Andreuccio, dem sie diese Fabel, die sie auf der Stelle erdichtete, so zusammenhängend und so rund vom Maul weg erzählte, dass ihr nicht ein einziges Mal ein Wörtchen fehlte oder die Zunge anstieß, und er sich erinnerte, dass sein Vater wirklich einmal in Palermo gewesen war; der auch übrigens aus eigener Erfahrung wohl wusste, wie leicht die Jugend zur Liebe geneigt ist, und sich jetzt durch zärtliche Tränen, Umarmungen und Küsse noch mehr überreden ließ, alles, was sie sagte, für bare Münze zu nehmen, gab ihr, wie sie schwieg, zur Antwort: „Madonna, Ihr müsst mir‘s nicht übel nehmen, wenn ich mich wundere, denn in der Tat, entweder hat mein Vater – er mag am besten wissen, warum – niemals etwas von Euch erwähnt, oder wenn es geschehen ist, so ist wenigstens mir nichts davon bekannt geworden, und ich habe so wenig von Euch gewusst, als wenn Ihr gar nicht in der Welt wärt. Es ist mir aber um desto lieber, dass ich hier eine Schwester gefunden habe, da ich es am wenigsten vermutete, denn ich bin hier allein und fremd. Und in der Tat, ich wüsste keinen Mann von noch so hoher Stellung, dem Ihr nicht teuer sein müsstet, um so viel mehr mir, der ich nur ein bescheidener Handelsmann bin. Aber etwas muss ich doch bitten, mir zu erklären. Wie habt Ihr erfahren, dass ich hier bin?“
„Diesen Morgen“ – antwortete sie – „berichtete mir‘s eine arme Frau, die bisweilen zu mir kommt, weil sie bei unserem Vater (wie sie behauptet) einige Zeit in Palermo und in Perugia gewesen ist. Wenn ich nicht geglaubt hätte, dass es schicklicher wäre, dich zu mir zu bitten, als dass ich dich in einem fremden Hause aufsuchte, so wäre ich schon längst selbst zu dir gekommen.“
Nach diesen Worten fing sie an, sich genau und mit Namen nach allen seinen Verwandten zu erkundigen, worauf ihr Andreuccio treuherzig Bescheid gab, und nur desto williger alles glaubte, was er lieber nicht hätte glauben sollen. Da sie ziemlich lange geschwatzt hatten und die Hitze groß war, so ließ sie griechischen Wein und Süßigkeiten bringen und bewirtete ihn. Wie hierauf Andreuccio Abschied nehmen wollte, weil es Zeit war, zum Abendessen zu gehen, ließ sie es nicht zu, sondern stellte sich äußerst betrübt, indem sie ihm abermals um den Hals fiel: „Weh mir! Ich sehe leider wohl, wie wenig lieb du mich hast. Denn anstatt zu bedenken, dass du bei einer Schwester bist, die du noch nie gesehen hattest, und in ihrem Hause, wo du hättest einkehren sollen, so willst du sie lieber verlassen, um in einem Wirtshause zur Nacht zu essen. Du musst bei mir bleiben. Obwohl mein Mann zu meinem Leidwesen nicht daheim ist, will ich dich doch wohl bewirten, soweit es in meinen Kräften, die nur die Kräfte einer Frau sind, steht.“
Andreuccio wusste darauf nichts zu erwidern, als: „Ich liebe Euch so sehr, wie man eine Schwester lieben kann. Wenn ich aber nicht nach Hause komme, so wird man den ganzen Abend mit dem Essen auf mich warten, und das wäre doch unhöflich von mir.“
„Nun, Gottlob“ – sprach sie – „habe ich etwa keinen Menschen mehr im Hause, den ich hinschicken und sagen lassen kann, dass du nicht zum Essen heimkommst? Es wäre vielleicht noch artiger von dir gehandelt, wenn du deinen Gefährten sagen ließest, sie sollten auch hier mit essen. Dann könntet ihr hernach alle zusammen heimgehen.“
Andreuccio antwortete, ihm sei für heute mit der Gesellschaft seiner Kameraden nicht gedient, über ihn selbst aber könne sie, weil es ihr so gefällig sei, verfügen.
