»Und du, meine liebe Frau, bist nun das erbetene Heinzelmännchen und mußt mein Geburtstagsgeschenk arbeiten.«
»Ich tue es ja so gern.«
»Das weiß ich.«
Förster Sandler zog seine Frau an sich und küßte sie herzlich.
Als gegen Mitternacht der Lampenteller fertiggestellt war, schlichen die Eltern an die Betten der schlafenden Kinder. Pucki lag mit geöffnetem Munde da, sie schien zu lächeln. Und es war auch so. Sie sah im Traume viele hundert Heinzelmännchen, die alle an dem Lampenteller nähten, die ihn neu preßten, zusammenflickten und dann mit schöner brauner Farbe anstrichen.
Trotz dieses herrlichen Traumes war Pucki am anderen Morgen sehr zeitig wach. Der erste Gedanke galt dem Geschenk für den Vater. Ganz leise stieg das Kind aus dem Bett, streifte hastig Schuhe und Strümpfe über, schlüpfte ins Kleidchen und lief hinaus in den Garten.
Ein Freudenschrei entfuhr seinem Munde. – Dort lag der Lampenteller schön gestickt und ganz heil auf der Bank.
»Ihr guten Heinzelmännchen! Ich streue euch heute auch viele Kuchenkrümel von Vatis Geburtstagskuchen hierher. – Ach, lieber Gott, das hast du aber gut gemacht!«
Den Teller in den Händen stürmte Pucki in das Forsthaus zurück. Noch lagen die Eltern in den Betten.
»Vati – Vati – ich gratuliere dir zum Geburtstag! Hier, siehst du – da hast du dein Geschenk!«
Und der Vati freute sich über die schöne Stickerei; er meinte, einen so schönen Geburtstagsmorgen hätte er lange nicht mehr gehabt.
»Soll ich dir mal was erzählen?«
»Freilich!«
Der Wahrheit gemäß berichtete die Kleine, was sich alles ereignet hatte.
»Vati, nu gehe ich wirklich nicht mehr an die Tinte, ich bin von heute an eine ganz artige Pucki, weil mir der liebe Gott so geholfen hat. Und nachher schenkst du mir auch ein Stück Kuchen für die Heinzelmännchen.«
Pucki erhielt das Stück Kuchen und trug es gewissenhaft hinaus in die Fliederlaube. Dort legte sie es nieder. Bei ihrer Rückkehr aus der Schule stellte Pucki fest, daß die Heinzelmännchen auch am Tage umgingen, denn das Kuchenstück war aus der Fliederlaube verschwunden. Daß es dem Harras vorzüglich geschmeckt hatte, ahnte Pucki nicht. Der Hund mit seinem feinen Geruch hatte den Kuchen gar bald gefunden und verzehrt. Nun stand er wieder vor der Laube und schnupperte herum.
»Riechst du die Heinzelmännchen?« fragte die Kleine.
Doch Harras wartete auf Kuchen, nicht auf die kleinen, helfenden Waldgeister.
Des Vaters Geburtstag verlief sehr lustig. Es kamen viele Leute, die ihm gratulierten. Es gab Kuchen, Pucki bekam sogar Limonade, und lustig plauderte sie mit allen. Plötzlich mahnte die Mutter daran, daß Pucki noch für die Schule zu arbeiten hätte.
Die Kleine zog die Nase kraus, ging in das Zimmer zu der kleinen Schwester, spielte ein wenig mit Mucki, und nahm dann die Tafel zur Hand. Doch draußen im Garten wurde so lustig gelacht, daß Pucki lieber zuhören wollte. Endlich war es Abend geworden, die Mutter rief zum Essen, und Pucki stellte erschrocken fest, daß die Aufgaben noch immer nicht gemacht waren.
Oh, tröstete sie sich, die Heinzelmännchen haben ein so großes Stück Kuchen bekommen, ich will ihnen sagen, daß sie die Tafel vollschreiben sollen.
Das Kind ergriff die Tafel, trug sie hinaus in die Fliederlaube und sagte:
»Heda, ihr Heinzelmännchen, heute nacht müßt ihr wiederkommen und eine Eins und eine Vier immerfort hier drauf schreiben – die ganze Tafel voll. – Habt ihr es gehört? Morgen früh hole ich die Tafel.«
Beim Abendessen fragte die Mutter, ob Hedi die Schularbeiten gemacht habe.
