„So ist es viel besser, oder was meinst du, Hoppler?“
Ja, ich spreche mit meinem Kaninchen. Manche finden das vielleicht ungewöhnlich, doch für mich ist es vollkommen selbstverständlich, mit meinem Mitbewohner zu reden – auch wenn es einer mit Fell ist.
Als ich in die Küche gehe, um mir etwas zu essen zu machen, folgt Elvis mir. Manchmal denke ich, er ist wie ein kleiner Hund. Völlig auf mich fixiert, hoppelt er mir durch die Wohnung hinterher. Sobald ich hier bin, steht seine Stalltür offen. Der kleine Kerl ist stubenrein; wenn er sein Geschäft erledigen muss, kehrt er in seinen Käfig zurück – aber auch wirklich nur dann! Ansonsten weicht er mir kaum drei Meter von der Seite, und wenn ich mich auf die Couch lege, dauert es keine zwei Minuten, dann hüpft er zu mir hoch, um zu schmusen. Ich weiß gar nicht, wie oft wir schon aneinandergekuschelt auf dem Sofa eingeschlafen sind.
Seit vier Jahren habe ich meinen Liebling mittlerweile; bereits als ich noch bei meinen Eltern im Dorf gewohnt habe, war er mein treuer Begleiter und ist mit mir zusammen hierhergezogen.
„Möhrchen, mein Hasi?“, frage ich ihn liebevoll lächelnd, während ich das Bund Karotten aus meinem Gemüsefach nehme. Er weiß genau, was ich da in der Hand halte, er liebt Karotten. Sofort setzt er sich auf die Hinterläufe und macht Männchen. Lachend ziehe ich eine der Möhren aus dem Bund und gebe sie ihm samt dem Grün daran. Glücklich macht er sich über seinen Snack her, während ich meinen Anteil der Karotten kleinschneide für einen Salat. Selbstverständlich fallen auch davon und von den Gurken noch ein paar Stücke für den kleinen Kerl ab.
Mit meinem Salat verziehe ich mich auf meine Couch und lege die Füße auf den niedrigen Tisch davor. Während ich esse, zappe ich mich durch die Fernsehprogramme, bis ich einen Film finde, den ich zwar bereits kenne, den ich aber gern noch einmal sehe.
Als ich meinen Teller wegstelle, ist es wie eine Art Startsignal für Elvis. Sofort hüpft er zu mir auf das Sofa und krabbelt auf meinen Schoß. In einer Hand eine Flasche Bier, die andere in seinem Fell vergraben, genieße ich meinen Feierabend und unsere Kuschelzeit. Es ist bereits beinahe Mitternacht, als ich die Glotze endlich ausschalte und mich bettfertig mache. Elvis sperre ich für die Nacht in seinen Käfig, da er die Angewohnheit hat, ansonsten zu mir ins Bett zu kommen, und das möchte ich dann doch nicht. Mein Bett gehört allein mir! Einzig mit einem Mann würde ich es gern mal wieder teilen.
Als ich in der Dunkelheit an die Decke starre, überlege ich, wie lange es eigentlich her ist, dass ich das letzte Mal einen Mann im Bett hatte. Seit ich nach Hamburg gezogen bin, habe ich nur ein paar Affären und One-Night-Stands gehabt. Ich möchte keine Beziehung, ich will mich nicht verlieben, schließlich habe ich meinen Plan. Aber der letzte Sex ist definitiv schon viel zu lange her. Sollte ich mal wieder meine Dating-App aktivieren? Womöglich finde ich dort jemanden, der aufgeschlossen für etwas Unverbindliches ist. Nur Sex, keine Gefühle, nichts, was meinen Plan in Gefahr bringt. Obwohl … vielleicht brauche ich meine Dating-App gar nicht. Eventuell ergibt sich ja morgen tatsächlich was mit Mark Garmont.
Ich muss über mich selbst grinsen und schüttele den Kopf. Was für ein Quatsch! Auch wenn ich im Internet nichts über eine Freundin von ihm gefunden habe, bedeutet es noch lange nicht, dass er mich ebenso ansprechend findet wie ich ihn.
Im Dunkeln greife ich nach meinem Handy, das auf dem Nachttisch liegt, und suche seine Fotos im Internet heraus. Mark Garmont ist nur ein paar Jahre älter als ich. Damit ist er absolut ein Kandidat für meinen Millionärsplan. Noch dazu ist er mehr als nur nett anzusehen mit seinen blonden Haaren und den knallblauen Augen. Ja, Cookie hat recht, den würde ich auch nicht von meiner Bettkante stoßen, wenn er ein armer Schlucker wäre. Dann wäre er zwar kein Kandidat für etwas Festes für mich, aber auf eine Affäre würde ich mich wohl trotzdem einlassen. Verträumt streiche ich über das Display des Smartphones, als wollte ich ihm die Locke, die ihm auf dem Bild wirr in die Stirn fällt, zurückstreichen.
