Friedrich Arnold Brockhaus - Erster Theil. Brockhaus Heinrich Eduard. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Brockhaus Heinrich Eduard
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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ich gehen sollte, auf, meldete mir dies und bot mir en attendant mieux eine Stelle auf seinem Comptoire an. Die mochte ich nicht, und ich folgte nun williger den Wünschen des Vaters und um so leichter, da ich in unserm Städtchen eine Art Phänomen war und meine Eitelkeit täglich Triumphe feierte.

      Es dauerte nicht lange, als sich Gelegenheit zu einer Handelsverbindung zeigte. Diese wurde auch geschlossen mit einem wackern Freunde, Namens Mallinckrodt, und des Kapitals wegen, da die unserigen nicht zuzureichen schienen, mit einem Dritten, Namens Hiltrop, einem sehr reichen Menschen, den wir für dumm hielten und glaubten auf diese Weise benutzen zu dürfen. Dies war ein großes Unglück, dem ich unsägliche Leiden verdanke, denn dieser Mensch war freilich dumm, aber zugleich ein verworrener Phantast und von dem allerschlechtesten Charakter. Unser Geschäft bestand in englischen Manufacturwaaren im Großen, insbesondere in groben Wollartikeln, die in jenen Gegenden stark gebraucht wurden. Ich besorgte die Comptoirgeschäfte, Mallinckrodt die Reisen und das Waarengeschäft. Unsere Handlung hatte den glänzendsten Fortgang. Wir glaubten Hiltrop (den dritten Compagnon) entbehren zu können; wir separirten uns also von ihm und fanden ihn ab. Alles in der höchsten Ordnung und Rechtlichkeit.

      Wir heiratheten nun. Ich meine Sophie, er (Mallinckrodt) eine Freundin von ihr. Sophie war 19, ich eben 24 Jahre alt.9 Sie war aus der angesehensten Familie meiner Vaterstadt, ehemaligen Patriciern. Sie war liebenswürdig, selbst schön, nicht geistreich, aber verständig und von einem edlen und festen Charakter, der sich in den schwierigsten Lebensverhältnissen erprobt hat. Dabei brachte sie mir ein für dortige Gegenden sehr bedeutendes Vermögen zu. Wir waren die glücklichsten Menschen unter der Sonne. Ach, wenn ich dieser Rosenzeit meines Lebens, die drei volle Jahre dauerte, gedenke, so rollen, wie auch jetzt, die hellen Thränen aus meinen Augen, denn in ihnen genoß ich des höchsten menschlichen Glückes. In diesen Zeitraum fällt die Geburt von Auguste und von Fritz.

      Aber nicht länger sollte unser Glück dauern. Unser Geschäft hatte einen höchst genialen Charakter angenommen, etwa oder ganz in der Art, wie ihn jetzt mein Buchhandel hat. Wir machten unerhörte Geschäfte, hatten einen grenzenlosen Credit und gewannen große Summen. Unser Geschäft hatte sich vorzüglich nach Holland gezogen; wir etablirten ein Haus in Arnheim, und mein Associé zog dahin. In dieser Epoche fielen die ungeheuern Bankrotte in Hamburg vor, von denen Sie wol mal werden gehört haben. Wir wurden zwar nicht direct, aber in einer indirecten Weise darin verflochten, die unserm Schicksal eine ganz andere Richtung gab. Jener unser erster Associé Hiltrop hatte nach seiner Trennung von uns ein ähnliches Geschäft, als es das unserige war, begonnen, aber freilich nicht mit unserer adresse und unserm Geiste; er hatte sich also bald verfitzt, und als vollends sein Bankier in London, ein Vetter der Bethmann in Frankfurt, die ihn aber ruhig fallen ließen, Bankrott machte und er an diesem 15000 Thaler zu verlieren befürchten mußte, kam er in Verzweiflung, und nicht fähig, sich selbst zu retten, warf er sich uns in die Arme. Wir retteten ihn, übernahmen seine Sachen, auch mit einem Verlust von nur einem Drittel seine Forderung an den falliten Bethmann, da wir mit diesem auch in Verbindung waren und uns schmeichelten, die Rechnungen compensiren zu können. Wir arrangirten sein Creditwesen und handelten in jeder Hinsicht mit der höchsten Großmuth und Liberalität, ohne jedoch das kaufmännische Princip dabei aus den Augen zu lassen.

