»Anita hat mir erzählt, daß du auch nähen und stricken kannst«, fuhr der Söllner freundlich fort. »Stammt der schöne neue Trachtenjanker vom Bertrammer am End auch aus deiner Hand?«
»Na!« antwortete Leni kopfschüttelnd. »Der ist aus einem ganz teuren Modegeschäft. Selbst die Knöpf daran kosten ein kleines Vermögen. Ähnliche hab ich zwar bekommen können, aber nur halb so schöne.«
»Da sieht man es wieder einmal, welche Schluderarbeit die in der Stadt leisten«, entgegnete der Söllner mit gespielter Entrüstung. »Da kaufst dir einen sündhaft teuren Janker und verlierst die Knöpf, bevor du richtig drin warm geworden bist. Aber… nun vielleicht kann ich dir helfen, Lenerl. Ich fahr nämlich nächste Woch zur Stadt. Dort könnt ich mich nach besser passenden Ersatzknöpfen umschauen. Nur müßtest mir einen der noch vorhandenen als Muster mitgeben.«
»Oh! Würdest das wirklich tun, Söllner?« fragte sie sichtlich erfreut. Und als er zustimmend nickte: »Hättest Erfolg, würd es für meinen Bauern gewiß eine große Überraschung sein.«
»Ja, das glaub ich auch«, bestätigte der Söllner trocken.
»Zumal er sich so über den Verlust aufgeregt hat«, verriet die Magd.
»Wer würd sich da net ärgern?« gab er mit ausdrucksloser Miene zurück.
Im stillen jedoch jubelte der Söllner. Nicht eine Sekunde lang zweifelte er daran, daß der Musterknopf mit dem übereinstimmen würde, den er daheim gut aufbewahrte.
»Am besten holst den Knopf gleich, damit ich es net vergesse«, drängte er.
»Ja, ja... das trifft sich gut, denn der Bauer ist wegen seiner großen Geburtstagsfeier zum Hotel am See drunten«, erwiderte die Magd. Sie rannte mit dem Korb ins Haus und kehrte Minuten später strahlend zurück.
»Hier ist der Knopf. Kannst gleich ein halbes Dutzend davon mitbringen, wennst die gleichen findest«, sagte sie.
»Du bist ein Prachtmadl!« lobte der Söllner, während er den Knopf hastig an sich nahm. »Ich wollt, ich hätt auch so eine fleißige, aufmerksame Magd!«
Leni lachte, warf den Kopf etwas zurück. Seine Worte gingen ihr wie süßer Rahm ein, taten ihr unendlich gut, denn der Bertrammer geizte neuerdings mit Freundlichkeit.
»Aber verrat vorher nix, Söllner«, bat sie nun.
»Ganz gewiß net – wo es doch eine Überraschung werden soll«, gab der Söllner mit verhaltenem Grimm zur Antwort. Er nickte der Magd zu, beglückwünschte sich insgeheim zu seinen guten Einfällen und kehrte zufrieden auf seinen Hof zurück.
Lukas Kronseder kehrte, unbemerkt von anderen, ins Jägerhaus zurück. Sein Kollege Schaidhammer machte kein Hehl aus der Erleichterung und Freude, die er über die Ablösung empfand.
»Na endlich!« sagte er, während er Lukas fest die Hand drückte. »Und – wie ist es gewesen? Hat man dir sofort geglaubt oder erst später? Weiß man schon mehr über den Fall?«
»Nur so viel, daß der Erschossene schwer gewildert haben soll. Das wiederum läßt die Schlußfolgerung zu, daß ein Komplice oder ein Mitwisser ihn getötet hat, weil er vielleicht aus dem verbotenen Geschäft hat aussteigen wollen.«
»Armer Kerl«, bedauerte Alois den Toten. »Man traut es der schönen Gegend hier net zu, daß sie solche dunklen Geheimnisse birgt. Auch die Madln sind wenig zugänglich.«
Lukas lachte; er wirkte ruhig und ausgeglichen. Was er in den vergangenen Wochen hinzugelernt hatte, würde seine Freude am Jägerberuf nur noch vertiefen. Doch ganz privat hatte Lukas auch Pläne. Das Madl namens Anita war ihm ständig im Sinn geblieben. Inzwischen war ihm klargeworden, wie dämlich er sich benommen hatte. Ein Riesenrindviech nannte er sich jedesmal, wenn er daran dachte, daß er sich mit dem Vornamen des Madls zufriedengegeben hatte, anstatt der Sache richtig auf den Grund zu gehen. Von einem Madl, das man auf den ersten Blick hin liebgewann, mußte man doch alles wissen. Man durfte es auf gar keinen Fall irgendwo zurücklassen, nur weil eine hinkende Frau rasch ärztlicher Hilfe bedurfte.
