
Snow on snow, sangen die Mönche, als der Festiva in den Straßengraben rutschte und weiter in eine flache Schlucht. Der Motor stotterte und erstarb, aber die Musik spielte weiter, ein schauriger Auftakt, während der Schnee schneller und schneller fiel und die Mönche Frankies Schicksal überhaupt nicht bemerkten.
Kapitel 2
Erleichtert atmete Marcus Gardner aus, als der hübsch zurechtgemachte Junge das Café verließ, aber die Erinnerung an den Mann, der Steves Zwilling hätte sein können, klang noch lange in ihm nach. Sie blieb ihm erhalten, bis er und seine zwei besten Freunde sich in Arthurs Truck quetschten. Er wurde gegen die Tür gedrängt, als sie sich in Richtung des Pflegeheims in die Stadt schlängelten.
»Was nagt an dir?« Arthur griff über Paul hinweg und stieß Marcus' Knie an. Seine Wangen waren fast so rot wie sein Haar und ließen ihn wie den Weihnachtsmann in jungen Jahren aussehen.
Schulterzuckend wandte Marcus den Blick aus dem Fenster, hinter dem der Schnee wie ein Vorhang vom Himmel fiel. »Nichts.«
»Die übliche miese Laune also?« Seufzend lehnte Arthur sich in seinem Sitz zurück. »Das Wetter ist zum Kotzen, so viel steht fest. Ich weiß nicht, wo der Süße aus dem Café hin wollte, aber ich hoffe, er hat Winterreifen.«
»Er hat sich verirrt.« Das kam von Paul. Er zog seine Mütze ab und fuhr durch seine Locken, womit er sie noch stärker zerzauste, anstatt sie zu ordnen. »Patty hat sich wie eine Glucke um ihn gekümmert. Er hat gesagt, er will zurück nach Duluth. Eigentlich wollte er von dort zurück nach Minneapolis, ist aber wohl irgendwo ziemlich falsch abgebogen. Armer Kerl. Ich hoffe, er schafft es nach Hause.«
Es bestand nicht die geringste Chance, dass der Süße heute Nacht noch die Cities sehen würde. Marcus' Stirnrunzeln verstärkte sich. Was zum Teufel machte so ein Kerl überhaupt hier oben? Und dann fuhr er auch noch einen Festiva. Wie konnten diese Blechbüchsen überhaupt zulässig sein?
»Ich hätte ihm anbieten sollen, bei der Hütte vorbeizukommen. Ich hätte ihn warm halten können«, stellte Arthur fest.
Paul schnaubte. »Ein Blick in dein hässliches Gesicht hätte ihn in die Flucht geschlagen.«
Arthur grinste anzüglich und legte eine seiner gewaltigen Pranken auf die Innenseite von Pauls Schenkel. »Du scheinst mein Gesicht nicht so abstoßend zu finden, Babe.«
Paul grummelte und zog sein Bein weg. Als der Truck ausbrach, wurde Marcus aus seinen Gedanken gerissen und sah Arthur finster an. »Augen auf die Straße, Romeo.«
Arthur lehnte sich vor und starrte mit zusammengekniffenen Augen in den Schnee. »Himmel. Haben sie gesagt, dass es so schlimm werden soll? So wie das runter kommt, brauch ich in einer halben Stunde den Allradantrieb.«
»Wir können den Besuch verschieben«, bot Marcus an, obwohl er das nicht wirklich wollte.
Ablehnend wedelte Arthur mit der Hand. »Das würde uns auch nur ein paar Minuten sparen. Außerdem wärst du dann unerträglich.«
»Er wird so oder so unerträglich sein«, murmelte Paul.
Marcus drehte sich wieder zum Fenster.
Logan Manor war schon weihnachtlich geschmückt. Inmitten des wirbelnden Schnees wirkten die bunten Lichter an der Dachrinne wie ein Signalfeuer. Arthur parkte in der Nähe der Tür, aber dennoch waren sie von Kopf bis Fuß mit Schnee bedeckt, als sie die Eingangshalle betraten.
Kyle, der Nachtpfleger, lächelte Marcus an, als er am Stationstresen seine schneebedeckten Stiefel gegen Papierüberzieher eintauschte. »Sie hat gerade zu Abend gegessen und es sich jetzt vor dem Fernseher bequem gemacht.«
Marcus nickte knapp, während er seine Handschuhe in die Manteltasche schob. Er ließ den Holzfäller-Overall an, hauptsächlich deshalb, weil es mehr Arbeit wäre ihn auszuziehen, als sich angesichts der Dauer seines Verbleibs gelohnt hätte. Bei der Temperatur, die man hier eingestellt hatte, würde er jedoch definitiv in zwei Minuten schwitzen wie ein Schwein. »Wie geht's ihr heute?«
Kyle zuckte die Achseln. »Mittelprächtig. Nicht ihr bester Tag, aber auch nicht ihr schlechtester. Sie ist vielleicht ein bisschen weinerlich und desorientiert, aber sie wird wissen, wer Sie sind, und wird sich freuen, Sie zu sehen.«
»Wir warten hier.« Arthur lehnte sich über den Tresen, um Kyle ein kokettes Grinsen zuzuwerfen, woraufhin Paul finster dreinblickte und der Pfleger errötete.
Froh, diese Seifenoper namens Arthur Anderson für ein paar Minuten hinter sich zu lassen, lief Marcus den Flur entlang zu seiner Mutter.
Mimi Gardner saß zusammengesunken in ihrem Lehnstuhl, eine Steppdecke über den Beinen, ein Magazin auf ihrem Schoß, während im Fernseher die Nachrichten liefen. Als sie Marcus sah, zeigte sie mit finsterem Blick und ein wenig hilflos auf den Fernseher.
»Schatz, ich bin so froh, dass du hier bist. Ich will das nicht sehen, aber die Fernbedienung funktioniert nicht.«
Marcus angelte sie aus ihrem Schoß und richtete sie auf den Bildschirm. Geduldig erklärte er seiner Mutter erneut, wie sie damit das Programm wechseln konnte. »Willst du den Kochkanal sehen, Mom?«
»Ich weiß nicht.« Sie schien verwirrt und wütend, aber als Rachael Ray auf dem Bildschirm erschien und vergnügt und fröhlich in ihrer Küche herumflitzte, entspannte sie sich. »Ja, den da.« Sie lächelte und tätschelte Marcus' Hand. »Danke, Schatz. Hattest du eine schöne Fahrt aus der Stadt hierher?«
Marcus' Herz sank. Er hasste es, wenn sie so viel vergaß, weil das ihre Unterhaltungen immer unangenehm machte. »Ich wohne jetzt hier in Logan, erinnerst du dich?«
Erneut runzelte Mimi aufgebracht die Stirn. »Aber du hast doch diesen guten Job in der Anwaltskanzlei und diesen süßen Freund. Warum solltest du das zurücklassen?«
»Weil Steve mich betrogen und gelogen hat, sobald er den Mund aufgemacht hat. Und der Job hat mich aufgefressen.« Lächelnd nahm er ihre Hand und versuchte, die Unannehmlichkeit ihrer Vergesslichkeit zu überspielen. »Wie war das Abendessen? Hier riecht's nach Hühnchen.«
»Es war gut.« Mimi berührte ihr Haar, noch immer aufgewühlt, aber nicht so schlimm, wie es sein könnte. »Marcus, ich muss meine Haare färben lassen.