Aus den letzten Jahren der Kaiserin Elisabeth. Irma Grafin Sztaray. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Irma Grafin Sztaray
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783902862662
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Hand küßte. Denn es war die Hand, die seiner toten »Engels-Sisi« die Augen zugedrückt hatte.

      In ihrer Bescheidenheit erwähnt Irma Sztáray nicht die ihren Rang weit überragende Ehrung, mit der ihr der Kaiser seinen Dank für treue Dienste aussprach: Sie erhielt als erste den von ihm gestifteten neuen Elisabeth-Orden in der höchsten Klasse, dem Großkreuz.

      Gräfin Irma Sztáray starb am 3. September 1940 auf dem Familiensitz Szobráncz in Ungarn unverheiratet im Alter von 76 Jahren. 42 Jahre waren seit dem Genfer Attentat vergangen, Jahre, die Irma ganz dem Andenken an ihre Königin widmete, der sie die aufregendsten Jahre ihres Lebens verdankte.

       April 2004Brigitte Hamann

      image Vorwort image

      Die Jahre eilen. Und wie sie vorüberziehen, ist’s mir, als würde der Lufthauch, den ihre rauschenden Fittiche mir zuwehen, immer kühler.

      Mich fröstelt. Der feuchte Herbst, der kalte Winter senden mir, ganz nahe schon, ihre traurigen Grüße zu. Ich muß eilen, denn auch das Leben eilt.

      Unter solchen Gedanken suchte ich die Briefe hervor, die ich an meine Mutter geschrieben, und will versuchen, sie für ein Buch der Pietät zu benützen, dessen Niederschrift ich mir in den schwersten Stunden meines Lebens angelobt habe.

      Die Briefe stammen sämtlich aus den Tagen, in denen ich im Dienste unserer erhabenen Frau, der Kaiserin und Königin Elisabeth gestanden; ihnen sind diese Aufzeichnungen entnommen und geleiten sie treu bis an das Grab.

      Ich weiß, daß meine Feder schwach ist, und habe dennoch das Gefühl, daß es gut war, diese Arbeit zu tun.

      Der Glückliche, dem es dereinst vergönnt sein wird, die erhabene Gestalt unserer Herrscherin in der vollen Wahrheit ihrer strahlend poetischen Erscheinung für die Nachwelt zu verewigen, mag auch diese bescheidenen Aufzeichnungen zur Hand nehmen, er wird ihnen Züge entlehnen, ohne die ihr Bild nicht vollständig wäre, er wird da Offenbarungen finden, die aus der Tiefe ihrer gesegneten Seele emporgeschwebt sind. Mir ist es ein beglückendes Bewußtsein, auf solche Weise Mitarbeiterin jenes glücklichen Künstlers zu werden und bei einer würdigen Darstellung der Gestalt unserer Kaiserin durch meine schwärmerische Liebe für sie werktätig zu sein.

      Szobráncz, 10. September 1909

       Irma Gräfin Sztáray

      image 1894 image

      Ein Brief aus Ischl. Noch niemals brachte mir die Post eine freudigere Botschaft. Was ich nach dem Lesen dieses Briefes empfand, kann nur der ermessen, dem es zumindest einmal gegeben ward, ein stillgehegtes heißes Verlangen urplötzlich, wie auf ein Zauberwort, erfüllt zu sehen.

      Immer wieder durchlas ich den Brief und ich fühlte, daß meine Sonne den Zenith erreicht hatte.

      Hätte in diesem Augenblicke das Buch des Schicksals vor mir gelegen, es wäre mir vielleicht gar nicht eingefallen, hineinzublicken, so sehr bemächtigte sich meiner die Fülle der Gegenwart. Und doch gestaltete sich der Tag, an dem dieser Brief in mein stilles Szobránczer Heim flog, fast verhängnisvoll.

      Ich machte in heiterer Gesellschaft einen Ausflug nach dem nahegelegenen lieblichen Meerauge. Bergab fahrend, wurde mein Kleid vom Rade erfaßt, das mich mit sich fortschleifte. Ich schwebte in Lebensgefahr. Glücklicherweise gelang es noch rechtzeitig, den Wagen zum Stillstande zu bringen. Mein Kleid war zerrissen, sonst kam ich mit dem bloßen Schreck davon.

