Pericone hatte nämlich einen Bruder von fünfundzwanzig Jahren, schön und blühend wie eine Rose, namens Marato, der, wie er sie sah, sich nicht nur sterblich in sie verliebte, sondern auch aus ihrem Betragen schloss, dass er ihr nicht gleichgültig sei, und dass seinen Wünschen nichts im Wege stände als die Eifersucht, womit Pericone sie bewache. Er fasste daher einen ruchlosen Entschluss, der auch augenblicklich zur Tat reifte. Es befand sich zufällig ein Schiff im Hafen, welches mit Waren nach Chiarenza in der Romagna befrachtet war und zwei jungen Genuesern gehörte. Schon hatten sie die Segel gespannt, um sich des ersten guten Windes zur Abfahrt zu bedienen. Mit diesen Genuesern verabredete Marato, dass sie in der folgenden Nacht ihn und die Dame an Bord nehmen sollten. Da es Abend ward, ging er mit einigen seiner vertrautesten Kameraden, deren Beistandes er sich versichert hatte, nach der Wohnung seines Bruders, wo er sich allein in das Haus schlich und sich versteckte. Als es schon tief in der Nacht war, ließ er seine Gefährten in das Haus, überfiel seinen Bruder in der Kammer, wo er sich mit Alatiel befand, und erschlug ihn im Schlafe. Alatiel erwachte und rang die Hände. Allein man drohte ihr den Tod, wenn sie das geringste Geräusch mache. Man bemächtigte sich ihrer und einiger Kostbarkeiten, die Pericone besessen hatte, und eilte unbemerkt nach dem Ufer, wo Marato sich mit der Dame einschiffte und seine Kameraden entließ. Ein frischer, günstiger Wind wehte, die Schiffer spannten die Segel und stachen in See. Alatiel bejammerte jetzt bitterlich sowohl ihr erstes Unglück als dieses zweite. Doch Marato fand, den heiligen Crescentius in der Hand, den uns Gott selbst geschenkt, solche Mittel, sie zu trösten, dass sie sich bald bei ihm zufrieden gab und Pericone vergaß. Aber kaum fing sie an, sich behaglich zu fühlen, bereitete ihr das Schicksal auch schon wieder neuen Kummer, als wäre es an dem vergangenen nicht schon genug gewesen. Sie war, wie wir schon oft gesagt haben, außerordentlich schön von Gestalt, und ebenso einnehmend in ihrem Betragen, sodass die beiden jungen Schiffsherren sich dergestalt in sie verliebten, dass sie an nichts anderes dachten, als wie sie ihr aufwarten und sich ihr gefällig machen wollten, wobei sie sich jedoch sehr in Acht nahmen, dass Marato ihre Absicht nicht merke. Wie der eine Bruder die Leidenschaft des anderen entdeckte, beratschlagten sie beide darüber heimlich und nahmen Abrede, dass sie den Gegenstand ihrer Liebe gemeinschaftlich besitzen wollten: als wenn die Liebe ein Gut wäre, das wie Kaufmannsware oder gewonnenes Geld sich teilen ließe. Da sie fanden, dass Marato die Dame sorgfältig bewachte und dadurch ihre Anschläge vereitelte, und es sich fügte, indem sie einst mit einem frischen Winde sehr schnell segelten, dass Marato auf dem Hinterteil des Schiffes stand und in die Wellen hinabschaute, nahmen sie die Gelegenheit wahr, ergriffen ihn beide von hinten und stürzten ihn ins Meer. Sie waren schon über eine Meile fortgesegelt, ehe jemand gewahr wurde, dass er ertrunken war. Als Alatiel es hörte und fand, dass keine Hoffnung war, ihn zu retten, fing sie von Neuem an, sich zu bejammern. Die beiden Brüder eilten sogleich herbei und gaben sich alle Mühe, sie, die nicht so sehr den Verlust des Marato als ihr eigenes Unglück beweinte, mit süßen Worten und mit großen Verheißungen (wovon sie jedoch wenig verstand) zu trösten. Nach vielem wiederholten Zureden glaubten sie auch, dass es ihnen einigermaßen gelungen wäre, sie zu beruhigen, und fingen an, untereinander auszumachen, wer die geliebte Beute zuerst besitzen sollte. Sie konnten darüber nicht einig werden, sondern gerieten zuerst mit ernsthaften, dann mit harten Worten aneinander, bis endlich der Streit sie dermaßen aufbrachte, dass sie beide zu den Dolchen griffen und einander wütend zu Leibe gingen. Niemand im Schiffe war imstande, sie auseinanderzubringen, sondern sie zerfetzten einander mit Schnitten und Stichen, bis der eine tot niedersank und der andere mit gefährlichen Wunden bedeckt war. Alatiel nahm sich dieses sehr zu Herzen, zumal da sie sich nun ganz allein, ohne Rat und Beistand befand, und sie war sehr in Ängsten, dass die Eltern und Verwandten der beiden Brüder ihren Zorn an ihr auslassen würden. Weil sie jedoch bald in Chiarenza ankamen und der Verwundete sich ihrer annahm, so entging sie dieser Todesgefahr. Sie stieg mit diesem ans Land und wohnte mit ihm in einer