Reise in Südamerika. Erster Band.. Freiherr von Ernst Bibra. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Freiherr von Ernst Bibra
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
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In Mitte der gemeinschaftlichen Kajüte war ein, fast die ganze Länge derselben ausfüllender Tisch von rauhem Holze befestigt, anfänglich von Feldstühlen umstellt, von etwas zerbrechlicher Construktion, später von zwei festgenagelten langen Bänken. Die dem Vordertheile des Schiffes zugewendete Seite enthielt eine Art Wandschrank, in welchem anfänglich die Gläser aufbewahrt wurden, deren Zahl aber bald bis auf zwei oder drei geschmolzen war. Das vis à vis dieses Schrankes bildete ein Sopha auf welchem vier Personen Platz hatten, und welches gewöhnlich von sechsen besetzt war. Solches war die Kajüten-Herrlichkeit der Reform. Das Zwischendeck war von unserer Kajüte nur durch eine Bretterwand geschieden. Von einer eigentlichen Kajüte war hienach keine Rede. Die Reform war ursprünglich nicht zum Passagier-Schiff bestimmt, sondern zum Waaren-Transport; da sie jetzt Menschen nach Kalifornien bringen sollte, wurde das Zwischendeck durch eine Wand getrennt und die Abtheilung für die, welche etwas mehr bezahlt hatten, mit Papier beklebt. Im Uebrigen war der Raum sowohl uns als den Passagieren des sogenannten Zwischendeckes im Verhältniß der Menschen-Anzahl gleich zugemessen, denn jene, etwa fünfzig an der Zahl, konnten sich ebenfalls kaum rühren.

      Wenn man zu diesen Entdeckungen, die vorläufig keine sehr behagliche Fahrt versprachen, das Drängen und Treiben, die Unruhe und Hast des Augenblicks nahm, so war der erste Eindruck, den die Reform hervorbrachte, kein angenehmer zu nennen.

      Ich habe dort eine Reminiscenz aus meiner Jugendzeit empfunden, und das zwar an den ersten Tag, welchen ich im Erziehungsinstitute zu Neuberg an der Donau zubrachte. Auch in gastronomischer Beziehung fand ich später mancherlei Aehnlichkeit.

      Nach zwei Tagen der Unruhen und Plackereien aller Art, als wir endlich auf dem Punkte waren, so ziemlich eingerichtet zu sein, kam eine Art Supercargo, geschickt vom Rheder, um eine Revision unseres Gepäckes abzuhalten. Neue Scheererei. Ich war dort auf dem Punkte meinen ganzen Vorrath von Rothwein und englischem Biere, welchen ich für die Reise gekauft hatte, in die Weser werfen zu lassen. Der Rheder hatte mir zugesagt, ich hätte für mitzunehmende Victualien und Gepäck Nichts zu zahlen. Mußten doch W. und ich ohnehin schon jeder fünfzig Thaler mehr Passage zahlen, als die andern Passagiere der Kajüte! Der Supercargo forderte jetzt für die freilich ziemlich voluminös verpackten Flaschen dreißig und etliche Thaler Fracht. Ich berief mich auf das mir gegebene Wort. Man verlangte Schriftliches. Als die Sache anfing unangenehm zu werden, bat mich W., ihm das Ordnen der Angelegenheit zu überlassen. Ich willigte ein und kam mit zehn Thalern davon.

      Auch der Supercargo hatte endlich die Reform verlassen. Unsere Einrichtungen waren ziemlich beendet, das heißt, es hatte jeder so viel seines Gepäckes als möglich in den ohnehin engen Raum der Kajüte gestaut, man hatte sich in den Kojen ausgetheilt und jeder hatte sich gekleidet wie er es eben passend und wohlanständig hielt. Schon jetzt aber begann die eigenthümliche, indessen großentheils nothwendige Geheimnißkrämerei in Betreff der Unternehmungen des Kapitains, welche wohl auf jedem Passagierschiff herrscht. Niemand wußte etwas Sicheres über die Abfahrt. Dumpfe Gerüchte verbreiteten sich unter den Passagieren, man werde noch am Abend einige Stunden abwärts treiben. Indessen nichts Gewisses. Endlich – gegen Abend – wurden die Anker gelichtet und wir fingen an langsam abwärts auf der Weser zu treiben.

      II.

      Fahrt nach Rio Janeiro

      Der großartige erste Eindruck des Anblicks der See geht unbedingt verloren bei der Abfahrt von Bremen. Man treibt abwärts auf der Weser, man sieht stets die beiden Ufer des Flusses, der, wenn gleich ziemlich breit, doch immer noch Fluß ist. Aber allmälig ziehen sich die Ufer zurück, man sieht Bremerhaven, und ist dann auf einmal in die See gekommen, ohne zu wissen, wie.

      Ueberhaupt kommt bei der Abfahrt von Bremen oder Hamburg noch hinzu, daß man den Kanal zu durchschiffen hat. Auch der Abschied vom alten Europa wirkt nicht plötzlich ein. Allenthalben noch ein Fleckchen Land, bald Frankreich, bald England.

