Das blaue Fenster: Novellen. Hugo Salus. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hugo Salus
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066118648
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       Hugo Salus

      Das blaue Fenster: Novellen

      Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2020

       [email protected]

      EAN 4064066118648

       Pietà

       Der Rächer

       I.

       II.

       III.

       IV.

       V.

       VI.

       VII.

       VIII.

       IX.

       X.

       Das Meerweibchen

       I.

       II.

       III.

       IV.

       V.

       Der Spiegel

       Eine Legende

       I.

       II.

       III.

       IV.

       V.

       VI.

       VII.

       VIII.

       Novellen des Lyrikers

       von

       Hugo Salus

Inhalt
Seite
Pietà 1
Der Rächer 57
Das Meerweibchen 115
Der Spiegel 173

       Inhaltsverzeichnis

       Ein einsames Kirchlein mitten im Walde hat immer etwas Verträumtes; es ist so, als hätten die Häuser der Menschen, deren Heiligtum es war, das Kirchlein verlassen, so daß es nun ganz allein zurückgeblieben ist, bis die Bäume des Waldes an seine Mauern hinanwuchsen; oder als wäre es, einsamkeitssüchtig und der Welt überdrüssig vom Tale heraufgeflogen, um fürder recht als ein Einsiedel hoch oben im grünen, stillen Forste zu träumen.

      In solch einem Kirchlein vertritt dann die Waldfrömmigkeit und der Märchenzauber des Wanderers etwa mangelnden Glauben; und er kniet in dem Heiligtume ehrlich und wundergläubig wie ein Kind.

      Ich habe im Sommer heuer solch ein einsames Kirchlein mitten im Hochwalde gefunden; es sah etwa wie eine kleine Dorfkirche aus, die sich aber seltsam genug an einen hohen und runden Turm anschmiegte: so daß es gleich den Anschein weckte, als wäre an einen alten Wartturm später die Kapelle angebaut worden. Ich war durch den schönen Wald wie immer in dem Gefühle gegangen, durch einen Dom zu schreiten, so daß ich lächelnd nunmehr das kleine Gotteshaus mitten in der Heiligkeit des Domes gewahrte. Die Tür der Kapelle war leicht geöffnet und das Innere des Kirchleins hell und freundlich. Ich legte meinen Wanderhut auf eine der wenigen Bänke und ging auf ein Grabmal zu, das an der einen Seitenwand sich vom Boden erhob. Es war das langgestreckte Grabmal eines adeligen Fräuleins, und ihre Gestalt war aus dem Sandstein herausgemeißelt, so daß sie mit gefalteten Händen wie in ihrem Sarge da auf der Erde lag. Auf ihrem Gesichte spielte der Sonnenschein, der durch das Fenster der gegenüberliegenden Wand hereinleuchtete, aber seltsam bläulich schimmernd, so daß ich den Strahl gleich zu dem Fenster zurückverfolgte und dort mitten in dem Fenster eine blaue Glasscheibe gewahrte, von einem so tiefen und satten Blau, wie ich es noch nie gesehen habe. Da schaute ich mir das Gesicht der Schlummernden noch einmal an, ich beugte mich darüber, aber so, daß der bläuliche Schimmer nicht verdeckt wurde, und blickte nun in ein zartes, leidverklärtes Antlitz von einer solchen Reinheit der Linien, von einem so schmerzlich erkämpften Frieden, daß ich auf das innigste ergriffen ward. Schlicht gescheiteltes Haar umrahmte die eingesunkenen Schläfen, die Augen wölbten die zarten Lider wie große Kugeln vor, eine stolze, edelgeformte Nase ragte zwischen den eingefallenen, verhärmten Wangen umso ausgeprägter empor, aber das Wunder war doch der schmale und beinahe lächelnde Mund, um den ein Frieden, eine heilige Ruhe lagerten, wie sie der Tod nur solchen Lippen läßt, die