Al Capone Staffel 2 – Kriminalroman. Al Cann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Al Cann
Издательство: Bookwire
Серия: Al Capone Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783863778156
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halten. Wenn sämtliche Passagiere herausgekommen sind, und er war nicht dabei, dann werde ich Ihnen ein Zeichen geben.«

      Die beiden nickten.

      Der Fremde erhob sich, verließ das Abeil und nahm seinen Weg durch die Gänge der Waggons wieder auf.

      Suzan, die ihm nachgeblickt hatte, ahnte ebenso wenig wie der Geistliche, daß dieser Mann nicht irgendein Polizist war, sondern der berühmteste Polizei-Offizier, den die Vereinigten Staaten jemals gehabt haben. Der einunddreißigjährige Eliot Ness war vor Jahresfrist vom besten Boß des FBI dazu bestimmt worden, das Amt des Chef-Inspektors der Spezial-Abteilung des Federal Bureau of Investigation in Chicago zu übernehmen. Man hatte sich damals nicht nur in Washington darüber gewundert, daß Edgar Hoover ausgerechnet für diesen wichtigsten Posten aller FBI-Stellen einen so jungen und verhältnismäßig unerfahrenen Mann ausgewählt hatte. Denn Chicago hatte sich zu einem wahren Brennpunkt des Verbrechens entwickelt. Nirgends in Amerika – ja überhaupt nirgends auf der ganzen Welt – gab es noch eine solche Zusammenballung des Verbrechertums wie gerade in dieser Stadt. Im Amt A I in Washington und auch an anderen Stellen hatte man versucht, sich gegen diese Nominierung zu wehren. Aber es hatte nichts genutzt, Hoover hatte auf seiner Wahl bestanden. Niemand wußte, was den großen Mann in Washington zu seinem Entschluß bewogen haben mochte. Auch Pinkas Cassedy, der schwergewichtige FBI-Inspektor aus New York, der von Hoover nach Chicago zum Stellvertreter des jungen Eliot Ness bestellt worden war, wunderte sich sehr über den »jungen Mann«, den man ihm da als Boß vor die Nase setzte. Sie waren gleichzeitig nach Chicago gekommen, der junge Ness und der um einige Jahre ältere Pinkas Cassedy. Aber so befremdet der dicke Inspektor über Edgar Hoovers Wahl gewesen war, so schnell sollte sich seine Ansicht über den jungen Mann ins Gegenteil umkehren. Cassedy war einer der ersten, die den Entscheid Hoovers geradezu bewundern mußten. Bewies doch dieser junge Abkömmlung einer norwegischen Auswandererfamilie ein ganz außerordentliches Talent zum Kriminalisten. Ja, man konnte sogar behaupten, daß der »Norweger«, wie er bald in Chicago insgeheim genannt wurde, ein Genie auf dem Gebiet der Kriminalistik war. Niemals vor ihm und auch niemals später wieder hat Amerika einen so hochbegabten Polizei-Offizier besessen. Sein nur kurzes, aber so überaus ereignisreiches Leben dürfte in der Geschichte des amerikanischen Bundeskriminalamtes unerreicht bleiben.

      Es war mehr als ein Zufall, daß Eliot Ness in dieser Nacht in dem Zug saß, der von St Louis nach Chicago fuhr. Er war in Springfield gewesen, wo er der Fährte eines Gangsters gefolgt war, der zur Capone-Gang gehören sollte. Sein Name war Astor Waverly. Der Inspektor hatte die Spur Waverlys in einer Vorstadtstraße Springfields aufgespürt – und fand den Gesuchten in einem Garagenschuppen. Tot. Erschossen. Von seinem Mörder keine Spur. Es stand für den FBI-Agenten fest, daß Waverly von den Mitgliedern der Capone-Gang nach Springfield gelockt und dort erschossen worden war. Sie hatten es sehr geschickt angestellt, die Gangster, denn die Mordkommission fand nicht einen Hauch von Spuren. Die Untersuchungen waren indessen noch im Gange, und Eliot Ness hatte die Rückfahrt nach Chicago angetreten, da dort ein ganzer Berg Arbeit auf ihn wartete. Es war immer dasselbe, wenn es um die Machenschaften des Alfonso Capone ging. Nichts, aber auch gar nichts war diesem gerissenen Gangsterchef nachzuweisen. Er kannte jeden Trick, jede Polizeimethode ganz genau, er vermochte sich auf alles einzustellen, was seine Verfolger versuchten. Eliot Ness hatte einen so cleveren Verbrecher niemals zuvor erlebt. Der Gedanke an Al Capone bereitete ihm ein irritierendes Unbehagen.

      Als sie Chicago endlich erreicht hatten, postierte sich der Polizei-Offizier unweit der beiden Sperren vor einer Säule und tat, als wolle er dort die Ankunftszeiten studieren.

      Die Fahrgäste strömten auf den Perron, überfluteten ihn und zwängten sich durch die Sperren. Sieben Passagiere trugen einen karierten Mantel. Aber sie waren alle wenigstens doppelt so alt, wie der Mann, den Mrs. Tunney ihm beschrieben hatte.