»Hab vor kurzem gleich zwei Weiber auf einmal hier in der Stube gehabt«, berichtete Alois nun. »Apollonia und die Tochter vom Söllner-Bauern.«
»Vom Söllner?« wiederholte Lukas überrascht.
»Ja, und das beinahe mitten in der Nacht! Ein bildsauberes Madl – aber kratzbürstig und stolz. Mit uns Jagern scheint es nix zu tun haben zu wollen.«
»Weshalb kamen die zwei zu dir?« fragte Lukas verwundert.
»So genau weiß ich es selber net. Angeblich hatte sich das Madl verlaufen, woran ich stark zweifel, Lukas. Als Tochter vom Söllner ist sie die Schwester des Erschossenen. Das hab ich schon herausgefunden. Mich hat sie angestarrt, als wär ich der Täter. Wenn ich net wüßt, daß es für sie zu schwierig ist, würd ich glatt behaupten, daß sie dir und mir all die bösen Streich gespielt hat.«
»Ein Madl? Geh, das ist doch absurd, Alois!«
»Hm – ein Gehörn ans Brunnenrohr zu hängen, das hätt sie schaffen können. Aber der Bock im Latschenfeld droben muß durch ein kräftiges Mannsbild dorthin geschafft worden sein.«
»Erzähl ausführlich, Alois. Mir scheint, der Zirkus geht hier noch weiter!« Lukas sah betroffen aus; seine Stimme hatte einen zornigen Unterton.
Der Schaidhammer nickte und berichtete von dem, was in letzter Zeit passiert war. Er schloß mit den Worten: »Du solltest das Söllner-Madl amal aufsuchen und ihm auf den Zahn fühlen. Es hat so kriegerisch ausgeschaut, daß ich ihm einiges zutrau. Vielleicht ist es in dem Schmerz um den toten Bruder vergeltungswütig geworden? Es könnt auch einen Freund zu solchen Taten angestiftet haben.«
»Ja, möglich ist alles«, gab Lukas seufzend zu. Er hatte sich zwei freie Tage zum Entspannen und Eingewöhnen erbeten. Jetzt aber sah er sich schon einem Berg von Aufgaben gegenüber.
Alois wechselte das Thema, weil er sowieso in Gedanken woanders war. Er freute sich darauf, bald seiner Verlobten wieder nahe zu sein und das nachzuholen, was er versäumt zu haben meinte.
Vierundzwanzig Stunden später war Lukas Kronseder allein im Jägerhaus und im Revier. Er brachte einiges in Ordnung, packte aus, überprüfte die Vorräte wie auch die zwei Gewehre, die jederzeit einsatzbereit zu sein hatten.
Am Nachmittag gönnte er sich den Luxus, einfach nichts zu tun und an Anita zu denken. Dazu trank er einen Enzian und schüttelte sich gleich, als würde es ihm nicht schmecken. Die Wiederaufnahme seiner Arbeit allerdings erschien ihm heute nicht so wichtig wie das Wiedersehen mit Anita.
Ein fast sonntäglicher Friede war um Lukas Kronseder. Er ahnte nicht, daß zwischen Rotspitz und Gamsmugl heute ein Mensch hart an den Tod gebracht werden würde.
Dort nämlich lag der Bertrammer-Hannes trotz plötzlich eingesetztem Frost auf der Lauer, nachdem er den Söllner bergauf hatte gehen sehen. Daß er jener Stelle zusteuerte, wo er, Hannes, mit ihm gerungen und wahrscheinlich den Knopf vom neuen Janker verloren hatte, erschien verdächtig.
Voller Ungeduld und mit wachsender Gereiztheit wartete der Bertrammer nun darauf, den Söllner aus dem Hinterhalt erschießen zu können. Daß dieser dann aber dem Hügel zustrebte und sich immer schneller entfernte, ließ den Bertrammer unvorsichtig werden.
Er folgte dem Söllner so rasch er konnte. Als er diesen später auf einer kleinen Lichtung stehenbleiben sah, hob er das Gewehr an – schoß.
Der Schuß peitschte durch die beginnende Dämmerung. Er hallte mehrfach wider und erreichte auch das Ohr des sinnenden Burschen im Jägerhaus.
So schnell war der Kronseder gewiß noch nie bereit gewesen, einem alarmierenden Geräusch zu folgen. Es dauerte nur Minuten, bis er mit weit ausholenden Schritten bergan eilte. Unterdessen hatte der Bertrammer den Söllner zu Boden stürzen und reglos liegen bleiben sehen. Er entfernte sich schleunigst, damit wieder einmal ein Todesfall unaufgeklärt blieb. Seinen Weg zu Anita wähnte er jetzt frei. Ein