Das Naturforscherschiff. Sophie Worishoffer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sophie Worishoffer
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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unangenehme Gemisch vor ihnen gab es in dem Negerdorf nicht, was blieb daher übrig, als zur Unglücksstätte zurückzufahren und ein tüchtiges Stück Fleisch des erlegten Dickhäuters herbeizuholen? Gedacht, getan! Zwei Matrosen mit den Knaben ruderten wieder stromauf, während die beiden anderen bei den durchnäßten Gewehren Wache hielten und dieselben so gut als es ging von dem eingedrungenen Wasser reinigten. Als die Abgesandten mit einem tüchtigen Braten beladen wieder anlangten, wurde ein starkes Feuer entzündet, Pfefferkörner und Salz mit einigen frischen Lorbeerblättern, einer Zwiebel und einer Menge grüner Bohnen, die reichlich rings umher wuchsen, zum Feuer gesetzt und das abgewaschene Fleisch hinzugetan. Ein Matrose spielte den Koch und gab ganz ernsthaft den übrigen seine Befehle. »Sie, junger Herr, pflücken Sie gefälligst ein paar reife Melonen, die ich dort in großer Menge wachsen sehe, und Sie, besorgen Sie für die Gesellschaft einige Teller! Flache Steine wären mir aber bei meiner armen Seele lieber als Blätter, denn ob das Fleisch sehr mürbe werden wird, steht einstweilen noch dahin, – wir müssen es vielleicht nachdrücklich mit dem Messer bearbeiten. So, jetzt wäre die Hauptsache getan. Im Fall es ein Schweinebraten sein sollte, müssen wir uns Zwiebel und Lorbeer, im Fall es ein Pferdebraten ist, die Bohnen hinwegdenken. Ein weiser Haushalter bereitet sich vor auf alle etwa eintretenden Verhältnisse, und wer noch keinen Hippopotamus verspeisen half, der kann nicht wissen, wie er schmeckt. Ich habe gesprochen!«

      Die übrigen lachten. Wie der helläugige, spitzbübisch lächelnde Sohn Hammonias mit untergeschlagenen Beinen, den Eisenlöffel in der Hand, vorm Feuer saß und Befehle gab, die alle sofort befolgt wurden, da schwand aus den Herzen der letzte Schatten des Unbehagens, Franz pflückte Beeren und Früchte verschiedenster Art, Hans sammelte Nüsse für den Nachtisch, ein Matrose zerrieb zwischen zwei Steinen die reifen Maiskörner, um Mehl für einige Klöße zu gewinnen, und der letzte suchte die nötigen Teller zusammen, welche dann im Flusse erst einer gründlichen Reinigung unterzogen wurden.

      Als Franz zur Feuerstelle zurückkehrte, hob der Matrose den Deckel vom Topf. »Nun, junger Herr, wonach riecht‘s?«

      Franz beugte sich über die wallenden Dampfwolken. »Nach etwas außerordentlich Gutem, Maat! Ich glaube, es wird ein Schweinebraten!«

      Er nahm mit dem Taschenmesser eine Bohne aus dem brodelnden Gemisch heraus und aß sie mit Behagen. »Noch nicht gar,« erklärte er, »aber sehr schön schmeckend. Ob wohl diese schwarzen Menschen gar keine Gemüse essen?«

      »Das wollen wir gleich sehen.« Und der Koch nahm aus dem Gefäß einen Löffel voll Bohnen, den er zierlich gegen eine der anwesenden Frauen vorstreckte. »Diese ehrenwerte Madame oder das gnädige Fräulein – man weiß hier nicht so recht, wie es mit den Titeln steht – hat schon seit einer Stunde heimlich die Heuschreckenpastete benascht,« sagte er, »immer wenn ich zur Seite sehe, schwebt so ein unglücklicher Grashüpfer zwischen den schwarzen Fingern und den greulichen, spitzgefeilten Zähnen, die edle Dame muß also einen gewaltigen Hunger im Kamisol haben. Don‘t schenir you!«

      Mit dieser letzteren, aus englisch und deutsch in freier Bearbeitung zusammengesetzten Ermunterung bot er der Negerin den Inhalt des Löffels, aber eine hastige, abwehrende Antwort, nur dem Tone nach verständlich, schallte ihm entgegen. Die Schwarze wandte sich schaudernd ab.

      Der Matrose zuckte die Achseln. »Kann dir nicht helfen, meine Schöne,« sagte er, »es kommt im Leben allemal auf den Geschmack an. Was tut ihr denn aber mit den Bohnen, he?«

      Die Frau mochte den Sinn dieser Frage verstehen. Sie nahm aus einer Ecke der Hütte anstatt aller Antwort eine Handvoll trockner Bohnen und warf sie den Hühnern vor.

      »Dazu?« nickte der Matrose. »Würde übrigens den guten Eierspenderinnen lieber die Heuschrecken überlassen und die Bohnen selbst behalten. Aber – chacun à son känguruh, wie, glaube ich, die Franzosen sagen. – Junger Herr, wollen Sie jetzt zu Tische rufen?«

      Laut lachend sprang Franz davon und wandte sich der anderen Seite des Dorfes zu, wo mittlerweile sein alter Erzieher in mehrstündigem Schlaf die Folgen des unvermuteten Bades überstanden hatte. Der würdige Gelehrte steckte bis über die Schultern in einem Haufen von angenehm duftenden, trocknen Farnkräutern, auf dem auch sein Haupt einen behaglichen Ruhepunkt gefunden. Seine Kleider schaukelten an den nächsten Baumstämmen.

