»Er wollte Zed für seine Werft«, fuhr McCaggers fort. »Ich wusste zufällig, dass van Kowenhoven sich etwas, an dem ihm sehr viel liegt, nicht in der Lage zu kaufen ist – da er sich mit jedem Bürgermeister anlegt, den wir haben, und behauptet, dass seine Werft immer noch zu den Niederlanden gehört.«
»Damit macht man sich keine Freunde«, bemerkte Matthew.
»Eben. Aber da ich wusste, hinter was van Kowenhoven her war – etwas, das ich ihm dank meines Einflusses in erreichbare Nähe bringen konnte –, bin ich mit ihm zu einer Vereinbarung gekommen, bevor der Auktionshammer zum letzten Mal zuschlug. Danach gehört mir Zed für vier Jahre. Im Moment ist der fünfte Monat des dritten Jahrs. Wenn die Zeit um ist, geht er in den Besitz von van Kowenhoven über, wo er vermutlich für den Rest seines Lebens die Arbeit von drei Männern verrichten wird.«
»Und was war es, hinter dem Kowenhoven her war?«, fragte Matthew.
»Es hat eine Weile gedauert. Aber die nächste Straße, die unser braver Bürgermeister French bauen lässt, wird Kowenhoven heißen. Auf dem neuen Stadtplan ist sie schon eingezeichnet.«
Greathouses verächtliche Stimme durchschnitt den Raum: »Heilige …«
»Sir!«, korrigierte Berry ihn scharf. »Ich muss doch bitten!«
Er warf ihr einen finsteren Blick zu, aber dann legte sich sein Unmut und er kratzte sich so vehement den Nacken, dass Matthew halb erwartete, Blut zu sehen.
»Das war’s dann wohl«, meinte Matthew und sah zu Zed hinüber. Der Sklave legte die Instrumente gerade in den Werkzeugkasten seines Herrn zurück, der damit sowohl die ersten Kreise von New York als auch den letzten Schurken seziert hatte. Es war tatsächlich eine Schande, dass ein Mann mit Zeds Fähigkeiten den Rest seines Lebens zum Schleppen von Balken und Teerfässern verurteilt war, aber andere Möglichkeiten gab es für ihn nicht mehr.
»Moment mal!«, rief Greathouse, als könnte er Matthews Gedanken lesen. »Von wie viel Geld ist denn die Rede? Mit wie viel kann ich ihn van Kowenhoven abkaufen?«
»Zed ist für zweiunddreißig Pfund und sechs Schilling versteigert worden. Das ist mehr, als ich in einem halben Jahr verdiene. Und wie ich van Kowenhoven kenne, würde der aus seiner Geldanlage Profit schlagen wollen, wenn man ihn überreden könnte, zu verkaufen.«
Greathouses Mund stand offen. »Zweiunddreißig Pfund?« Das war eine Unmenge Geld.
»Wie ich schon sagte, ich war nicht der Einzige, der geboten hat, und van Kowenhoven auch nicht. Als Männer wie Cornelius Rambouts und John Addison anfingen, dagegen zu bieten, wurde es von einem Geschäft zu einem persönlichen Wettkampf.«
Matthew fuhr durch den Kopf, was ihm mit zweiunddreißig Pfund möglich wäre: Er könnte all seine Schulden abzahlen, ein paar neue Anzüge kaufen und einen kleinen Kamin in seinem Kühlhaus installieren lassen, da Marmaduke keinerlei Anstalten machte, ihm einen vor dem ersten Schneesturm einzubauen. Und dann wäre immer noch genügend Geld übrig, um ein paar Monate lang im Trot zu essen und Bier zu trinken. Es war ihm unbegreiflich, wie manche Menschen solche Unsummen verschwenden konnten.
»Sieben oder acht Pfund kann ich wohl zusammenkratzen«, sagte Greathouse mit gekräuselter Stirn. »Vielleicht auch zehn, aber mehr nicht.«
»Euer Elan und Eure Absichten sind lobenswert, Sir«, sagte McCaggers und verbeugte sich leicht. »Es kämen aber noch weitere Auslagen dazu. Gerade erst letzten Monat hat Daniel Padgett bei Lord Cornbury um einen Freibrief für seinen Sklaven Vulcan angesucht, damit der eine Schmiede eröffnen kann. Soviel ich weiß, hat Lord Cornbury für seine Unterschrift zehn Pfund verlangt – und erhalten.«
»Heiliger …« Greathouse stockte. Als Berry keinen Ton von sich gab, fluchte er weiter: »Hundsfott!«
»Es tut mir leid«, erklärte McCaggers. »Aber so ist es nun mal.«
Greathouse machte Anstalten, etwas zu sagen, aber Matthew merkte, dass ihn die Energie verließ, denn es gab nichts mehr hinzuzufügen. Matthew ging davon aus, dass Katherine Herrald Greathouse natürlich Geld dagelassen hatte, um die Geschäfte zu führen, aber eine derartige Summe kam mit Sicherheit nicht infrage. Das wusste er, Greathouse wusste es und McCaggers ebenso.
