„Ähm, ich … war abgelenkt!“, stottere ich. Und Marks Grinsen wird noch eine Spur breiter, als er auf mich zutritt und sich zu mir herab beugt.
„Was glaubst du, wie es mir geht, wenn du hier vollkommen nackt vor mir stehst?“, fragt er und gibt mir einen schnellen Kuss. „Was hältst du davon, wenn du mir deine Nummer gibst? Dann können wir das gerne jederzeit wiederholen! Aber jetzt muss ich leider gleich los.“ Damit tritt er einen Schritt zurück, bückt sich und zieht aus dem Klamottenberg meinen Slip hervor.
„Den hier behalte ich – du bekommst ihn beim nächsten Mal wieder.“ Augenzwinkernd steckt er sich meinen Slip in die Tasche seiner Jeans. Ich schlucke hart, als mein Kopfkino anspringt und mir eine Wiederholung der letzten Nacht präsentiert. O Mann! Allein dadurch spüre ich, wie die Blitze in meinen Bauch einschlagen und ich schon wieder feucht werde. Schnell greife ich nach meinem Kleid und streife es mir über den Kopf. Die Strümpfe stopfe ich in meine kleine Handtasche und ziehe die High Heels an. Meine Füße schmerzen noch immer, und innerlich verfluche ich den Designer, doch bis zu Hause wird es gehen. Zum Glück muss ich nicht mit der U-Bahn fahren! Ohne Unterwäsche …
Als ich in meine Wohnung komme, führt mich mein Weg als Erstes zu meinem langohrigen Mitbewohner.
„Hey, mein Süßer. Alles gut?“ Kaum habe ich den Käfig geöffnet, hüpft der Kleine heraus, und ich nehme ihn auf den Arm. Das Cocktailkleid muss eh in die Reinigung, da stören mich die Kaninchenhaare darauf nicht.
„Wollen wir mal schauen, ob wir was Leckeres für dich finden?“, frage ich Elvis und kraule ihn an der weichen Stelle direkt hinter seinen Ohren. Mit ihm auf dem Arm stehe ich auf und gehe in die Küche, wo ich ihn zu meinen Füßen absetze, damit ich ihm ein Stück Gurke abschneiden kann.
„Hier, Dicker, essen.“ Zusammen mit der Gurke lege ich ein paar Salatblätter auf den Fliesenboden. Zwei Möhrchen dazu und fertig ist sein Frühstück, auf das der Kleine sich auch sofort stürzt.
Nachdem ich mir Teewasser aufgesetzt habe, lasse ich Elvis in der Küche und gehe ins Bad, um mir ein Schaumbad einzulassen. Noch immer dröhnt mein Kopf, meine Füße schmerzen und ich fühle mich ein wenig wund nach der Nacht mit Mark. Während sich die Wanne füllt, kehre ich in die Küche zurück. Ich komme genau rechtzeitig, der Wasserkocher schaltet sich gerade aus, und als ich das kochende Wasser über den Teebeutel gieße, zieht der Duft von Kamillentee durch meine Küche. Ich verstehe gar nicht, warum die meisten Leute so gegen Kamillentee sind und ihn nur bei Krankheit trinken, ich finde ihn lecker!
Ein paar Minuten später lasse ich mich seufzend in das nach Orchideen duftende Badewasser gleiten. Der Schaum fühlt sich weich an auf meiner Haut und ich schließe genießerisch die Augen. Mann, tut das gut!
Während ich vor mich hin döse, wandern meine Gedanken zurück zu letzter Nacht und dem heutigen Morgen mit Mark. Es passiert eher selten, dass ich mich gleich am ersten Abend mit einem Mann in den Laken wälze, doch bei Mark konnte ich einfach nicht widerstehen. Ja, okay, wenn ich ehrlich bin, hatte ich mir sogar genau das erhofft. Der Typ ist Sex pur und noch dazu ist er unglaublich erfolgreich und hat ein dickes Bankkonto. Damit hat er alle Kriterien erfüllt, die ich bei einem Mann habe. Und er ist anders … Anders als die reichen Kerle, die ich im Laufe der letzten Zeit kennengelernt habe. Er hat einen wundervollen Humor – bei ihm muss ich kein Blatt vor den Mund nehmen. Normalerweise nicht unbedingt eine herausstechende Eigenschaft der Hamburger Millionäre. Die meisten von ihnen sind eher steif, die würden niemals so rangehen, wie Mark es getan hatte. Vielleicht war das der Grund, warum ich bisher noch mit keinem von ihnen im Bett gewesen bin? Schließlich möchte ich auch nicht billig auf sie wirken, da mein Ziel ja eine feste Beziehung, am besten sogar eine Ehe, ist und nicht nur ein Fick-Verhältnis. Ich möchte an der Seite von einem von ihnen in der High Society angesehen sein und sei es nur als Präsentationsweibchen. Okay, diese Einstellung ist nicht gerade emanzipiert, aber ich habe einen Grund dafür. Einen guten Grund. Einen, der mir über alles geht und für den ich bereit bin, meine Emanzipation aufzugeben und hinter mir zu lassen.
