Sklave des Todes?
So übertrieben, wie alle liberalen Zeitgenossen, pries auch Blum die Helden der Pariser Julitage. Vom gesündesten politischen Urtheil zeugt dagegen das Scherzgedicht über Griechenland, das er unter dem Titel „Literarische Anzeige“ schrieb, und von dem so Vieles noch heute auf den Staat der Hellenen paßt:
„Im Jahre ein Tausend acht Hundert und dreißig
Erschien, nachdem man erst lange und fleißig
Zu London daran war, mit Drucken und Pressen —
– Auch hat man es nicht zu beschneiden vergessen —
Ein Werkchen, betitelt: Neugriechischer Staat,
In einem sehr niedlichen Taschenformat.
Dasselbe ist ganz nach der neuesten Mode,
So zierlich als möglich, und kurz, die Methode,
Nach der man zu Werk ging, ist eigener Art,
Und überall Ordnung mit Schönheit gepaart.
Zwar wagte der Neid schon von manchen Gebrechen
Und Fehlern, die drinnen sein sollen, zu sprechen;
Doch können dies höchstens nur Druckfehler sein,
Und diese sind dann um so mehr zu verzeih’n,
Da mehrere Setzer am Werkchen gezimmert,
Und Niemand um die Correctur sich gekümmert.
Man suchet nun Jemanden, der den Verlag
Des Werkchens gleich zu übernehmen vermag.“
Ganz überraschend klar und kräftig tritt aber bei Blum der deutsch-nationale Gedanke hervor. In einer Zeit, in der fast Alle, gelegentlich auch er selbst, berauscht waren von einem unbestimmten Freiheitsdrang und kosmopolitischer Schwärmerei und die Erkenntniß, daß erst auf dem Boden eines festen, einigen, deutschen Staatslebens alle höheren Güter der Nation, vor allem die Freiheit, errungen werden könnten, höchst vereinzelt, von Männern wie Pfizer und Dahlmann ausgesprochen wurde, während Männer wie Börne und Heine nur Hohn und Spott für ihr Vaterland hatten, in dieser Zeit erscheint ein Gedicht wie dasjenige, das Blum 1831 „an Germania“ schrieb, als ein hervorragendes Zeugniß politischer Einsicht und nationaler Klarheit. Es heißt darin unter Anderem:
„Völker siehst Du auferstehen,
In des Freiheitsodems Wehen,
In der Zeiten hehrem Lauf;
Erntend längst gestreute Saaten.
Treten sie im Feld der Thaten
Kühn als Nationen auf.
Ach, der Hebel aller Staaten,
Die Erzeug’rin großer Thaten,
Aller Völker Kraft und Macht.
Die allein nur Muth und Stärke
Geben kann zum großen Werke: —
Einheit – ist Dir ja versagt!
In die einzeln schwachen Glieder
Gießt sie Kraft und Fülle wieder;
Einheit ist der Staaten Mark.
Kein Erob’rer stellt verwegen
Dann sich lüstern uns entgegen;
Werdet eins, dann sind wir stark.
Deutsche, nützt die hehren Stunden!
Wenn sie einmal hingeschwunden,
Sind sie ewig uns vorbei;
Laßt das große Völkerringen
Etwas wenigstens uns bringen:
Werdet eins! dann sind wir – frei!“
Ueberhaupt ist der gesunde Realismus, der bei aller Begeisterung des jungen Herzens aus diesen Gedichten spricht, doppelt wohlthuend in einer Zeit, die sich anschickte, mit Heine einem krankhaften sentimentalen Weltschmerz sich zu ergeben. Nirgends fingirt Blum Liebesleiden, die er nicht kannte, nirgends zeigt er sich mit der Welt zerfallen, lebensmüde, obwohl er hierzu mehr Grund haben mochte, als mancher Andere. Dagegen dringt wiederholt die bittere Klage über das harte Geschick, das ihm gerade die Erreichung der höchsten Lebensziele so unendlich schwer machte, mit der vollen Kraft eines gewaltigen Naturlautes aus seiner gepreßten Brust. Aber immer richtet ihn auf der felsenfeste Glaube an den Sieg der idealen Mächte, denen er sein Streben geweiht, und damit auch an die eigene Sendung, die er zu erfüllen bestimmt ist.