      Als sich der Bahnsteig endlich geleert hatte, lief er noch einmal durch den Zug und gab der Frau und dem Geistlichen schließlich das Zeichen.

      Draußen in der Bahnhofshalle bat er sie in das Office der Bahnpolizei.

      Hier gab Suzan Tunney noch einmal eine Schilderung des Überfalls, soweit sie sich überhaupt daran erinnern konnte.

      Als Eliot Ness erfahren hatte, daß sie in ihrem Koffer noch eine kleine Brieftasche mit etwas Geld hatte, wußte er, daß sie ohne Hilfe nach Hause kommen konnte, und verabschiedete sich.

      »Und vergessen Sie nicht«, sagte er draußen in der Halle noch zu ihr, »wenn Sie Rat oder Hilfe in der Sache brauchen sollten, rufen Sie nur diese Nummer an.«

      Mit raschen Schritten verließ er die Bahnhofshalle und nahm ein Taxi, das ihn auf dem schnellsten Weg zum Oakwoods Cemetery brachte, zu jenem unfreundlichen Bau, in dem die Spezial-Abteilung des FBI untergebracht war.

      *

      Nachdem Richard Dillinger die Felder zwei Meilen weit durchquert hatte, erklomm er endlich die Böschung zur Landstraße.

      Oben zischte gerade ein schwerer Laster vorüber. Es kamen mehrere Wagen von Nordosten herunter – und erst nach einer ganzen Weile wieder einer von Süden herauf. Ric winkte ihm, aber der Wagen fuhr vorüber. Ebenso zwei weitere. Dann hielt eine Limousine federnd am Straßenrand.

      Ric lief hinter ihr her und wollte schon nach dem Türgriff greifen, als der Wagen plötzlich wieder anzog und weiterschoß. Offenbar hatte der Fahrer plötzlich die Angst gepackt, als er den Mann aus dem Dunkel kommen sah.

      Der Verkehr erstarb um diese Nachtstunde meist bis etwa gegen drei Uhr am Morgen fast völlig. Dann wurde er sowohl von als auch nach der Millionenstadt Chicago wieder stärker, um sich zu einem ständig in beiden Richtungen fließenden Strom zu steigern.

      Sieben Meilen hatte der Bandit zu gehen, bis er in der Ferne Licht aufblitzen sah.

      Es war eine Garage, eine Tankstelle mit einem Wohntrakt.

      Dillinger stahl sich vorsichtig heran und sah vor den Garagenschuppen einen alten Oldsmobile stehen. Er griff nach der Tür. Unverschlossen. Sogar der Schlüssel steckte!

      Ein Leichtsinn ohnegleichen.

      Dillinger drehte den Zündschlüssel vorsichtig nach rechts, ohne den Wagen anzulassen und warf einen raschen Blick auf die Benzinuhr.

      Noch zu einem Drittel gefüllt.

      Das mußte reichen.

      Er drehte den Schlüssel mit einem Ruck weiter nach rechts. Hart sägte das Geräusch des Anlassers durch die Nacht. Der Stromkreis schloß sich, aber die Zündung funktionierte offensichtlich nicht.

      Noch zweimal mußte er den Anlasser betätigen. Dann sprang der Wagen tuckernd an. Das Geräusch war so unsauber, daß Dillinger befürchtete, der Wagen könnte sich überhaupt nicht mehr von der Stelle bewegen. Möglicherweise ein Reparaturstück, das man über Nacht hier hatte stehenlassen. Aber als er dann den Gang eingeworfen hatte, fraß sich das Gas seine Bahn sauberer durch die Zylinderköpfe. Die Zündung funktionierte besser, und schließlich, als der Dieb in die Landstraße einbog und in den dritten Gang kam, rauschte der alte Motor voll und kräftig.

      Mit Vollgas preschte der Bandit nordwärts der Stadt entgegen.

      Sie hatten in der Garage nicht einmal das Geräusch des abfahrenden Wagens vernommen.

      Die Spur des Bahnräubes war vollkommen verwischt. Der Regen, der im letzten Drittel der Nacht stärker fiel, richtete die Gräser draußen am Bahndamm, an dem der Bandit nach seinem Sprung aufgekommen war, wieder hoch und löschte auch auf dem Feldweg seine Fährte aus. An der Garage hatte ihn niemand bemerkt, und das einzige, was gesucht wurde, war der alte, klapprige Wagen, den Dillinger im Süden der Stadt in der Nähe des Summit Parks in einer Seitenstraße der Harlem Avenue stehenließ. Er ging zu Fuß über die Harlem Avenue nach Norden hinauf, passierte den Sanitary Canal und kam schließlich nach Stickney. Hier wohnte in der Nähe der Slums der 38. Straße sein Vetter Frank.

      Es war eine graue Mietskaserne, elfgeschossig, düster, mit schmalen Fensterlöchern. Sie wirkte um diese Nachtstunde armselig und abstoßend.

      Ric schob die Tür auf und verzog das Gesicht, als ihm der Geruch von Kohl, feuchtem