Sie stellte sich darauf, als wenn sie nach dem Wirtshause schicke, um sein Abendessen absagen zu lassen, und nachdem sie noch eins und das andere miteinander gesprochen hatten, setzten sie sich zu Tische. Die Tafel war reich besetzt, und sie fand listig Mittel und Wege, die Mahlzeit bis spät in die Nacht in die Länge zu ziehen. Wie sie endlich vom Tische aufstanden und Andreuccio weggehen wollte, sagte sie, sie würde dieses auf keine Weise zugeben. Neapel wäre kein Ort, am wenigsten für einen Fremden, wo man des Nachts allein herumgehen könne, und wie das Abendessen, so hätte sie auch für diese Nacht das Nachtlager im Gasthaus für ihn absagen lassen. Er glaubte es und ließ es sich in seiner Leichtgläubigkeit wohl behagen, bei ihr zu bleiben. Nach dem Abendessen wurden – nicht ohne Absicht – noch lange Gespräche geführt, und wie schon ein großer Teil der Nacht vergangen war, ließ sie ihn von einem kleinen Knaben, der ihm als Diener die Nacht zur Verfügung stehen sollte, in seine Kammer begleiten und begab sich mit ihren Mägden in die ihrige.
Weil es sehr warm war, so entkleidete sich Andreuccio, sobald er in sein Zimmer kam, legte seine Beinkleider unter sein Kopfkissen, und weil sein Leib sich seines Überflusses zu entladen suchte, so erkundigte er sich bei dem Knaben nach dem dazu bestimmten Orte. Dieser zeigte ihm eine Türe am Ende des Schlafzimmers und sagte: „Geht nur dorthinein.“ Andreuccio, der nichts Arges besorgte, ging hinein und trat auf ein Brett, welches von dem Balken, worauf es ruhte, an einem Ende losgemacht war, sodass es überkippte und mit ihm hinabstürzte. Ja, es war noch eine Gnade von Gott, dass er keinen Schaden nahm, da er ziemlich hoch herunterfiel, wiewohl er sich garstig mit dem Unflat, von dem der Ort voll war, besudelte. Damit ihr desto besser versteht, was ich gesagt habe und was noch folgt, so will ich euch erklären, wie dieser Ort angelegt war. Es waren nämlich über einen schmalen Gang, dergleichen man oft zwischen zwei Häusern findet, ein paar Balken gelegt, auf welchem einige Bretter nebst dem Sitze befestigt waren, und mit einem dieser Bretter purzelte Andreuccio hinab. Wie er sich nun unten in der Gasse wiederfand, rief er mit jämmerlicher Stimme den Knaben. Dieser war aber den Augenblick, wie er etwas fallen hörte, zu seiner Herrin gelaufen und hatte es ihr gemeldet. Sie eilte in das Zimmer des Andreuccio und sah sich um nach seinen Kleidern, die sie auch bald fand, und das Geld darin, das er törichterweise immer bei sich trug, um es nicht zu verlieren. Nachdem sie diesen Endzweck erreicht hatte, weswegen sie ihr Netz ausgeworfen und als eine geborene Palermerin die Rolle der Schwester eines Peruginers gespielt hatte, bekümmerte sie sich nicht weiter um ihn, sondern schloss geschwind die Türe zu, wo er hinausgetreten war, als er fiel.
Da Andreuccio von dem Knaben keine Antwort bekam, schrie er immer lauter. Allein es half ihm nichts, und wie er, etwas zu spät, anfing den Betrug zu ahnen, kletterte er auf eine Mauer, die dieses Gässchen von der Straße schied, und suchte nach der Haustüre, die ihm noch wohlbekannt war. Er fand sie auch, schrie, rüttelte und pochte vergeblich an die Türe und rief endlich, indem er sein Ungemach deutlich erkannte, jammernd: „O wehe mir! In wie wenigen Augenblicken habe ich fünfhundert Goldgulden und eine Schwester verloren!“
Unter diesen und vielen anderen Klagen fing er wieder an zu klopfen und zu schreien und machte einen solchen Lärm, dass einige von den Nachbarn, welche von dem Skandal erwachten und es nicht länger anhören mochten, aufstanden. Eine von den Mägden der sauberen Dame kam auch, dem Anscheine nach ganz schlaftrunken, ans Fenster und fragte höhnisch: „Wer klopft da?“ „Ach, kennst du mich nicht?“ fragte Andreuccio. „Ich bin ja Andreuccio, der Bruder der Madonna Fiordaliso.“
„Guter Freund“, sprach sie, „wenn du zu viel getrunken hast, so geh hin und schlaf dich aus und komm morgen wieder. Ich weiß nicht, wer dein Andreuccio ist, und was für ein Geschwätz du machst. Geh mit Gott und sei so freundlich und lass uns schlafen.“
„Was?“ sprach Andreuccio, „du weißt nicht, was ich sage? Freilich weißt du‘s. Wenn es aber mit der Verwandtschaft in Sizilien so bestellt ist, dass man ihrer so bald vergisst, so gib mir nur wenigstens meine Kleider wieder, die ich oben gelassen habe, und dann will ich gerne gehen.“
Die Magd lachte und rief ihm zu: „Ich glaube, Ihr träumt, guter Freund.“ Das sagen, sich umdrehen