»Auf jeden Fall ist es gut, daß Sie es mir erzählt haben. Ich werde mich entsprechend verhalten.«
»Darf ich ihn sehen?« fragte sie flehend.
»Einen Augenblick, damit Sie sich überzeugen können, daß er atmet«, erwiderte er nachsichtig. »Kommen Sie am Abend wieder, Mirja.«
Das Bett stand noch im Vorraum des Operationssaales. Dr. Uhl trat hinzu.
»Es hat doch alles bestens geklappt«, sagte er aufmunternd. »Herr Arnold wird sich sehr bei Ihnen bedanken müssen, daß Sie ihn Dr. Sternberg in die Hände gespielt haben.«
Alles war Zufall gewesen. Daß Dr. Laurin ihr die Konzertkarte schenkte, daß sie Benedikt kennenlernte, daß sie dann Frau Hanke fanden und nur darum im die Prof.-Kayser-Klinik kamen. Was wäre mit ihm geschehen, wenn ihm das unterwegs passiert wäre?
Dr. Sternberg hatte ihr noch etwas zu sagen. »Bitte, nehmen Sie doch den Aktenkoffer an sich, Mirja. Herr Arnold hat Ihnen die Sachen anvertraut. Wir wollen ausschließen, daß etwas verschwinden könnte.«
Sie nahm den Koffer mit und bat Schwester Marie, ihn in ihrem Schreibtisch einschließen zu dürfen, was ihr selbstverständlich gestattet wurde.
»Ach ja, Frau Hanke hätte Sie gern gesprochen«, sagte Marie beiläufig und in einem Ton, der besagte, daß sie es nur ungern ausrichtete.
*
Lilly Hanke hatte schon wieder ein bißchen Farbe bekommen. Allzu viel konnte sie von dem Schlafmittel nicht geschluckt haben. Auch Dr. Laurin hatte schon vorher den Gedanken gehegt.
Das aber wußte Mirja nicht.
»Nett, daß Sie kommen«, sagte Lilly Hanke. »Wenn Sie nicht gewesen wären…« Sie schluchzte leicht auf.
»Es war ja nur ein Versehen«, sagte sie jetzt. »In meiner Aufregung habe ich zweimal zwei Schlaftabletten genommen. Ich habe es erst gemerkt, als es mir übel wurde, und da muß ich an der Tür zusammengebrochen sein. Es war so. Sie werden doch nichts anderes sagen, Frau Rickmann?« fragte sie ängstlich.
»Warum sollte ich dazu etwas sagen? Sie haben Glück gehabt, daß ich Sie gefunden habe.«
Lilly Hankes Gesicht färbte sich noch dunkler. »Sie haben ja des öfteren gehört, wie mein Mann sich aufgeführt hat«, fuhr sie fort.
Guter Gott, sollte sie da auch noch weiter hineingezogen werden? Mirja sah die junge Frau befremdet an. Sie hatte jetzt wahrhaftig andere Sorgen.
»Ich werde mich natürlich scheiden lassen. Da wäre nur noch etwas, was ich gern mit Ihnen erörtern würde, Frau Rickmann.
Es ist wegen des Kindes«, begann Lilly Hanke stockend. »Sie kennen Dr. Laurin doch schon länger, würden Sie es ihm nicht sagen können, daß er etwas tut, damit ich das Kind nicht bekomme?«
»Nein, Frau Hanke, das sollten Sie mit Dr. Laurin lieber selbst besprechen«, erklärte sie abweisend. »Aber wie ich ihn kenne, wird er wenig Verständnis für ein solches Anliegen haben, das möchte ich dazu sagen.«
Schwester Marie lächelte flüchtig, als sie zurückkam. »Na, hat sie Ihnen auch das Märchen mit dem Versehen auftischen wollen?« fragte sie ironisch. »Ach, ich möchte nicht wissen, wie viele Frauen sich auf diese Weise umbringen, ohne es eigentlich zu wollen.«
»Hätte sie denn sterben können, wenn wir sie nicht gefunden hätten?« fragte Mirja.
»Kaum, aber dem Kind hätte es schon sehr geschadet.«
Es hatte ihm auch so geschadet. Lilly Hanke erlitt noch am gleichen Tag eine Fehlgeburt.
*
Dr. Rasmus hatte den ersten Tag des Kongresses hinter sich gebracht, ohne zu ahnen, was sich in der Prof.-Kayser-Klinik zugetragen hatte.
Er hatte Professor Lorenzen getroffen, und der hatte sich herzlich über Dr. Laurins Grüße gefreut. Aber wie immer war er von allen Seiten belagert worden.