      Die ohnehin durch das Französisch des Matrosen erregte Heiterkeit schwoll bei diesem Anblick in der Seele des Knaben bis zum lauten, jubelnden Ausbruch. Er warf sich lachend neben dem seltsamen Blätterlager auf die Kniee und küßte seinen väterlichen Freund der so nahe, so nahe an den Pforten des Todes dennoch dem Leben glücklich erhalten worden war. »Wir wollten bei Ihnen bleiben, Herr Doktor,« sagte er herzlich, »aber Karl schickte uns fort, Hans und mich.«

      »Daran tat er sehr recht,« antwortete lächelnd der alte Herr. »Es war für euch besser, das kaltgewordene Zeug laufend und springend zu trocknen, als hier zu sitzen und mich schlafen zu sehen. Das Flußpferd hätte mir übrigens um ein Haar den Garaus gemacht, ich stürzte kopfüber in ein undurchdringliches Gewirre von Pflanzenfasern, wollte mich herausarbeiten und geriet immer tiefer hinein, bis ich das Bewußtsein verlor. Die Neger müssen gerade diese gefahrbringende Stelle gekannt haben, sonst würde ich nimmer gefunden worden sein.«

      »Sie sind alle wieder zu den erlegten Tieren zurückgekehrt,« berichtete Franz. »Es scheint, als ob sie den Uralten ihrer Flüsse jetzt auch nicht eher aus den Augen lassen wollen, bis er in hundert Stücke zerlegt und seine Wiederkehr unmöglich geworden ist.«

      »Jetzt laßt uns nur eilen, um erst einmal tüchtig zu essen,« riet Holm. »Nachher zeige ich euch am Ufer ein Schauspiel, das allerdings nicht großartig, aber höchst komisch ist. Hier, Herr Doktor, Ihre Garderobe, – es scheint alles ziemlich trocken.«

      Franz half seinem Erzieher, der sich doch immer noch etwas matt fühlte, und dann wanderten die drei bis zu der Stelle, wo eben die letzten, kugelrunden, von den derben Fäusten des Matrosen gedrehten Klöße gar geworden waren, und wo das fertige Gericht im Topfe dampfte. Freilich beanspruchte das Fleisch recht gesunde Zähne, hatten die Klöße eine gewisse unleugbare Ähnlichkeit mit Bleikugeln, und waren die grünen Bohnen zu Brei zerkocht, aber dennoch aßen alle mit dem besten Appetit und bedauerten nur, den Wilden keinerlei Geschenke machen zu können. Als die Negerboote, beladen mit Jagdbeute, zurückkehrten, und jetzt das ganze Dorf erfuhr, welche Heldentat die Fremdlinge verübt, da war der Bewunderung und des Jubels gar kein Ende. Ein Schwarzer mit einem seltsam geformten, aus Bambus angefertigten Instrument begleitete spielend und tanzend die Gäste, wohin sie gingen, und Frauen und Kinder warfen sich mit den Gesichtern in den Sand.

      Durch den Matrosen, welcher ihre Sprache verstand, wurde ihnen ein reiches Geschenk zugesichert, und dann machten die Deutschen am Flußufer in der unmittelbaren Nähe der Niederlassung noch einen kleinen Spaziergang. Weit hinein in den Wald durften sie sich ja ohne alle Waffen nicht wagen.

      »Kommt hierher,« erinnerte Holm, »ich wollte euch etwas zeigen.« Er führte die übrigen zu einer Stelle, an welcher der Fluß ein breites, sandiges, ganz flaches Ufer besaß. Dort hatten sich Tausende von Krabben, – die kleinen Soldatenkrabben – eine neben der anderen aufgepflanzt und brachten den Sand mit ihren Scheren zum Munde. Es sah aus, als verzehrten sie die wenig einladende Speise, in der Tat aber sogen sie die darin enthaltenen tierischen Stoffe nur heraus, um ihn dann wieder fallen zu lassen. Ein klingendes, leises Geräusch, aus dem Erdboden herauftönend und wie fernes, leichtes Singen die Luft erfüllend, bezeichnete den Ort als Hauptansiedelung des Krabbengeschlechtes, deren größere Arten in unterirdischen Höhlen wohnen und dort ihre Konzerte aufführen.

      Unsere Freunde verhielten sich lautlos, denn bei der geringsten Bewegung tauchten die Krabben in ihre Löcher hinein und verschwanden auf diese Weise buchstäblich bis in den Erdboden, – da bewegten sich unvermutet die niederen Gebüsche zur Seite des Strandes, und ein schwarzer Rüssel streckte sich vor. Kleine, verschmitzte Augen übersahen die freie Fläche, ein leichtes Grunzen wurde hörbar und eine Familie von Warzenschweinen, Papa und Mama mit acht Sprößlingen, erschien in Geschwindigkeit auf der Szene. Das Krabbenkonzert verstummte wie durch Zauberei, die kleinen Soldatenkrabben waren im Handumdrehen verschwunden, und die Schweine schienen um ihre gehoffte Beute betrogen zu sein. Dem war aber nicht so! Die Schlauheit des kleinen Gegners vollkommen würdigend, begannen die Räuber mit ihren plumpen Rüsseln den