Das Naturforscherschiff. Sophie Worishoffer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sophie Worishoffer
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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geschützten Zufluchtsort umsehen,« meinte Holm, »der wilden Tiere wegen. Ich schlage vor, in einen Baum zu klettern.«

      »Schlangen und Leoparden kommen uns dahin nach! – Aber wenn wir einen hohlen Stamm finden könnten, das wäre gut.«

      Holm warf noch ein paar starke Äste in das Feuer, dann ergriff er sein Gewehr und forderte den Knaben auf, ihm zu folgen. »Mir deucht, ich habe auf dem Wege hierher einen ausgehöhlten Boabab gesehen, den wollen wir suchen.«

      Die beiden machten sich auf und fanden wirklich in der Entfernung von etwa hundert Schritten den Baum, welchen Holm bemerkt hatte. Sein ungeheurer Umfang ließ die natürliche Hütte in seinem Innern als geräumig und hoch voraussetzen, nur fragte es sich, ob nicht etwa dieser laubumrauschte Palast bereits einen Bewohner gefunden hatte, der sich aus seinem Daheim keineswegs vertreiben zu lassen gedachte. Ein schwerer Stein, von Holms Hand geschleudert, flog hinein, aber nichts zeigte sich, – die Höhle schien leer.

      »Bleib du zurück,« gebot er seinem jungen Begleiter, »ich will einmal hineinleuchten und Umschau halten.«

      Hans brachte das Gewehr in Anschlag. Obwohl er noch sehr heftige Brustschmerzen empfand und auch mit geheimer Sorge ununterbrochen lauschte, ob nicht irgend ein Zeichen die Rückkehr der beiden Verschwundenen andeuten würde, so war es ja doch seine Pflicht, den Freund im gegebenen Falle zu beschützen, und anderseits mochte er auch nicht müßig zusehen. Die Kugelbüchse schußgerecht zur Hand, blieb er dicht hinter dem Vorangehenden.

      Ein Zündhölzchen flammte auf, die mitgebrachte Wachskerze wurde in Brand gesetzt und das Innere des Baumes beleuchtet. Ein heiseres Gebell tönte den beiden entgegen.

      »Hunde!« rief erstaunt der Knabe. »Karl, sind es Hunde?«

      Die Antwort erschien in der Gestalt des Bellenden selbst. Ein Mandril oder hundsköpfiger Affe sprang über Holms Schulter hinweg aus seinem Versteck hervor und mit Windeseile auf den nächsten Baum. Ebenso rasch aber hatte er auch die Früchte desselben, halbreife Zitronen, geschäftig abgerissen und eröffnete nun auf die Störer seiner häuslichen Existenz ein so wohlgezieltes Bombardement, daß sofortige Deckung hinter irgend einem Schutzwall geboten schien. Hans erhielt zwei steinharte, grüne Zitronen dergestalt zwischen die Schultern, daß er um die Wette lachte und hustete, sich aber in einem mächtigen Tamarindenbaum einen Verbündeten suchte und nun, von dem Stamm desselben verborgen, den Affen so lange neckte, bis Holm die ganze innere Höhle beleuchtet und leer gefunden hatte. Der Mandril mit seinem Hundekopf saß auf dem Zitronenbaum und fletschte das greuliche Gesicht. Die ganze Erscheinung dieses selbst unter dem häßlichen Affengeschlecht als allerhäßlichstes Exemplar bekannten Tieres rechtfertigte den Namen »Waldteufel«, welcher ihm häufig beigelegt wird. Über einen Meter hoch, hatte er eine kurze, struppige, ganz schwarze Mähne, und dünne olivengrüne Schenkel, dazu eine grellrote Schnauze und blaue, gefurchte Backen, sowie große Ohren, plumpen, hundsartigen Körper und spitzen, gelben Bart. So angetan saß er mit einem schnell zusammengerafften Vorrat von Wurfgeschossen lauernd auf einem starken Ast, und so oft Hans nur die Hand vorstreckte oder gar ein wenig um den Stamm herumzulugen wagte, gleich flog eine Zitrone durch die Luft, meistens freilich ohne zu treffen, aber immer von einem gebellartigen Brüllen des Unholdes begleitet.

      Holm hatte innerhalb des Affenbrotbaumes Posto gefaßt. »Ich will ihm den Garaus machen,« sagte er, »diese Gattung lebt meistens in ganzen Trupps, wenn uns daher die Genossen durch das wütende Bellen auf den Hals gelockt würden, so könnte es uns schlimm ergehen. Reize einmal die Bestie, sich nach dieser Seite zu drehen, damit ich sie aufs Korn nehmen kann.«

      Hans lugte um den Baumstamm herum, dann streckte er den Arm vor und schien werfen zu wollen. Der Jagdeifer riß ihn dermaßen mit sich fort, daß er im Augenblick die drohende Gefahr der Verschwundenen sowohl als seine und Holms schlimme Lage gänzlich vergaß. »Jetzt kannst du schießen, Karl,« rief er, »der greuliche Kobold bietet dir die Brust dar!«

