Aus den letzten Jahren der Kaiserin Elisabeth. Irma Grafin Sztaray. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Irma Grafin Sztaray
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783902862662
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unsere Einkäufe besorgt waren, nahmen wir Eis. Diese Erfrischung liebte die Kaiserin ganz besonders, sie war überhaupt in der Wahl ihrer Nahrung eher exzentrisch. Milch genoß sie am ständigsten. Es gab Tage, an denen sie ausschließlich von Milch lebte, an anderen Tagen wieder aß sie nur Orangen. Gebratenes Fleisch nahm sie zumeist kalt, den Süßigkeiten sprach sie nur wenig zu, weil sie das Stärkerwerden fürchtete.

      Diese launenhafte Ernährungsweise hatte aber nichts mit ihrer Gesundheit zu tun, denn es kam nicht selten vor, daß sie, wenn es ihr paßte, ein ganzes Diner mit gutem Appetit verspeiste.

      Ihr Frühstück, zu dem in der Regel Tee oder Milch, Butter, Eier und kaltes Fleisch serviert wurden, nahm sie gegen 9 Uhr; ihr Diner, um 5 oder ½ 6 Uhr, bestand aus Braten, Gemüse und dem unvermeidlichen Eis.

      Sie nahm ihre Mahlzeiten stets allein und von dieser Regel wich sie nur im Familienkreise der Erzherzogin Marie Valérie ab.

      Es mochte 5 Uhr gewesen sein, als wir in das Hotel Splendide zurückkehrten.

      Mir schien es, als ob Ihre Majestät zum Schlusse dieses Spazierganges wortloser und verschlossener geworden wäre. Dies berührte mich gar oft schmerzlichst. Ich wußte, die Kaiserin gewöhne sich nur sehr schwer an neue Menschen und ich fragte mich mit Besorgnis, ob ich ihr nicht zur Last wäre, ob ich ihr wohl genügen könnte.

      In der Nähe unseres Hotels liegt das Bois de Boulogne, Algiers prächtiger immergrüner Garten, dessen Eukalyptusse, wenn die Seeluft deren Blätter bewegt, die ganze Gegend mit Duft erfüllen.

      Hier promenierte die Kaiserin des öfteren. In Gedanken versunken schritt sie die sorgsam gepflegten, meist einsamen Pfade dahin und ließ sich von ihrem griechischen Vorleser griechische, englische und französische Werke vortragen. Wissenschaftliches wechselte mit Belletristischem ab, in den seltensten Fällen wurde ein Roman, viel häufiger Gedichte vorgenommen. Auch die Kaiserin schrieb Gedichte, meines Wissens aber zeigte sie sie niemand.

      Das Bois de Boulogne mußte uns für viele Genüsse entschädigen, die der Regen, der gleichzeitig mit uns hier einzog, zunichte machte. Wenn Ausflüge unmöglich waren, promenierten wir hier. Dies war auch heute der Fall.

      Ihre Majestät erkundigte sich mit außerordentlicher Wärme über den bisherigen Verlauf meines Lebens.

      Haarklein mußte ich alles erzählen, was mir im Leben Gutes oder Böses bisher begegnet war; namentlich mußte ich viel über Familie, Geschwister und ganz besonders über meine Mutter berichten.

      Wenn ich schwieg, ermutigte sie mich mit neuen Fragen zum Weiterreden und tat dies mit so warmem Interesse, als wäre von den ihr Nächststehenden die Rede gewesen.

      Wenn diese verschlossene große Seele sich einmal erschloß, überströmte sie von Wärme und Sympathie. –

      An einem Regentage trafen wir, gleichfalls im verlassenen Bois de Boulogne, eine Schwämme suchende alte Frau an, und ich erzählte der Kaiserin, die Algierer Blätter wüßten zu berichten, daß die Kaiserin sich täglich ins Bois begebe, um Schwämme zu suchen. »Journalisten bleiben sich überall gleich«, bemerkte hell lachend die Kaiserin, »was die schon für – Schwämme über mich in die Welt gesetzt haben! Soviel könnte diese gute Frau gar nicht sammeln, selbst wenn sie hundert Jahre alt würde. Sehen Sie nur«, fuhr sie nach einer Weile fort, »wie schwer der guten Alten das Bücken wird. Nein, dies wäre für mich, die ich mich weder zu bücken liebe, noch gerne still verweile, eine unerträgliche Beschäftigung. Und doch bin ich nicht ungelenk – sehen Sie nur!« Sie blickte hierauf umher und als sie sah, daß fern und nah keine Seele zu sehen war, produzierte sie plötzlich mit großer Grazie ein Turnerstückchen, das einem Parterregymnastiker zur Ehre gereicht hätte. »Jetzt versuchen Sie es mal«, sprach sie und lachte herzlich, als der Versuch mir durchaus nicht gelingen wollte.

