Aus den letzten Jahren der Kaiserin Elisabeth. Irma Grafin Sztaray. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Irma Grafin Sztaray
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783902862662
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erblickt hätte! – Aber auch dann wäre ich mit ihr gegangen.

      Noch lange sah ich der herrlichen Gestalt nach, die sich entfernte, dann ging auch ich. Und in dieser glücklichen Stunde wurde mein Schicksal besiegelt – mit schwarzem Siegel besiegelt.

      Am selben Tage war ich zur Hoftafel geladen, an der jedoch die Kaiserin nicht teilnahm. Ich saß neben dem kleinen bayrischen Prinzen Konrad und ergötzte mich an ihm, denn er war ein ebenso unverfälschter kleiner Schelm wie andere Schelmchen dieses Alters, die nicht im Purpur geboren sind. Seine Erziehung war sehr streng. Er bekam keine Mehlspeise, bis er seinen Braten nicht verzehrt hatte, und mich belustigte gerade die Spitzfindigkeit, mit der Konrad diesem Zwange teils auswich, teils ihm ein Schnippchen schlug.

      Einen tiefen Eindruck machte auf mich die außerordentliche Zuvorkommenheit unseres erhabenen Kaisers Damen gegenüber; er läßt diesen stets den Vortritt in den Saal und nimmt aus der Schüssel immer erst nach der präsidierenden Dame, wäre diese auch die jüngste Diensttuende.

      Mit Rücksicht auf dieses Gehaben hörte ich oft die Bemerkung, daß Seine Majestät nicht nur ein großer Herrscher, sondern auch der erste Ritter sei. Aber es ist mehr als das: Es ist die ihm angeborene kaiserliche Vornehmheit!

      Unsere Abreise fiel auf den ersten Tag des Dezembers. Die Burg verlassend, fuhr ich, von den guten Wünschen meiner Kolleginnen und Bekannten begleitet, zum Bahnhofe, wo einige Minuten später auch Ihre Majestäten eintrafen.

      Der Kaiser verabschiedete sich mit Wärme und Herzlichkeit von der hohen Frau und reichte mir dann mit einigen gütigen Worten die Hand, worauf wir abreisten.

      Mir war’s, als ob mit dem Sonderzuge das Rad des Schicksals mich dahintrüge und von diesem Augenblicke ab mein Geschick mit der Kaiserin für immer unzertrennlich verbunden wäre.

      Ich erwachte an einem herrlichen Morgen. Himmel und Erde strahlten, selbst der Karst glitzerte und glänzte mit beschneitem Haupte herab auf die sommerlich lächelnde Gegend.

      Ein voller Strahl dieses Leuchtens fiel auf das Tuskulum des verewigten Kaisers Maximilian, das schöne Miramare, wo wir jetzt anlangten. Noch blühten in voller Pracht die Rosen. Wie schön wäre es, hier länger zu weilen, wo die poesievolle Umgebung dem Wesen der Kaiserin so sehr entspricht! Leider blieben wir nur wenige Stunden; denn dort in der kleinen Bucht unter dem Schlosse wiegt sich schon die weiße Jacht, die »Miramare«. Sie harrt unser, uns hinauszutragen in die azurne Unendlichkeit.

      Der Augenblick der Einschiffung war gekommen. Zwischen dem Spalier der Offiziere bestiegen wir das Verdeck.

      Kommandant Wachtel stellt die Herren der hohen Frau vor, die für jeden einzelnen ein freundliches Wort hat, und erbittet dann die Erlaubnis, das Zeichen zur Abfahrt geben zu dürfen.

      Die Kaiserin gab die Erlaubnis und begab sich sofort auf das für sie reservierte Promenadedeck, von wo sie die Abfahrt mitansah.

      Von dieser ungefähr fünfzig Schritte langen Brücke betrachtete die Kaiserin das friedliche Spiel und die tosenden Kämpfe der Elemente; hier pflegte sie sich auch vorlesen zu lassen, wenn sie im Auf und Niedergehen ermüdete oder ihrer immer regen Phantasie eine andere Richtung zu geben wünschte.

      Wie ich sie jetzt dort oben auf und niederschweben sah, vermochte ich nicht das Auge von ihr zu wenden. Ihrer schlanken Gestalt schienen Fittiche zu wachsen und ihr leuchtender Blick verriet, daß ihre Seele hier an der Schwelle der Unendlichkeit fessellos sich erhob, hinaus in das Unermeßliche, in das Geheimnisvolle.

      Jetzt wurden die Anker gelichtet. Als ob diese Kette in meinem Herzen erklirrt wäre und mich hinweggerissen hätte aus einem sicheren ruhigen Hafen. Der schwimmende Palast verläßt leicht schaukelnd und majestätisch die Bucht, während Wasservögel in auffallend großer Zahl ruhelos das Schiff umkreisen.

      Dieses geräuschvolle Flattern der Möwen und der sich soeben erhebende Wind, der noch keine Wellen wirft, aber doch schon das Meer erzittern macht, wecken meine schlimmsten Ahnungen.