Wenn ich es schaffen würde, Mark an mich zu binden, ihn dazu zu bringen, sich auf eine Beziehung einzulassen, wäre ich meinem Ziel einen riesengroßen Schritt näher. Nein, ich hätte es sogar erreicht! Dann wäre mein Plan endlich aufgegangen.
Die Fahrt hierher in der Limousine war sehr schweigsam. Eine Frau mit weniger Selbstbewusstsein als ich wäre vermutlich verunsichert und würde anfangen, sich zu fragen, warum auf einmal eine Mauer zwischen uns war, die letzte Nacht nicht existiert hat. Doch so bin ich nicht. Wir haben zwar nicht viel miteinander gesprochen, aber schließlich hätte der Fahrer jedes Wort mitbekommen. Die Blicke, die Mark mir immer wieder zugeworfen hat, haben mir gereicht. Haben sie mir doch gezeigt, dass seine Lust auf mich, sein Interesse an mir nicht abgeflammt ist. Ja, ich bin zufrieden mit dem, was ich letzte Nacht erreicht habe.
Das ausgiebige Bad hat auch meinem Kopf gutgetan. Der pochende Schmerz, den der Champagnergenuss hinterlassen hat, ist fast vollständig verschwunden. Nachdem ich mich abgetrocknet habe, schlüpfe ich in einen gemütlichen Jogginganzug und ziehe mir dicke Socken über. Mit einem Toast zum Frühstück geselle ich mich zu Elvis, der auf der Couch bereits auf mich wartet.
„Na, Süßer. Frühstück beendet?“, frage ich ihn und er legt sich lang ausgestreckt neben mich. Er weiß genau, jetzt kommen wir zum gemütlichen Teil des Sonntags. Fernsehen, kuscheln und einfach nur nichts tun.
Es ist bereits früher Nachmittag, als ich mich endlich von meinem gemütlichen Sofa aufraffe, um wie jeden Sonntag bei meinen Eltern anzurufen. Mein Bruder Lars ist es, der den Hörer abnimmt.
„Hey, Mucki! Wie geht es dir? Was gibt es Neues aus der Weltstadt?“, fragt er fröhlich und nennt mich wie fast immer bei meinem alten Spitznamen aus Kindertagen. Damals, als ich ohne meinen Schnuller nirgendwohin gegangen bin. Statt wie andere Kinder dazu Nucki zu sagen, hieß meiner Mucki – und irgendwann blieb dieser Name an mir hängen. Er ist der Einzige, der das darf, weil dieser Spitzname für mich ein ganz besonderer ist. Er verbindet uns beide.
„Hier ist alles gut. Wie immer, viel Arbeit und ein verwirrter Chef“, antworte ich lachend.
„Und, warst du mal wieder auf irgendeiner tollen Veranstaltung und hast einen reichen Kerl kennengelernt?“ Der Tonfall, in dem Lars mich fragt, klingt vollkommen neutral, als würden wir gerade über das Wetter reden, doch ich weiß, wie zwiegespalten er ist. Als großer Bruder, der seine kleine Schwester über alles liebt und unbedingt beschützen möchte, findet er meinen Plan, mir einen Millionär zu angeln, alles andere als gut. Er ist der Meinung, ich würde mich selbst verkaufen. Andererseits kann er meine Gründe dafür nachvollziehen. Er weiß, dass mein Plan aus meiner eigenen Hilflosigkeit entstanden ist. Einer Hilflosigkeit, die er ebenso spürt wie ich. Die ihn genauso gefangen hält und ihm schlaflose Nächte bereitet. Er hat seine Art, damit umzugehen, ich habe meine. Auch wenn sie völlig unterschiedlich sind, wir versuchen, jeder auf seine Weise dagegen zu kämpfen. Für unsere Eltern, für unseren Vater. Die Diskussion, ob meine Art richtig ist oder nicht, haben wir schon so oft geführt, und ich möchte sie nicht erneut aufgreifen, daher beantworte ich Lars’ Frage ebenso neutral, wie er sie gestellt hat.
„Ja, ich war gestern auf einer Vernissage. Dort habe ich den Künstler persönlich kennengelernt. Er ist wirklich nett.“ Das, was letzte Nacht noch geschehen ist, lasse ich aus. Es geht meinen Bruder nichts an, mit wem ich schlafe, und ich fürchte, er würde es auch nicht sonderlich gut aufnehmen, wenn ich ihm erzählen würde, dass ich gleich am ersten Abend mit Mark in der Kiste gelandet bin.
„Ach, Mucki.“ Ich höre Lars leise seufzen. „Nett und reich sind aber doch nicht alles.“
„Musst du damit wieder anfangen? Ich dachte, wir hätten das geklärt!“, unterbreche ich ihn sofort.
Ein erneutes Seufzen klingt durch die Leitung, bevor er antwortet: „Ja, okay. Ich sage ja gar nichts mehr. Aber bitte, Mucki, pass auf dich auf!“
„Natürlich passe ich auf! Was denkst du denn! Sei doch froh, dass ich mich nicht in irgendwelchen zwielichtigen Gegenden