»Ich hoffe, daß wir uns heute abend etwas länger unterhalten können«, sagte er zu Dr. Rasmus. »Sie kommen doch zu dem Empfang?«
Was blieb ihm da anderes übrig? Aber der Chef hatte ihm ja gesagt, daß er nicht drumherum kommen würde.
Er war recht froh, schon ein paar frühere Studienkollegen getroffen zu haben, die ebenfalls erscheinen würden. Gesellschaften, gleich welcher Art, waren Peter Rasmus ein Greuel.
So verloren sich Peter Rasmus augenblicklich auch noch zwischen den vielen Gästen vorkam, sollte er an diesem Abend doch eine riesige Überraschung erleben.
Sie stand plötzlich ganz in seiner Nähe, gekleidet in ein zauberhaftes Abendkleid, angeregt plaudernd mit ein paar Herren, angestarrt von anderen, alten und jungen gleichermaßen.
»Mirja!« rief er verblüfft aus.
Die junge attraktive Frau wandte den Kopf und sah ihn ebenso verblüfft an. »Kennen wir uns?« fragte sie irritiert.
Peter Rasmus war schrecklich verlegen. »Ich wußte nicht, daß Dr. Laurin Sie auch nach Hamburg schickt«, stammelte er.
»Dr. Laurin?« fragte sie noch verwirrter. »Wer sind Sie?«
In Peters Kopf ging alles durcheinander. Das gab es doch nicht! Das war doch Mirja Rickmann!
»Dr. Peter Rasmus, Oberarzt in der Prof.-Kayser-Klinik«, stotterte er, der Situation in keiner Weise gewachsen.
Sie lachte belustigt auf. »Dann müssen wir uns in einem früheren Leben begegnet sein«, sagte sie. »Lars«, sie meinte damit den hochgewachsenen Mann, der neben ihr stand, »würdest du mich Dr. Rasmus bitte vorstellen?«
Der so Angesprochene machte eine düstere Miene. »Mein Name ist Lundgren«, sagte er, »und das ist meine Verlobte, Mirja von Korten.«
»Verzeihen Sie, aber diese Ähnlichkeit ist unwahrscheinlich«, sagte Dr. Rasmus stockend.
»Es gibt kein zweites Wesen wie meine Braut«, erklärte Lars Lundgren aggressiv.
»Ich möchte aber gern wissen, wer mir so ähnlich sieht, und dazu auch noch Mirja heißt«, warf Mirja von Korten ein. »Schauen Sie mich doch mal genau an, Herr Dr. Rasmus. So war doch Ihr Name?«
Er war völlig durcheinandergebracht.
»Mirja Rickmann ist unsere Röntgenassistentin an der Prof.-Kayser-Klinik«, sagte er. »Sie macht auch die Laboruntersuchungen. Ich bedaure sehr, wenn ich Anstoß erregt habe, aber die Ähnlichkeit ist wirklich verblüffend. Ich kann es nicht anders sagen.«
»Haben Sie kein Bild von ihr?« fragte Lars Lundgren, während Mirja von Korten den jungen Arzt nachdenklich musterte und wohl überlegte, ob er auf diese Weise nicht mit ihr hatte bekannt werden wollen. Ähnliches war ihr schon öfters passiert.
»Ein Bild? Nein. Wir kennen uns nur beruflich. Ich bin verheiratet, glücklich verheiratet«, erwiderte Peter zu seiner Rechtfertigung. »Es tut mir wirklich leid.«
»Jetzt möchte ich aber mehr von Ihnen erfahren«, sagte Mirja von Korten. »So etwas muß mich doch interessieren, Lars. Da gibt es eine Doppelgängerin von mir, die dazu auch noch den gleichen Vornamen hat. Vielleicht begegnest du ihr mal und verwechselst mich auch mit ihr.«
Sie wollte es von der humorvollen Seite nehmen, da sie die Eifersucht ihres Verlobten spürte. Sie winkte einem älteren, noch sehr gut aussehenden Herrn.
»Papa, komm doch mal her. Ich möchte dich mit jemand bekannt machen«, rief sie heiter.
Er kam näher.
»Dr. Rasmus von der Prof.-Kayser-Klinik«, sagte Mirja. »Wo befindet die sich?«
»In einem Vorort von München«, erwiderte Peter Rasmus, der einen sehr unglücklichen Eindruck machte.
»Das ist mein Vater, Johannes von Korten«, sagte Mirja betont. »Stell dir vor,