„Verdammt, Lilly! Jetzt reiß dich mal zusammen! Du benimmst dich wie ein durchgeknallter Teenie, so wie du das Foto anhimmelst!“ Ich rufe mich selbst zur Ordnung und lege das Handy zurück auf den Nachttisch. Es wird morgen eh nichts passieren, die Hoffnung brauche ich mir gar nicht zu machen. Wenn ich Glück habe, werde ich ihn von Weitem sehen, einen Blick auf ihn erhaschen – und meine erotischen Fantasien so ein bisschen anheizen können. Seufzend schließe ich die Augen und drehe mich auf die Seite. Mit Mark Garmonts Lächeln vor Augen schlafe ich schließlich ein.
Der Samstagmorgen ist vollgepackt, ich habe eine lange To-do-Liste, bevor ich mich für die Vernissage am Abend fertig machen kann. Vormittags habe ich einen Termin bei der Maniküre, um meine Gelnägel auffüllen zu lassen. Selbstverständlich gehe ich nicht zu derselben Maniküre wie mein Chef. Das würde mir fehlen, da begegne ich ihm womöglich noch, wenn wir beide einen Termin haben. Nein, ich möchte nicht sehen, wie Herrn Sahrmann die Nägel gefeilt werden. Ich mache echt viel für meinen Job, aber da ist definitiv eine Grenze für mich!
Nach einer Stunde und einer wunderbaren Handmassage verlasse ich glücklich das Nagelstudio in Altona. Ja, jetzt sind meine Hände wieder vorzeigbar. Wie jedes Mal, wenn ich von der Maniküre komme, bleibe ich vor einem Schaufenster nur ein paar Häuser weiter stehen. Ein kleiner Inneneinrichtungsladen ist es. Die Dekoration im Fenster ist mit so viel Liebe gestaltet, dass dieser Laden ein absoluter Eyecatcher ist. Immer wieder entdecke ich in diesem Schaufenster Sachen, die ich am liebsten sofort mitnehmen würde. Bisher habe ich mich noch nicht hineingetraut – ich weiß genau, das würde teuer für mich enden. Zumindest wenn es drinnen ähnlich viele tolle Sachen gibt, wie das Schaufenster verspricht. Heute bleibe ich besonders lange stehen. Sollte ich nicht doch? Ich brauche eh ein Geschenk für meine Mutter, die nächste Woche Geburtstag hat. Hier finde ich bestimmt etwas, worüber sie sich freut.
Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich noch genug Zeit habe, bevor mein Friseur auf mich wartet, um mir die Haare neu zu blondieren und hochzustecken. Selbstverständlich betreibe ich diesen Aufwand nicht jedes Mal, wenn ich auf eine Party oder ein Event gehe, aber manchmal gönne ich es mir. Und heute ist einer dieser Tage. Ich habe mich schon auf diese Vernissage gefreut, bevor ich über Mark Garmont im Internet recherchiert habe, doch seit ich weiß, wie er aussieht, kann ich es kaum erwarten. Mit jeder Stunde, die vergeht, steigt meine Vorfreude. Ich hoffe, ich schaffe es überhaupt in seine Nähe. Und wenn ja, vielleicht ergibt sich ja sogar die Gelegenheit, mit ihm ins Gespräch zu kommen – oder noch mehr.
Allein der Gedanke, jemandem wie ihm näherzukommen, lässt meinen Bauch wohlig kribbeln, als ich nach dem Türgriff greife und den kleinen Laden betrete.
„Hallo! Willkommen im Smukke Indre!“, werde ich freundlich begrüßt, kaum dass die Klingel über der Ladentür verstummt ist. „Wenn ich Ihnen helfen kann oder Sie was Bestimmtes suchen, einfach schreien, ja?“ Die Verkäuferin hinter dem Kassentresen strahlt mich herzlich an.
„Danke, ich schaue erst mal!“, erwidere ich ebenso freundlich und fange an, mich hier umzusehen. Es ist, wie ich vermutet hatte. In diesen Laden zu gehen, ist eine Herausforderung, wenn ich meine Kreditkarte nicht zum Glühen bringen möchte. Ich kann mich gar nicht sattsehen. Wunderschöne Kerzenständer, Wohnaccessoires, Geschirr, Kissenbezüge und so vieles mehr gibt es hier zu entdecken.
Ein Set aus einer Porzellanteekanne mit Stövchen und dazu passenden Tassen und Untertassen zieht sofort meine Blicke auf sich. Es ist wunderschön! Auf cremefarbenem Untergrund sind zierliche Schnörkel in verschiedenen Rosatönen, dazwischen erkenne ich kleine Röschen. Das ganze Set ist filigran gearbeitet, mit geschwungenen Griffen an den Tassen.
„Das ist aber süß!“, murmele ich leise. Doch anscheinend nicht leise genug, denn die Verkäuferin gesellt sich zu mir.
„Ja, ich liebe es auch. Leider bin ich so gar kein Teetrinker, ansonsten hätte ich es selbst schon genommen. Eigentlich gibt es dazu passende Kerzenständer, aber die sind gerade aus.“ Lächelnd nimmt sie die Teekanne aus dem Regal und betrachtet sie von allen Seiten.
„Es ist bestimmt gar nicht so leicht, hier zu arbeiten, oder? Also wenn