      Ich stand noch ganz unter dem Eindrucke dieses Erlebnisses, als ich, zu Hause angekommen, glücklich bewegt, den Ischler Brief las. Ihre Majestät die Kaiserin und Königin ließ mich zu sich berufen und gleichzeitig befragen, ob ich Kraft genug in mir fühlte, um sie auf ihren für diesen Winter geplanten weiten Reisen zu begleiten. Ach, ich fühlte in diesem Augenblicke die Kraft, mit ihr bis ans Ende der Welt zu gehen!

      Was ich antwortete?

      Am nächsten Tage reiste ich nach Ischl.

      Ist es denn auch zu verwundern, dachte ich bei mir, daß ich jetzt so überaus bewegt bin? Wie aus einem Traume erwachend, stehe ich da am ersehnten Ziele! Ihr werde ich dienen dürfen, die ich bisher nur aus der Ferne mit verehrenden Gedanken begleitete! Und da ich mich heute an ihre Seite stelle, fühle ich die ganze Bedeutung dieses Augenblickes; mein Herz pocht und meine Seele bebt. Ich kenne ja die Kaiserin gar nicht.

      Den Nachmittag verbrachte ich mit Gräfin Mikes, Hofdame Ihrer Majestät. Dankbar gedenke ich dessen, daß sie es war, die mir während der Spazierfahrt die ersten Weisungen für meinen künftigen Dienst erteilte.

      Ich erinnere mich, daß sich mir aus dieser, auch die Details erörternden gütigen Belehrung zwei charakteristische Momente sofort in die Seele prägten.

      Erstens, daß Ihre Majestät nur mit geraden, aufrichtigen Menschen sympathisiere und gerne auch ein unangenehmes Wort gestatte, wenn es nur wahr sei; weiters, daß sie mit Rücksicht auf ihre empfindlichen Nerven von ihrer Umgebung unbedingte Selbstbeherrschung und eine wohltuend wirkende Ruhe erwarte. Der ersten Bedingung glaubte ich leicht entsprechen zu können, hinsichtlich der zweiten aber vertraute ich auf Gott und gelobte mir die größte Selbstbeherrschung. Am nächsten Morgen empfing mich Gräfin Mikes mit dem Bedeuten, daß ich aller Wahrscheinlichkeit nach noch im Laufe des Vormittags vorgestellt werden würde, es sich daher empfehle, mich rechtzeitig bereit zu halten. Doch kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, kam schon der Befehl, wir sollten unverzüglich kommen, Ihre Majestät erwarte uns.

      So geschah es, daß ich nicht einmal mehr in meine Wohnung gehen konnte; die Gräfin half mir mit ihrer Toilette aus und ich trat in fremden Kleidern zum ersten Male vor die Kaiserin.

      Der große Augenblick war nun da.

      Pochenden Herzens stand ich mit meiner Gefährtin an der Ecke der Villa und gleich darauf erblickte ich Ihre Majestät; sie promenierte. Unter ihrem großen weißen Schirme ergoß sich das Licht auf das aufgelöst herabwallende Haar, das wie eine schimmernde Hülle ihre königliche Gestalt umfloß. Jetzt wandte sie sich, wir näherten uns und ich wurde vorgestellt.

      Sie hatte etwas in ihrem Wesen, das faszinierte. Während ihr leuchtendes trauriges Auge zum ersten Male auf mir ruhte, stand ich wie im Banne eines überirdischen Wesens und meine Seele empfand gleichsam schmerzlich ihre Minderwertigkeit und Alltäglichkeit. Ob sie es wahrnahm, weiß ich nicht, doch kam sie mir selbst zu Hilfe mit ihrem holdseligen Lächeln, das bezauberte und – befreite. Es war eine einzig unvergeßliche Audienz.

      Durch Fragen, die sie an mich richtete, und durch Antworten auf meine Fragen suchte mich die hohe Frau in entzückend freundlicher Unmittelbarkeit kennenzulernen.

      Meine Befangenheit schwand wie Nebeldünste im Sonnenschein. Ich fühlte die Nähe einer großen und guten Seele, die mich ermutigte, ja erhob.

      Ich empfand, daß ich die Höhe ihres Fluges niemals erreichen würde, und doch fühlte ich mich durch ihre Güte wie mit emporgehoben.

      Ich fühlte ihre sieghafte Macht, und schon hier, bei der ersten Begegnung, gab ich ihr meine ganze Seele zu eigen, kraft jener unwiderstehlichen Anziehungskraft der Seelen, die nach höheren Regionen streben.

      Beim Abschied küßte mich die Kaiserin. Wie glücklich war ich!

      Wenn