      Dieses accomodement für und mit Hiltrop sollte für uns die Ursache unübersehbarer Verdrießlichkeiten und Unglücks werden. Dortmund war damals noch eine Reichsstadt, und das Unwesen in den Gerichtsformen und bei Processen war bei der absoluten Unabhängigkeit der Reichsstädte in den ersten Instanzen dort grenzenlos. Unsere Handlung hatte einen Schwung genommen, von dem man sich in der altväterischen Stadt nie eine Idee gemacht hatte, und ob wir gleich, ich darf das sagen, unser Glück nicht durch Uebermuth geltend machten, im Gegentheil allenthalben helfend mit der höchsten Uneigennützigkeit eingriffen, so führte doch unsere Existenz und unser Geschäft einen train de vie mit sich, der dort neu war, großes Aufsehen machte und uns die heftigsten Neider und daraus Verleumder zuzog. Man hetzte jenen Phantasten Hiltrop, den wir vom Elend und Versinken allein und mit der vollkommensten Rechtlichkeit gerettet hatten, gegen uns auf, und dieser klagte nun gegen uns über jene stattgefundene Cession seiner Forderung an uns, und daß wir ihn dabei verletzt hätten. Der Proceß darüber nahm seinen Anfang, und da der Bürgermeister, die Seele von Allem, was in dem Städtchen geschah, mein erbitterter und entschiedener Feind war, so erwuchsen aus der Führung dieses unglücklichen Processes für mich (denn mein Associé war in Arnheim) namenlose Verdrießlichkeiten, und ich entschloß mich endlich, Dortmund ganz zu verlassen und nach Holland zu ziehen. Aber kaum verlautbarte dieser Entschluß, als mir erstlich eine ganz übertriebene Cautionsleistung für den obschwebenden Proceß abgefordert wurde und man sofort mit der Forderung von 10 Procent von unserm Vermögen auftrat. Beide Forderungen wurden mit einer Art von fanatischer Wuth bei unsern Widersprüchen verfolgt. An Hülfe war gar nicht zu denken, denn der Magistrat hatte und erkannte keine andere Behörde über sich als das Reichskammergericht in Wetzlar oder den Reichshofrath in Wien. Ich mußte Kränkungen über Kränkungen erleiden. Erst wurde unser ganzes Waarenlager mit Arrest belegt, meine Handlungsbücher wurden uns fortgenommen und untersucht, ich selbst am Ende persönlich arretirt. Ich mußte mich beugen und wenigstens die Caution für die 10 Procent Vermögenssteuer leisten. Der andern (Maßregel?) entging ich zu meinem Glücke durch Consequenz und Klugheit.

      So verließen wir unsere Vaterstadt und kamen fast wie Geächtete in Arnheim an. Die Geschichte hatte das ungeheuerste Aufsehen gemacht, der Haufen der Menschen war, wie ganz in der Regel, gegen uns, die man hochfahrige, überklugseinwollende, vorwitzige Personen nannte, denen hier Recht geschehen sei; unser Credit litt dadurch außerordentlich, und im Auslande, wo man sich solchen Unsinn, als der dortmunder Magistrat begangen, gar nicht denken konnte, mußte man ganz irre werden, als wir anzeigen mußten, wir wohnen nicht mehr in Dortmund, sondern jetzt in Arnheim. Dazu kamen nun die reellen äußern Zerstörungen, die mit dieser gewaltsamen Geschäftsverpflanzung verbunden sein mußten, und der Umstand, daß Alles allerdings auf die Spitze getrieben war, indem wir das Geschäft aus dem Gesichtspunkt betrieben hatten: man muß das Eisen schmieden, solange es glühend ist; — kurz, unsere Lage wurde bei diesen Umständen höchst kritisch. Mein Associé, der blos das Waarengeschäft geleitet und von der einen Seite die großen geernteten Vortheile kannte, nicht aber alle die Fäden, die ich angesponnen, um das Geschäft in dieser Höhe zu erhalten, war nun höchst befremdet über die Stockungen in unserm Creditsystem. Er war unbillig genug gegen mich, der so unendlich gelitten und Alles allein hatte erdulden müssen, mir Vorwürfe zu machen, und ich war schwach genug, darüber so erbittert zu werden, daß ich ihm die Compagnieschaft aufsagte. Wir separirten uns also. Ich zahlte ihm ein Abfindungsquantum von baaren 60000 Gulden und übernahm das ganze Geschäft und zog nach Amsterdam. Dies war im Winter 1801 auf 1802.

      Zweiter Abschnitt.

      In Amsterdam

      1.

      Kaufmännische Thätigkeit

      Als Brockhaus im Winter von 1801 auf 1802 Arnheim verließ und nach Amsterdam übersiedelte, um hier das früher mit Mallinckrodt betriebene Geschäft in englischen Manufacturen en gros allein und auf günstigerm Boden fortzusetzen, hatte er einen schweren Stand. Durch den Hiltrop'scheu Proceß und die Verlegung seines Geschäfts von Dortmund nach Arnheim hatte sein Credit schon leiden müssen, da die kaufmännische Welt die nähern Umstände und die eigentliche Veranlassung dazu nicht kannte. In Amsterdam hatte er somit eigentlich wieder von vorn anzufangen. Indeß verlor er den Muth nicht, und das Glück schien ihm auch bald wieder lächeln zu wollen.

      Es waren damals die letzten Jahre der Batavischen Republik unter ihrem trefflichen Leiter, dem Großpensionär Schimmelpenninck; die frische Luft des Freistaats, der lebhafte Verkehr der großen Handelsstadt sagten ihm weit mehr zu, als die engen Verhältnisse der kleinen Provinzialstadt Arnheim und seiner freilich ebenfalls »freien« Vaterstadt Dortmund. Außerdem stand er in Amsterdam ganz auf eigenen Füßen und befand sich in neuer Umgebung; er hatte auf keinen Associé Rücksicht zu nehmen und wurde in der ersten Zeit wenigstens fast durch nichts mehr an frühere widrige Verhältnisse erinnert.

      Alles


<p>9</p>

Auch diese Angabe ist eine irrthümliche und beruht auf der Annahme, daß er 1774 statt 1772 geboren sei; er war damals (30. September 1798) 26, seine Frau 20 Jahre alt.