Herberge, und bald verbreitete sich der Ruf ihrer Schönheit in der ganzen Stadt und gelangte zu den Ohren des Fürsten von Morea, der damals in Chiarenza war. Er ward neugierig, sie zu sehen, und weil sie ihm noch reizender schien, als das Gerücht sie geschildert hatte, verliebte er sich derart in sie, dass er an nichts anderes denken konnte. Da er nun vernommen hatte, auf welche Art sie dahin gekommen war, so zweifelte er nicht, dass er sie leicht in seine Hände bekommen würde. Auch säumten die Verwandten des Verwundeten nicht, sie ihm zu überliefern, sobald sie merkten, dass er mit dieser Absicht umginge. Dem Fürsten war es sehr lieb und der Dame nicht weniger, indem sie glaubte, dadurch einer großen Gefahr entgangen zu sein. Als der Fürst bemerkte, dass ihre Schönheit noch durch königlichen Anstand erhöht ward, hielt er sie, da er keine Nachricht wegen ihrer Abkunft erhalten konnte, wenigstens für eine sehr adelige Dame, daher er sie desto höher schätzte und sie nicht wie eine Beischläferin, sondern wie eine Gemahlin in Ehren hielt. Weil demnach Alatiel, indem sie sich ihres vorigen Ungemachs erinnerte und dagegen ihren jetzigen behaglichen Zustand erwog, sehr froh und zufrieden lebte, so blühte auch ihre Schönheit derart auf, dass man in der ganzen Romagna nicht aufhörte, davon zu reden. Dadurch ward der Herzog von Athen, ein junger, schöner, rüstiger Herr, Freund und Verwandter des Fürsten, so neugierig gemacht, dass er unter dem Vorwande eines Besuches, den er bisweilen bei ihm abzustatten pflegte, mit einem auserlesenen und ansehnlichen Hofstaat nach Chiarenza kam, wo er mit Freude und vielen Ehrenbezeigungen aufgenommen ward. Als nach einiger Zeit einmal von der Schönheit der Alatiel die Rede war, fragte der Herzog den Fürsten, ob sie denn wirklich so wunderschön wäre, wie man behauptete. „Noch weit schöner“, sprach der Fürst. „Allein du sollst mir das nicht auf mein Wort glauben, sondern es mit deinen Augen sehen.“
Der Herzog ließ dem Fürsten keine Ruhe, bis er ihn zu der Schönen führte, die von ihrem Besuche vorher war benachrichtigt worden und sie mit ihrer gewöhnlichen Freundlichkeit empfing. Sie musste sich zwischen die beiden Fürsten setzen, welche sich aber mit ihr nicht viel unterhalten konnten, weil Alatiel wenig von ihrer Sprache verstand. Vielmehr bestaunten die beiden sie bloß wie ein Wunder, besonders der Herzog, der sie kaum für ein sterbliches Geschöpf halten konnte. Während er sie betrachtete, ward er des lieblichen Giftes nicht gewahr, das er durch seine Augen einsog, und indem er glaubte, sie bloß mit Wohlgefallen anzuschauen, verwickelte er sich in den Schlingen der inbrünstigsten Liebe.
Nachdem er mit dem Fürsten von ihr gegangen war und völlige Muße hatte, seinen Gedanken nachzuhängen, hielt er den Fürsten für den glücklichsten Mann auf der Welt, dass ihm ein so wunderschönes Geschöpf zu Gebote stände. Und wie nach einem langen Kampf seine Liebe den Sieg über seine Rechtschaffenheit behielt, beschloss er, es möchte kosten, was es wolle, den Fürsten dieses Kleinods zu berauben und es zu seinem eigenen Genusse zu verwenden. Und weil ihn seine Begierde zur Eile hetzte, so setzte er alle Vernunft und Rechtlichkeit beiseite und dachte nur auf lauter Verrat und Bosheit. Nach dem verruchten Plan, den er mit einem vertrauten Kammerdiener des Fürsten verabredet hatte, der sich Ciuriaci nannte, ließ er an einem Tage alle seine Pferde und sein Gepäck in Bereitschaft zur Abreise halten, und in der folgenden Nacht ward er nebst einem seiner Leute, bewaffnet von dem besagten Ciuriaci, durch einen geheimen Gang in das Gemach des Fürsten eingelassen. Alatiel schlief, und der Fürst stand im bloßen Hemd an einem Fenster, um sich von der großen Hitze durch den sanften Seewind abkühlen zu lassen. Der Herzog schlich also nebst seinem Spießgesellen, dem er seinen ganzen Plan mitgeteilt hatte, leise bis an das Fenster, gab dem Fürsten einen Stich in die Seite, der ihm das Herz durchbohrte, und stürzte ihn den Augenblick aus dem Fenster. Der Palast lag am Meer und war sehr hoch, und unter dem Fenster, an dem der Fürst stand, waren einige verfallene Hütten, die das Meer zerstört hatte und wohin selten oder niemals Menschen kamen; deshalb wurde auch, wie der Herzog vorhergesehen hatte, niemand es gewahr, wie man die Leiche hinabstürzte. Als dies geschehen war, zog der Begleiter des Herzogs plötzlich eine Schnur aus der Tasche, die er dem treulosen Ciuriaci um den Hals warf und