Schließlich fand Greathouse seine Stimme wieder und sagte in den Raum hinein: »Ich denke, wir gehen.« Aber da es in seiner Natur lag, sich den Kopf an unnachgiebigen Wänden einzurennen, versuchte er es noch ein letztes Mal. »Glaubt Ihr, dass Kowenhoven mit sich reden ließe, wenn er wüsste, was für Talente in Zed schlummern?«
»Ihr könnt es natürlich versuchen«, kam die Antwort. »Aber wahrscheinlich erhöht er dann nur den Preis.«
»Also gut. Danke auch.« Greathouse sah Zed noch für einen Moment bei der Arbeit zu, dann drehte er sich abrupt zur Tür.
Matthew wollte ihm gerade folgen, als Berry dem Leichenbeschauer eine Frage stellte: »Verzeihung, aber ich wüsste gern … ob Zed lesen oder schreiben kann?«
»Englisch jedenfalls nicht, aber vielleicht in seiner eigenen Sprache. Bei seiner Arbeit für mich hat er nie lesen oder schreiben müssen. Er folgt einfachen Anweisungen, die ich ihm verbal und mit Handbewegungen geben.«
»Und wieso, wenn ich fragen darf, seid Ihr Euch dann so sicher, dass er intelligent ist?«
»Aus zwei Gründen«, sagte McCaggers. »Zum einen befolgt er Anweisungen sehr präzise, und zum anderen sind da noch seine Zeichnungen.«
»Zeichnungen?«, hakte Berry nach. Greathouse blieb an der Tür stehen und sah zu ihnen hinüber.
»Ja. Hier sind welche.« McCaggers holte mehrere Blatt Papier aus dem Bücherregal. »Ich denke nicht, dass er etwas dagegen hat, wenn ich sie Euch zeige«, meinte er, obwohl Zed sich auf seinem Stuhl umgedreht hatte und sie mit einem Blick bedachte, den man als äußerst prüfend bezeichnen konnte. Matthew bekam Gänsehaut vor Angst, dass der Sklave vielleicht keine Fremden seine Zeichnungen betrachten lassen wollte.
McCaggers brachte Berry die Papierbögen. Sie nahm sie ihm ab und Matthew sah ihr über die Schulter. Greathouse kehrte zu ihnen zurück, um auch einen Blick darauf zu werfen.
»Er hat viele davon gemacht«, erklärte McCaggers. »Mit meinen schwarzen Wachsmalstiften. Und sie wie Strohhalme zerbrochen, wenn ich das hinzufügen darf.«
Es war unschwer zu erkennen, wie es dazu gekommen war: Manche der Striche hatten das Papier zerrissen. Aber jetzt begriff Matthew, warum Zed so viel Zeit auf dem Dach des Rathauses zubrachte.
Die erste Zeichnung war eine Ansicht von New York und dem Great Dock von Zeds Aussichtspunkt aus gesehen. Nur waren es weder genau die Stadt noch das Dock, das Matthew jeden Tag sah: Diese dicken schwarzen Wachslinien von Gebäuden und kanuähnlichen Segelbooten schienen aus einer primitiveren Welt zu stammen, wo der Kreis der Sonne sich zuschraubte und kein Ende fand, bis die Spitze des Stifts abgebrochen war und einen hässlichen Schmierstreifen auf dem Bild hinterlassen hatte. Es wirkte abweisend und fremdartig. Aus den Quadraten der Schornsteine sprossen schwarze Striche, und die Strichfiguren unten waren im Gehen festgehalten. Die Zeichnung schien wie ein Albtraum, in dem alles schwarz und weiß war, ohne jegliche Gradierung.
Auf dem zweiten Blatt war etwas zu sehen, das wie der Friedhof der Trinity Church aussah. Die Grabsteine sahen so ähnlich wie die Gebäude der ersten Zeichnung aus, und die Bäume waren dürre, blattlose Skelette. Stand die Figur eines Mannes neben einem der Gräber oder war der Stift an der Stelle zu einem stumpfen Stummel zerdrückt worden?
Die dritte Zeichnung allerdings war anders. Sie stellte nur einen einfach gemalten Fisch dar, der anscheinend voller Stacheln und von Wasser in der Form von Wellenlinien umgeben war. Auch auf dem vierten Blatt war ein Fisch zu sehen, jedoch mit einem Segel auf dem Rücken und so etwas wie einem langen Schnabel, während die fünfte und letzte Zeichnung aus Kreisen und Vierecken bestand, die so angeordnet waren, dass