      Ein anderes ist es, wenn der Reisende das Festland von einem Hafen aus verläßt, der sogleich in die See führt. Dort fällt das Große, das Unendliche der Erscheinung plötzlich und massenhaft in's Auge, und Land so wie See erscheint, gegenseitig sich zur Folie dienend, gleich großartig. Solches war bei allen Häfen von Südamerika der Fall, welche ich besuchte. Hat man aber auch die See schon befahren und ist an das Imposante des Anblicks gewöhnt, so macht das unerwartete Hervortreten desselben stets einen überraschenden und in der That unvergeßlichen Eindruck.

      So kletterte ich eines Nachmittags durch einige waldige Schluchten unweit Valparaiso, bestieg endlich einige steile Gehäge und glaubte, vermöge meiner jenes Mal noch mangelnden Ortskenntniß, jenseits des erstiegenen Berges in ein ausgedehntes waldiges Thal zu kommen, in welchem ich Colibri wußte, die ich jagen wollte. Aber ich war irre gegangen, und stand nach Ersteigung des Berges an einem steilen Abhange, der den ganzen unbeschränkten Anblick der See gestattete. Dort wußte ich einige Augenblicke lang nicht wie mir geschah, denn wo ich mir grünes, bebuschtes Thal gedacht, lag plötzlich eine endlose Fläche des feurigsten Ultramarin vor mir, klar, hell, glänzend in südlicher Sonne, nebelfrei und spiegelglatt, mit kaum zu bezeichnender Gränze gegen den Himmel, der, wolkenlos, mit der See an Farbenpracht wetteiferte. –

      Auf hoher See selbst, ohne Blick auf irgend eine Küste, verliert nach meiner individuellen Ansicht wenigstens die Größe des Eindrucks bedeutend.

      Ich habe nicht selten Augenblicke gehabt, in welchem mir die Entfernung von Bord aus bis an die sichtbare Gränze der See gegen den Horizont wirklich lächerlich nahe erschien, eine Flintenschuß-Weite etwa. Man glaubt auf einer Scheibe zu stehen, deren Mittelpunkt das Schiff ist. Nicht ich allein erhielt diesen Eindruck, es theilten ihn viele der anderen Passagiere. Aber schon ein schwimmender Vogel zerstört jene unangenehme Täuschung großentheils und ein Segel, welches am Horizonte auftaucht, oder eine ferne Küste stellt den Begriff mächtiger Fernsicht wieder her. –

      Nach diesen Abschweifungen über den ersten Anblick der See, kehre ich auf die nicht sehr klaren Wogen der Weser zurück und beeile mich, die welche den Muth haben (figürlich gesprochen, ich meine den Muth die Langeweile zu bekämpfen) mir auf meiner Reise zu folgen, – ich beeile mich, sage ich, sie von der Weser auf den Kanal, und auch von dort wo möglich baldigst auf hohe See zu bringen.

      Ich folge hier einfach den Eindrücken, wie ich sie empfunden, denn Merkwürdiges oder Neues wenigstens ist nicht zu berichten von einer durchschifften Strecke, die schon vielfach beschrieben worden. –

      Uns aber, den Passagieren der Reform, war mancherlei fremd, ungesehen wenigstens, wenn gleich schon öfters gehört, gelesen. Unsere erste Fahrt auf der Weser dauerte einige Stunden, dann wurden bei einbrechender Nacht die Anker geworfen. Des anderen Tages schlechter Wind, das heißt, gar keiner, und langsames Treiben auf dem Flusse einem Holzfloße ähnlich. Enten und Möven schwärmten um das Schiff, ich schoß einige derselben, aber wir konnten ihrer nicht habhaft werden.

      Endlich wieder bessern Wind; wir sahen Bremerhaven und kamen am 28. April in die Nordsee. Wangerooge wurde uns gezeigt, und auf eine Zeit lang entschwand Europa unseren Blicken.

      Auf der Nordsee sah ich die ersten Quallen. Manche derselben wurden gefangen und von mir gezeichnet. Zu wenig aber bewandert in diesem Zweige der Zoologie, darf ich nicht hoffen, Neues den Männern vom Fach bieten zu können, und so mögen jene auf der Reise gesammelten, ziemlich zahlreichen Skizzen in meiner Mappe bleiben, einfach zur Erinnerung für mich allein.

      Indessen werde ich später Gelegenheit haben auf diese eigenthümlichen Geschöpfe zurückzukommen und einige Notizen über sie meinen Lesern vorzuführen. Ich war zu jener Zeit nach einigen Tagen des Zusammenlebens schon als »der Naturforscher an Bord« von den Genossen anerkannt worden, und freundlich wurde mir Alles dahin Bezügliche eingehändigt, dessen man habhaft werden konnte.

      Hier kann ich nicht umhin einige Worte zur näheren Bezeichnung meiner Reisegefährten einfließen zu lassen, und es gereicht mir, der ich stets lieber gelobt als getadelt habe, zu großer Befriedigung, der Wahrheit getreu, hier nur Freundliches berichten zu dürfen.

      Die Passagiere der Kajüte waren meist junge Kaufleute, welche in Kalifornien ihr Glück zu machen hofften. Einige gehörten auch, wie ich glaube, keinem besonderen Stande an, und durften einfach als die Söhne ihrer Väter betrachtet werden. Ein älterer Herr, ebenfalls Kajüten-Passagier, hatte früher in preußischen