      Was da wohl kommen mag? Nur zu bald kam ein Sturm heran. Der Himmel weiß, woher urplötzlich die vielen Wanderwolken kamen und woher mit so wilder Kraft die Bora heranbrauste; ich sah nur, daß es brauste, stürmte und wogte, und nach kaum einer Stunde hatte unsere Jacht gegen den wütendsten Seesturm anzukämpfen.

      Ihre Majestät mochte wohl fühlen, welch schwere Augenblicke ich jetzt durchlebte. Ich riß mich von meiner Vergangenheit los, fort von meinem ruhig dahinfließenden Leben, und vor mir lag die Ungewißheit, und das Meer, das große unbekannte, ist mir nicht freundlich gesinnt.

      Die Kaiserin sah in meine Seele. Sie rief mich zu sich. An ihrer Seite, auf dem Verdeck auf und abwandelnd, lauschte ich mit Ergriffenheit ihren Worten. Ich fühlte, daß sie mein Gemüt erhellen wollte. Ihre Stimme war einschmeichelnd milde, ihr Wort ermutigend und liebkosend. Sie blickte mich mit gütigen Augen an, wie man es mit einem scheuen Kinde tut, wenn man mit einigen lieben Worten aus seiner Seele Kummer und Angst bannen will. Nur große, gütige Seelen verstehen es wie sie, befreiend auf das Gemüt einzuwirken. Und dies genügte ihr nicht; sie erhob meine Seele, um sie an den Ausbrüchen der Natur bewundernd teilnehmen zu lassen.

      Zum Lobe des herrlichen Anblickes fand sie die köstlichsten Worte, sie sprach als geweihte Priesterin der Natur, die mit durchgeistigtem Antlitz in Sturm und Gefahr ihrer Meisterin seelenbewegendes Evangelium verkündet. »Wenden Sie sich nur ihr zu, erkennen Sie die erhabene große Vermittlerin! Sie allein spricht mir würdig von Gott. Sie allein ist meine einzige Fürsprecherin bei ihm!«

      Und der Sturm tobte fort, gleichsam als eine erhabene würdige Begleitung dieser herrlichen Offenbarung. Die »Miramare« hielt sich tapfer, obschon die Situation gefahrdrohend schien, wie dies in den besorgten Mienen des wackeren Kommandanten Wachtel deutlich zu lesen war. Und hier hatte ich wieder Gelegenheit, einen Blick in die Seele der Kaiserin zu tun. Man sah, wie sie im Sturme gleichsam auflebte, daß ihr Auge bewundernd an dem wechselvollen Farbenspiele hing, das sich ihr ringsum bot, allein in Kenntnis der Verantwortlichkeit, die den Kommandanten belastete, beraubte sie sich dieses seltenen Naturschauspieles und gestattete, daß wir umkehrten und uns in den Hafen von Pola flüchteten. Hier warteten wir zwei Tage.

      Der Sturm aber tobte immer stärker. Die hohe Frau wurde des Wartens müde und so kam es, daß unsere so poetisch begonnene Seereise in Form einer alltäglichen Eisenbahnfahrt von Pola nach Marseille endete, die mit dem Expreßzuge fast drei Tage währte. Die Kaiserin liebte Eisenbahnfahrten überhaupt nicht, weil sie der Bewegung und der reinen frischen Luft entbehren mußte. Sie schritt im Gange des Schlafwagens auf und nieder und blickte, unbekümmert um die Reisenden, durch die Fenster auf die vorüberziehenden, abwechslungsreichen Bilder. Oberitalien mit Venedig und dem alten Campanile, Romeos und Julias Geburtsstadt, der herrliche Gardasee mit dem Hintergrunde der Alpen, dann Mailand mit seinen schlanken Türmen erschienen und entschwanden im Nebelschleier des Herbsttages. Ab und zu kam Ihre Majestät in mein Coupé und erkundigte sich mit Interesse, ob mich die lange Reise nicht ermüde.

      Sie selbst ermüdeten derlei Reisen nicht, doch machten sie sie zuweilen ungeduldig; dann ließ sie sich von ihrem griechischen Vorleser einiges vorlesen.

      In Marseille kamen wir um 6 Uhr früh an. Am Abend vorher ließ mir Ihre Majestät sagen, ich sollte bereit sein, da wir in der Stadt einen größeren Spaziergang machen würden. Bei dieser Gelegenheit prüfte sie mich zum ersten Male auf meine touristische Befähigung. Wir gingen mit einem Führer nach Notre Dame de la Garde, der Wallfahrtskirche der Seeleute. Auf einem hohen Berge steht sie da, wie ein Pharus die schneebedeckten Berge und die Stadt beherrschend, weit hinausblickend ins Meer, ermutigend und jenen den Weg weisend, die mit den Wellen kämpfen.

      Unser Führer machte uns auf den bereitstehenden Lift aufmerksam, allein wir erstiegen die Höhe zu Fuß.

      Als wir die Kirche betraten, ließ Ihre Majestät durch mich zwei große Kerzen kaufen, zündete sie an und stellte sie wortlos vor das Bild der Mutter Gottes hin: für den Kaiser und für Valérie.

      Wir traten dann hinaus auf den Platz vor der Kirche, von wo sich uns ein herrlicher Ausblick darbot. Die Kaiserin blickte nur flüchtig auf die Stadt; der Hafen und das Meer nahmen ihre Aufmerksamkeit gefangen.