»Potztausend!« sagte der Oberförster vergnügt lachend, »da finden wir ja eine Bescherung, die unsere bescheidenen Seelen sich nicht einmal haben träumen lassen. Na, wenn das der Hochselige wüßte, er drehte sich in seinem zinnernen Grabe um … Das sind lauter Dinge, die wir der pflichtvergessenen Seele einer Beschließerin oder dem ungetreuen Gedächtnis eines altersschwachen Haushofmeisters verdanken.«
»Aber dürfen wir sie denn auch behalten?« fragten Frau Ferber und Elisabeth, die bis dahin vor freudiger Ueberraschung starr gewesen waren, wie aus einem Munde.
»Ei freilich, liebe Frau,« beruhigte der Vater. »Dein Onkel hat dir das Schloß vermacht mit allem, was es enthalte.«
»Und das ist wenig genug,« grollte der Oberförster.
»Im Vergleiche zu unseren Erwartungen aber eine wahre Fundgrube von Schätzen,« sagte Frau Ferber, indem sie einen hübschen Glasschrank öffnete, der verschiedenes Porzellan enthielt, »und wenn mich damals, als ich noch hoffnungsmutig und anspruchslos ins Leben sah, der Onkel mit einem reichen Vermächtnis bedacht hätte, es würde mir sicher keinen größeren Eindruck gemacht haben, als in diesem Augenblicke die unverhoffte Entdeckung, welche uns großer Sorgen enthebt.«
Elisabeth bog sich unterdessen aus dem Fenster des zuerst betretenen Zimmers und versuchte, mit ihren Armen die Zweige zu trennen, welche die ganze Fensterreihe der Fronte vollständig verbarrikadierten und deshalb in den Zimmern gerade nur ein grünes Dämmerlicht zuließen. »Schade,« meinte sie, das Ohnmächtige ihrer Anstrengung einsehend, »ein wenig Aussicht in den Wald hätte ich schon gern gehabt!«
»Glaubst du denn,« sagte der Oberförster, »ich würde euch hinter dieser grünen Verschanzung stecken lassen, die jeden frischen Luftzug abwehrt? Dem soll heute noch abgeholfen werden, darauf verlasse dich; Klein-Else.«
Sie gingen die Treppe hinab. Auch sie war in gutem Zustande und führte in eine große Halle, in deren Mitte eine Tafel, von hochbeinigen Stühlen umgeben, stand. Der Fußboden war von roten Backsteinen, Wände und Plafond aber zeigten kunstvolle Holzschnitzereien. Dieser große Raum hatte außer vier Fenstern zwei Thüren, die sich gegenüber lagen; eine derselben führte in den Garten, die andere, die sich nur schwer öffnen ließ, auf einen schmalen freien Platz, der sich zwischen das Gebäude und die äußere Mauer drängte. Hier hatten sich die Syringen und Haselsträucher ungemein üppig ausgebreitet, allein es gelang doch den Männern, einen Durchgang zu erzwingen, und mit drei Schritten standen sie vor einem Pförtchen in der gegenüberliegenden Mauer, das hinaus in das Waldgestrüpp führte.
»Nun,« sagte Ferber erfreut, »hier fällt auch das letzte Bedenken weg. Dieser Eingang ist viel wert. Wir brauchen nun nicht mehr durch die Höfe zu gehen, was jedenfalls sehr umständlich und immerhin gefährlich gewesen wäre.«
Noch einmal wurde die Wohnung durchschritten, die künftige Einrichtung derselben besprochen, und der Maurer für morgen bestellt, damit er eines der Hinterzimmer zur Küche einrichte. Dann, nachdem man die Eichenthür, die nach dem großen Flügel führte, gehörig verrammelt und verriegelt hatte, wurde der Rückweg angetreten, ein Unternehmen, das für den Augenblick durch das dichte Gebüsch zwar sehr erschwert wurde, trotzdem aber dem ersten halsbrechenden Weg vorzuziehen war.
Als die Heimkehrenden den Garten des Forsthauses betraten, kamen ihnen Sabine in Begleitung des kleinen Ernst, den man ihrer Obhut anvertraut hatte, erwartungsvoll entgegen. Sie hatte unter den Buchen auf einem weißgedeckten Tische den Nachmittagskaffee serviert und das schattige Plätzchen auf das Behaglichste eingerichtet, wollte nun aber auch wissen, wie man die Dinge droben gefunden, und schlug bei dem Berichte vor freudigem Erstaunen die Hände zusammen.
»Ach, du meine Güte,« rief sie aus, »sehen der Herr Oberförster, daß ich recht hatte? … Ja, ja, die Sachen sind vergessen worden, und ist auch gar nicht zu verwundern. Sowie der junge Herr von Gnadewitz unter die Erde gebracht war, ist der alte Gnädige über Hals und Kopf abgereist und hat alle Dienerschaft mitgenommen. Nur der alte Hausverwalter Silber ist zurückgeblieben; der war aber zuletzt ganz schwach im Kopfe, und ein unmenschlich viel Zeug hat auch drunten im neuen Schlosse gesteckt, da hatte er mehr als genug zu thun, daß ihm nichts unter der Hand wegkam, und da ist zuletzt das alles da droben stehen geblieben, und keine Menschenseele hat mehr davon gewußt … Du lieber Gott, ich habe ja jedes Stück davon unter den Händen gehabt und habe es abstäuben und putzen müssen … Und vor der Uhr habe ich mich immer so gefürchtet, denn die spielt ein trauriges Stückchen, wenn sie schlägt, und das klang so grausig durch die Stuben, wo ich mutterseelenallein hantieren mußte … Ja, damals war ich noch jung … wo sind die Zeiten hin!«
Es folgte nun eine gemütliche Stunde der Ruhe und des behaglichen Ueberlegens, während der Kaffee getrunken wurde. Weil Elisabeth gemeint hatte, sie könne sich nichts Schöneres denken, als zum erstenmal am Pfingstmorgen da droben aufzuwachen, wenn die Kirchenglocken der umliegenden Dörfer hinauf klängen, eine Ansicht, die auch Frau Ferber teilte, so wurde beschlossen, die Renovierung mit allen Kräften schon morgen ins Werk zu setzen, um das Beziehen der Wohnung bis zum Pfingstabend zu ermöglichen, und der Oberförster stellte alle seine Leute zur Verfügung.
Sabine hatte nicht weit von der Gesellschaft auf einer Rasenbank Platz genommen, um bei der Hand zu sein, wenn man etwas bedürfe. Um nicht ganz müßig zu bleiben, hatte sie ein paar Hände voll junger Möhren aus dem Beete gezogen, die sie eifrig schabte und putzte. Elisabeth setzte sich zu ihr. Die Alte warf einen schelmischen Blick auf die schlanken weißen Finger, die neben ihren eigenen braunen, schwielenharten Händen erschienen und einige Möhren von ihrem Schoße nahmen.
»Nichts da,« sagte sie abwehrend, »das ist keine Arbeit für Sie – Sie kriegen gelbe Finger.«
»Daraus mache ich mir nichts!« lachte Elisabeth. »Ich helfe Ihnen und Sie erzählen mir ein wenig. Sie sind hier aus der Gegend und wissen gewiß auch etwas von der Geschichte des alten Schlosses.«
»I nu freilich,« entgegnete die alte Haushälterin; »Lindhof, wo ich geboren bin, hat ja den Herren von Gnadewitz seit undenklichen Zeiten gehört, und sehen Sie, in einem so kleinen Orte da dreht sich nachher alles um die Herrschaft, der man unterthänig ist. Da geht nichts verloren, was besonderes