      Eines Morgens, als sich die Wolken zerteilten und wir die Sonne Afrikas zu sehen bekamen, ging ich mit Ihrer Majestät in den Jardin d’Essai, Algiers botanischen Garten. Der Weg dahin führt im Schatten riesiger Platanen, gegen die unsere heimischen Bäume Baumschulexemplaren gleichen. Der Garten überraschte mich höchlich. Hier bekam ich erst einen Begriff, was südliche Vegetation ist. Ficus und Palmen standen in großen Gruppen eng gedrängt, in Stämmen, die zwei Männer nicht umfangen könnten, und ihre Blätter schwebten über unseren Häuptern gleich großen Segeln ausgebreitet, so daß kein Regen und Wind, ja selbst kein Sonnenstrahl uns treffen konnte. Es herrschte etwas wie ewige Nacht unter den enormen Bambussen, die sich Gewölben gleich über uns beugten und die Luft drückend machten. Diese wilde Kraft und Üppigkeit der Natur imponierte mir außerordentlich, obschon sie auf mir lastete. Die zarten Kinder der Natur, die Blumen, haben hier nichts zu suchen. Außer einigen bläulichen Iris waren hier auch gar keine zu sehen.

      In diese blumen- und tonlose Wildnis brachten nur die Strauße einiges Leben, die hie und da unter den Palmen einherschritten, allein auch diese sind schwerfällig und träge, als fühlten auch sie sich von der gigantischen Vegetation erdrückt. So oft etwas meine Aufmerksamkeit fesselte, hielt die Kaiserin sofort still, gleichsam um Zeit zu gewähren, die Eindrücke in meine Seele aufzunehmen. Und sie hörte freundlich zu, wenn ich darüber rückhaltslos mit ihr sprach. Ich liebe die Botanik. Ich weiß nicht mehr wieso, vielleicht unter dem Einflusse der Umgebung brachte ich die Rede darauf, doch bemerkte ich augenblicklich, daß unsere die Natur anbetende Kaiserin für diese Wissenschaft wenig Interesse hatte.

      Es scheint, daß kühn sich emporschwingende künstlerische Seelen wie die ihre nicht gerne bei Details verweilen, sondern die Eindrücke in ihrer Ganzheit und Größe auf sich einwirken lassen. In dieser Wahrnehmung wurde ich durch die hohe Frau auch später immer wieder bestärkt.

      Und doch besaß sie merkwürdigerweise einen starken Sinn für Genauigkeit, namentlich was die wörtliche Weitergabe ihrer Befehle betraf. Gerade hier sollte ich einen Beweis davon erhalten.

      Ehe wir heimkehrten, sandte sie mich in das am Garteneingange befindliche türkische Café, um Kaffee zu bestellen, wobei sie die Zeit, wann sie ihn zu nehmen wünschte, auf die Minute genau bestimmte. Als ich zurückkehrte, fragte sie mich, wie ich ihren Auftrag übermittelt hätte. Ich wiederholte es. Sie war nicht zufrieden; ich mußte zurückgehen und den Auftrag wörtlich bestellen.

      Auf dem Heimwege bemerkte und erkannte die Kaiserin die beiden Detektive, die ich schon des öfteren auf unseren Spuren auftauchen gesehen. Diese Entdeckung bedrückte sie sichtlich und sie bemerkte unwillig: »Sie begleiten mich wie eine Gefangene.«

      Zu unseren afrikanischen Erlebnissen zählte ein Besuch, bei dem wir, wer würde es glauben, nicht empfangen wurden. Die Kaiserin wünschte den Besuch der Gouverneurin, Madame N., zu erwidern. Wir gingen also zur Villa hinaus und traten in den von Palmen beschatteten Garten, aus dem das kleine, im maurischen Stile erbaute Schloß freundlich hervorschimmerte. Ein Lakai übernahm die schwarzumränderte Visitkarte, auf der unter der kaiserlichen Krone nur das eine Wort stand: Elisabeth. Er entfernte sich und wir warteten. Wir schritten die Gartenwege auf und nieder, die Zeit verstrich und wir fragten, was nun werden solle. Die Sache begann Ihre Majestät zu amüsieren, mich aber, was sollte ich es leugnen, brachte sie in Verlegenheit. Und es wollte sich noch immer kein Mensch zeigen. Endlich, nach langem Harren, erscheint der Lakai und meldet stotternd, Ihre Exzellenz sei nicht zu Hause. So entfernten wir uns denn erheitert und fest überzeugt, daß man uns hier nicht empfangen habe, und die Kaiserin meinte lachend, daß wir diese kleine Blamage gewiß der Toilettefrage zu danken hätten. Ihre Exzellenz hatte der unverhoffte Besuch verwirrt und da sie nicht in entsprechender Pracht erscheinen konnte, ließ sie sich lieber verleugnen.

      Und doch, wenn die Gouverneurin gewußt hätte, wie einfach die Kaiserin sich kleidete, sie hätte sie wohl kaum von dannen ziehen lassen, ohne sie gesehen zu haben.

      Ihre Majestät trug immer Schwarz, nur an Kaisers Geburtstag machte sie eine Ausnahme und legte ein lichtes Gewand an. Auch heute war sie in einem eleganten, aber einfachen schwarzen Tuchkleide mit geradkrempigem schwarzem Tüllhut. Jedes ihrer Kleider konnte sie durch Hinaufknöpfen kürzen lassen, um im Gehen nicht gehindert zu sein. Zu dieser Toilette gehörten ein mit Leder gefütterter weißer Sonnenschirm und ein gelber Lederfächer; mit diesem schützte sie ihr Auge vor der Sonne und ihr