Der befreundete Kaufmann und die Geliebte zerflossen während dieser Rede in Tränen und trösteten ihn, wie er schwieg, mit der Versicherung, dass sie alles treulich erfüllen wollten, was er ihnen im Falle seines Absterbens empfohlen hätte. Es dauerte nicht lange, so schied er aus diesem Leben, und sie ließen ihn ehrenvoll bestatten. Einige Tage danach, nachdem der zyprische Kaufmann seine Geschäfte in Rhodos abgewickelt hatte und mit einer katalonischen Jacht wieder nach Zypern gehen wollte, fragte er die schöne Frau, ob sie lieber in Rhodos bleiben oder mit ihm nach Zypern hinüberfahren wolle, weil er dahin zurückkehren müsse. Sie gab ihm zur Antwort, sie wolle mit ihm reisen, weil sie versichert wäre, dass er aus Liebe zu seinem Freunde Antiochus sie wie seine Schwester ansehen und ihr wie ein Freund begegnen würde. Der Kaufmann versicherte ihr, dass er sich alles, was ihr beliebte, gern gefallen ließe. Damit er sie auf dem Wege nach Zypern vor allen unangenehmen Belästigungen desto gewisser schützen könne, so würde sie wohltun, wenn sie sich für seine Frau ausgäbe. Als sie nun an Bord kamen, ward ihnen demzufolge eine kleine Kajüte eingeräumt. Damit ihre Handlungen nicht mit ihren Worten im Widerspruch ständen, bequemten sie sich, das kleine Bett, das sich darin befand, miteinander zu teilen, und so begab sich etwas, wovon sie beiderseits bei ihrer Abreise aus Rhodos nicht geträumt hatten: Die Dunkelheit, die behagliche Lage und die Wärme des Bettes wirkten nämlich so mächtig, dass sie die Freundschaft für den verstorbenen Antiochus hintenan ließen und, beide von gleicher Lust gereizt, noch vor ihrer Ankunft in Baffo, wo der Kaufmann zu Hause war, eine Verwandtschaft miteinander stifteten, die sie auch nachher noch fortsetzten.
Bald darauf traf es sich, dass ein angesehener Mann namens Antigono wegen einiger Geschäfte nach Baffo kam, der sehr bejahrt und zugleich mit vielem Verstande begabt, aber desto ärmer an Glücksgütern war. Er hatte in verschiedenen Angelegenheiten, die er im Dienste des Königs von Zypern unternommen hatte, keine glückliche Hand gehabt. Dieser ging einst, während der zyprische Kaufmann mit Waren nach Armenien gereist war, vor dem Hause vorüber, wo die schöne Alatiel wohnte. Als er sie zufällig am Fenster erblickte und sie wegen ihrer Schönheit genau betrachtete, glaubte er sich zu erinnern, dass er sie schon irgendwo gesehen hätte, wiewohl er sich dessen nicht mit Gewissheit bewusst war. Alatiel, die lange Zeit ein Spielball des Glücks gewesen und jetzt dem Ziele nahe war, das ihren Irrfahrten ein Ende machen sollte, erinnerte sich ebenfalls, sobald sie Antigono gewahr ward, dass sie ihn einst in Alexandria gekannt hatte, wo er im Dienste ihres Vaters eine ansehnliche Stellung bekleidete. Sie machte sich augenblicklich Hoffnung, durch seinen Rat und Beistand wieder zu ihren königlichen Eltern zu gelangen, und da ihr Kaufmann nicht zu Hause war, so ließ sie Antigono zu sich rufen. Er kam, und sie fragte ihn mit verschämtem Blick, ob er nicht Antigono von Famagosta wäre. Antigono bejahte es und setzte hinzu: „Es kommt mir vor, Madonna, dass ich Euch gleichfalls kenne, wiewohl ich mich nicht erinnern kann, woher. Ich bitte Euch, wenn es Euch nicht missfällt, meinem Gedächtnis zu Hilfe zu kommen und mir zu sagen, wer Ihr seid.“
Als sie hörte, dass er es wirklich war, brach sie in Tränen aus, warf ihm zu seiner Verwunderung die Arme um den Hals und fragte ihn nach einer kurzen Pause, ob er sie nie in Alexandria gesehen habe.
Diese Frage erinnerte ihn sofort an Alatiel, die Tochter des Sultans, und er wollte ihr schon seine schuldige Ehrerbietung bezeigen. Sie ließ es aber nicht zu, sondern hieß ihn, sich neben sie zu setzen. Er fragte sie darauf ehrerbietigst, wie und wann und woher sie an diesen Ort gekommen wäre, weil man in ganz Ägypten für ganz gewiss behauptete, sie wäre vor einigen Jahren in den Fluten umgekommen.
„Ich möchte lieber wünschen“, antwortete sie, „dass es geschehen wäre, als dass ich das Leben hätte führen müssen, das mir beschieden war, und ich glaube, mein Vater würde eben dasselbe wünschen, wenn er es jemals erführe.“ Mit diesen Worten vergoss sie abermals die bittersten Tränen, daher Antigono zu ihr sagte: „Madonna, verzweifelt nicht eher, als Ihr es nötig habt. Gefällt es Euch, so erzählt mir, wie Euch das Schicksal mitgespielt; vielleicht steht es so, dass wir ihm mit Gottes Hilfe noch eine gute Wendung geben können.“
„Antigono“, versetzte sie, „wie ich dich erblickte, glaubte ich in dir meinen Vater zu sehen, und die kindliche Liebe, die ich ihm schuldig bin, bewog mich, da ich mich vor dir wohl verbergen konnte, mich dir zu entdecken. Es sind wenige Leute, deren Anblick mich so erfreuen könnte, wie ich mich freue, dich vor allen anderen wiedergesehen und erkannt zu haben. Darum will ich auch dir wie meinem Vater alles erzählen, was ich sonst vor jedermann verborgen gehalten habe. Wenn du glaubst, nachdem du alles vernommen hast, dass du mir auf irgendeine Weise zu meinem vorigen Zustande wieder verhelfen könnest, so beschwöre ich dich, es zu tun. Scheint es dir aber unmöglich, so bitte ich dich, lass dir niemals gegen jemanden merken, dass du mich gesehen oder etwas von mir gehört hast.“
Hierauf fuhr sie fort, unter beständigen Tränen ihm alles zu erzählen, was ihr seit dem Tage ihres Schiffbruchs auf Mallorca bis auf den Tag ihrer Zusammenkunft mit ihm begegnet war.
Antigono ward davon bis zu Tränen gerührt, und nachdem er ein wenig nachgedacht hatte, sprach er: „Prinzessin, da während aller Eurer Unglücksfälle niemand erfahren hat, wer