»Laß nur«, sagte sie, »das machen mir jetzt immer die Heinzelmännchen. Ich habe die Tafel in die Laube getragen.«
Weder der Förster noch seine Frau sagten dazu ein Wort. Beruhigt ging Hedi schlafen. Am nächsten Morgen eilte sie zur Laube, um die Tafel zu holen.
Aber wie erschrak sie! Da war weder eine Eins noch eine Vier. Auf der Tafel stand etwas ganz anderes, das sie jedoch nicht lesen konnte. Sie ging mit der Tafel zu Minna und sagte:
»Kannst du lesen, was hier steht?«
»O ja!«
»Was steht denn da?«
Minna las: »Schäme dich, Pucki! Ein faules Kind mag keiner leiden, ein faules Kind betrübt Vater und Mutter, und die Heinzelmännchen helfen in Zukunft auch nicht mehr.«
Puckis Gesicht färbte sich dunkelrot. – Das konnten nur die Heinzelmännchen geschrieben haben.
»Wisch das schnell weg, Minna!«
»Na, Pucki, was bedeutet denn das?«
Mit gesenktem Haupt schlich das Kind davon. – Jetzt war es zu spät, um die Schularbeiten zu machen. Doch Pucki nahm sich fest vor, von heute an fleißiger und aufmerksamer zu werden. Auch die Eltern hätten sonst keine Freude an ihr und würden traurig sein. Schuldbewußt blickte Pucki zum blauen Himmel empor.
Am Nachmittage gab es ein Gewitter, das erste in diesem Jahre. Da war Pucki recht niedergedrückt und vertraute der Mutter an, daß der liebe Gott heute gar so toll donnere, weil er mit Pucki böse wäre.
»Von heute an werde ich ganz bestimmt artig, Mutti! Ich habe in der Schule gut aufgepaßt und will immer schreiben und lesen, damit der liebe Gott wieder gut wird.«
Eine Stunde später schien die Sonne wieder hell und warm. Das nahm Pucki als Zeichen, daß nun alles wieder in Ordnung sei.
Pucki hilft überall
Seit jener Mahnung, die die Heinzelmännchen auf die Schiefertafel geschrieben hatten, gab Hedi Sandler sich die größte Mühe, in der Schule aufmerksam zu sein. Sie war sehr stolz, als Fräulein Caspari eines Tages sagte, daß sie mit ihr zufrieden sei. Nur eines tadelte sie nach wie vor: Pucki konnte den kleinen Mund nicht immer rechtzeitig halten. Sie hatte aber auch zu viel zu erzählen. Alles, was sie im Walde erlebte, was sie auf ihrem Wege von und zur Schule sah, mußte den Mitschülerinnen und der Lehrerin mitgeteilt werden. Auch von dem Schwesterchen erzählte sie, von den Niepelschen Knaben, mit denen sie an jedem Mittwoch und Sonnabend aus der Schule heimfuhr. An diesen beiden Tagen wurde der Unterricht für die drei untersten Klassen um zwölf Uhr beendet, und dann stand auf dem Markt regelmäßig der Wagen mit dem weißen Pferdchen, der die Niepelschen Knaben und Pucki Sandler heimfahren sollte.
Diese gemeinsame Heimfahrt verlief stets recht anregend; es gab regelmäßig so viel zu erzählen, daß Pucki es stets bedauerte, wenn sie schon nach kurzer Zeit am Forsthause abgesetzt wurde.
Auch heute, um zwölf Uhr, würde der Wagen mit dem weißen Pferdchen wieder auf dem Marktplatze warten. Die Schulkameradinnen beneideten Pucki um dieses Vergnügen, und oftmals wollte eines der kleinen Mädchen mit einsteigen, wurde von dem Kutscher jedoch stets zurückgewiesen.
Seit einigen Tagen ließ man das Försterkind allein nach der Schule gehen. Der Weg war nicht gar zu weit, und die Mutter schärfte Pucki ein, daß sie stets, ohne zu zögern, die Straße entlang wandern sollte. Manchmal wurde Pucki noch ein Stück Weges vom Vater oder der Mutter begleitet, bis die ersten Häuser von Rahnsburg in Sicht kamen.
Hedi fühlte sich sehr stolz. Die anderen Kinder hatten es nicht so weit zur Schule wie sie. Sie wohnten in der Stadt; eines brauchte sogar nur um die Straßenecke zu gehen und war da. Mitunter verspätete Pucki sich auch. Da war ein Käferchen oder eine Schnecke, die über den Weg kroch, da sang ein Vöglein gar so wunderschön, daß die Kleine lauschen mußte, oder die Bäume rauschten