Besonders merkwürdig für seine Weltanschauung ist dabei, zumal bei dem rein rationalistischen Glauben, den er z. B. in seinem „Glaubensbekenntniß“ ausspricht, die feste Ueberzeugung an die Unsterblichkeit der Seele, die er in diesen Gedichten wiederholt ebenso deutlich bekennt, wie – in dem letzten Briefe an seine Gattin, den er Angesichts des Todes schrieb. In einem seiner frühesten Gedichte „An die Zeit“ (1829) heißt es am Schlusse:
„Du veränderst und wechselst nur jede Gestalt,
Die im Staub sich erzeugte vom Staube;
Doch dem Geiste droht nie der Zerstörung Gewalt,
Er wird nie der Verwesung zum Raube.
Zerstöre Du nur ohne Ende und Ruh’ —
Ein Theil meines Wesens ist ewig, wie Du.“
In der That bedurfte es eines so festen Glaubens an das Walten der sittlichen Mächte und solcher Bedürfnißlosigkeit, wie Robert Blum sie gewöhnt war, um auch in jenen bösen Tagen den Kopf oben zu behalten, als Ringelhardt Anfang Juni 1831 gezwungen war, plötzlich „aus Geschäftsrücksichten“, das heißt mit Rücksicht auf die Geschäftslosigkeit, die Bretter, die die Welt bedeuten, in Köln abzubrechen und Robert Blum zu entlassen. In dieser traurigen Lage griff dieser nach dem ersten Erwerb, der sich ihm bot – er wurde Schreiber beim Gerichtsvollzieher Kümpeler und bezog in dieser Stellung einen Monatsgehalt von – sechs Thalern! Davon war Alles zu bestreiten. Glücklicher Weise dauerte diese harte Prüfung nur bis 15. September. Da engagirte ihn Ringelhardt von Neuem für den früheren Gehalt.
Eine erhebliche Förderung verdankte Robert Blum diesem Dienstverhältnisse durch die bereits erwähnte freie Verfügung über die Theaterbibliothek des Directors. Bereits im Winter 1830 auf 1831 wurde der größte Theil der hier vorräthigen dramatischen Werke geradezu verschlungen, später mit Muße das Beste – vor Allem Schiller, Goethe, Lessing, Shakespeare und was an antiken Dramen da war, wieder und wieder gelesen, halb auswendig gelernt. Mit Schiller vor Allen gewann Blum die größte Vertrautheit. Aber auch Goethe lernte er mehr und mehr schätzen. Als der deutsche Dichterfürst starb, schrieb Blum ein tiefempfundenes „Sonett auf Goethe’s Tod“ in seine Gedichtsammlung. Daneben regten die dramatischen Novitäten des Tages den kritischen Theaterdiener an, sein Urtheil über dieselben in kurzen scharfen Distichen auszusprechen. Viele dieser Urtheile über Stücke, die heute noch auf dem Repertoire stehen, sind noch jetzt recht interessant.
„Dummheiten, Malicen und Xenien“ hat Robert Blum selbst die kleine Sammlung überschrieben, aus der hier einige Beispiele folgen.
Derbe Komik, kräft’ge Witze,
Leicht und treffend wie die Blitze,
Traf man sonst im Lustspiel an.
Aber jetzt sind wir verwöhnt,
Alles Kräft’ge ist verpönt,
Weil man’s – nicht mehr schaffen kann.
Als er noch Dichtungen gab, da waren die Stücke zu tadeln,
Jetzt sind die Stücke zwar gut, doch ach! nicht Dichtungen mehr.
Reiße den Einen herunter, erhebe den Andern zum Himmel;
Beides mit Brutalität, doch ohne Sinn und Verstand.
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