      Und das Pulver blitzte, der Schall zog donnergleich zwischen den dichten Stämmen dahin, das getroffene Tier lag, immer noch bellend, am Boden, aber nach kurzer Zeit hatte es zu leben aufgehört. Jetzt konnte die innere Höhlung des Baumes gereinigt werden; trocknes Reis diente als Besen, Scharen von Käfern und Spinnen, selbst kleinere Vögel und ein Paar Eidechsen mußten das Feld räumen; aus einer in einem hohlen Ast verborgenen Ecke flog schwerfällig und erschreckt eine Eule heraus, und als letzter der vertriebenen Bewohner wurde ein zusammengerollter Igel vorsichtig entfernt; dann war die Festung erobert, die Sieger konnten ihre Wolldecken auf dem Boden ausbreiten und sich für die Nacht häuslich einrichten. Draußen mahnte indessen das sinkende Tagesgestirn zur Eile, man mußte noch so viel als möglich von den aufgestapelten, am Lagerplatz zurückgelassenen Mundvorräten in Sicherheit bringen und auch etwas Wasser zu erlangen suchen, jedenfalls aber den getöteten Affen vom Eingang der Höhle entfernen, um nicht durch die Leiche den Raubtieren verraten zu werden.

      Beide jungen Leute gingen zu der Stelle zurück, wo am Morgen die verhängnisvolle Trennung stattgefunden hatte, und obwohl sich einer wie der andere bemühte, äußerlich ruhig zu erscheinen, so wurden doch beide von einem gleich wehmütigen, niederdrückenden Gefühl erfaßt. Nun galt es, von dieser Stelle Abschied zu nehmen, die überzähligen Waffen und nicht fortzubringenden Lebensmittel ihrem Schicksal zu überlassen und so gewissermaßen ein letztes, unsichtbares Band zwischen ihnen selbst und den Verlorenen zu durchschneiden. Aber es mußte geschehen, jedes Zögern konnte ein Todesurteil werden. Wenn ihre Rückkehr in die schützende Höhlung des Baumes sich verspätete, wenn vor ihnen ein Löwe oder Gorilla davon Besitz nahm, – was dann? Für diese Nacht ließ sich an keine Wanderung durch den pfadlosen Urwald mehr denken, dazu waren beide viel zu ermüdet, viel zu ruhebedürftig und abgespannt, sie mußten in dem todbringenden afrikanischen Klima zuerst und zunächst ihre Kräfte schonen, mußten alles vermeiden, was möglicherweise ein Erkranken herbeiführen konnte, da sonst jede Hoffnung auf ein glückliches Entkommen aus der Wildnis von vorn herein abgeschnitten gewesen wäre.

      Um den toten Löwen hatte sich eine Schar von beutelustigen kleineren Tieren versammelt, sogar mehrere scheublickende Hyänen flüchteten in den Schutz des Dickichts zurück, und Raubvögel flogen schwirrend empor; der König der Wälder war zerrissen und zernagt, sein Fell hing in Streifen herab, sein Blut färbte den Rasen. – Holm beeilte sich, den Knaben von hier fortzubringen, er wußte nur allzuwohl, daß weiterhin der Leiche des getöteten Negers von dem Raubgesindel gerade ebenso mitgespielt sein würde, weshalb aber sollte Hans auch diesen trostlosen Anblick mit in den Schlaf hinübernehmen? »Rasch,« ermahnte er, »auf Wasser müssen wir wohl verzichten, mein Junge, oder wenigstens bleibst du in der Höhle, während ich ausgehe, um die Quelle zu finden. Nimm diese Weinflaschen, den Zwieback, das Fleisch, – so, so, Hänschen das übrige bleibt in Gottes Namen liegen, da wir es unter keiner Bedingung forttragen könnten. Ist einmal das Dorf der Bonny wieder erreicht, dann begleiten uns neuangeworbene Leute, und der Streifzug beginnt abermals, wenn auch anders und schneller. Die Unsrigen sind wahrscheinlich Gefangene der Bonnys, weshalb denn die Verständigung ganz leicht werden wird.«

      Hans antwortete nicht, es war ihm so sonderbar eng ums Herz, er konnte kein Wort herausbringen. Der helle Tag läßt ja jede Befürchtung, jede Unruhe leichter ertragen, die Abendschatten dagegen fallen wie Fesseln auf die Seele, im Dunkel erscheint alles Schlimme und Beängstigende doppelt quälend, doppelt schwer. Ohne zu sprechen gingen die jungen Leute schnellen Schrittes zum erwählten Nachtquartier zurück. Holm schaffte den toten Affen beiseite, holte Wasser aus einer in der Nähe vorüberfließenden Quelle und entzündete, als es gänzlich finster geworden war, eine der mitgebrachten Wachskerzen. Das Auge fand jetzt ein malerisches, nie gesehenes Schauspiel. In halben Windungen, hier enger und dort weit offen, erstreckte sich die Höhlung bis in die obersten Zweige des Baumes; keineswegs jedoch waren ihre Wände überall dicht und verschlossen, im Gegenteil sah hier und da funkelnd ein Sternchen vom hohen Himmel in das seltsame Nachtquartier der beiden jungen Leute hinein; Vögel und Fledermäuse huschten über ihre Köpfe hinweg, ziehende Schatten verhüllten die höchsten Spitzen, und je zuweilen unterbrach plötzlich eine fremdartig klingende Stimme erschreckend die Stille der anbrechenden Nacht.

      »Den Eingang können wir nicht verschließen,« meinte Holm, »daher muß einer von uns wachen, während der andere schläft. Lege dich hin, Hänschen, und sei völlig ohne Sorgen, hörst du?«

      Der