Der Majordomo war der Kavalkade vorangeritten, um sie anzumelden. Darum stand, als die Reiter an der Estanzia anlangten, der alte Pedro Arbellez bereits unter dem Tor, um seine Tochter und deren Begleiter zu begrüßen.
Tränen der Freude schimmerten in seinen Augen, als er Emma vom Pferd hob.
»Sei willkommen, mein Kind«, sagte er. »Du mußt auf dieser gefährlichen Reise viel gelitten haben, denn du siehst sehr angestrengt aus.«
Sie umarmte und küßte ihn innig und antwortete:
»Ja, mein Vater, ich war in einer Gefahr, die größer ist als Lebensgefahr.« – »O Gott, in welcher?« fragte er, indem er auch die Indianerin freundlich bewillkommnete. – »Wir wurden von den Komantschen gefangen.« – »Heilige Mutter Gottes! Sind die jetzt am Rio Pecos?« – »Ja. Hier diese beiden Männer sind unsere Retter.«
Emma nahm den Deutschen und den Apachen bei der Hand und führte sie dem Vater zu.
»Dieser hier ist Señor Antonio Helmers aus Deutschland, und dieser ist Shoshinliett, der Häuptling der Apachen. Ohne sie hätte ich die Squaw eines Komantschen werden müssen, und die anderen hätte man am Pfahl zu Tode gemartert.«
Dem alten, braven Verwalter trat schon bei dem Gedanken daran der Angstschweiß auf die Stirn.
»Mein Gott, welch ein Unglück, und doch zugleich auch wieder welch ein Glück!« sagte er. »Willkommen Señores, von ganzem Herzen willkommen! Ihr sollt mir alles erzählen, und dann will ich sehen, wie ich Euch dankbar sein kann. Kommt herein und seid die Herren dieses Hauses!«
Das war ein sehr freundlicher und liebenswürdiger Empfang. Überhaupt machte der Anblick des alten Mannes den Eindruck der Ehrlichkeit und Biederkeit, man mußte ihn sofort liebhaben.
Die Gäste kamen durch das Palisadentor, übergaben ihre Pferde einigen Knechten und traten in das Gebäude; während der Majordomo mit den Vaqueros in dem Vorraum zurückgeblieben war, führte der Haziendero die beiden anderen mit den Damen nach dem Empfangszimmer, wo Platz genommen wurde, bis Emma in großen Umrissen ihr Abenteuer berichtet hatte.
»Mein Jesus«, klagte der Haziendero, »was müßt ihr gelitten haben, ihr beiden Mädchen! Aber Gott hat diese beiden Señores gesandt, um euch zu retten. Ihm und ihnen sei Dank gesagt. Was wird der Graf und was wird Tecalto sagen, wenn sie es hören!« – »Tecalto?« fragte die Indianerin. »Ist Büffelstirn, mein Bruder, da?« – »Ja, er ist gestern angekommen.« – »Und der Graf auch?« fragte Emma. – »Ja, bereits eine Woche. Ah, da ist er!«
Die Tür zu dem nebenan liegenden Speisesaal öffnete sich, und Graf Alfonzo trat heraus. Er trug einen rotseidenen, persisch in Gold gestickten Schlafrock, eine Hose vom feinsten weißen, französischen Linnen, blaue Samthausschuhe und einen türkischen Fez auf dem Kopf. Er verbreitete einen solchen Duft um sich, daß man hätte meinen können, in einer Parfümeriehandlung zu sein. Die offengebliebene Tür erlaubte, einen Blick in den Speisesalon zu tun. Die Ausschmückung desselben war mehr als fein, war luxuriös, und an der Serviette, die der Graf in der Hand trug, bemerkte man, daß er beschäftigt gewesen war, in den Genüssen und Delikatessen Mexikos zu schwelgen.
»Man nannte meinen Namen«, sagte er. »Ah, die schönen Damen sind es! Glücklich wieder zurückgekehrt, Señoritas?«
Bei seinem Anblick war die Indianerin blutrot geworden, was dem scharfen Auge des Apachen nicht entging; Emma aber blieb sich vollständig gleich. Sie antwortete kalt, wenn auch höflich:
»Wie Sie sehen, Graf. Bald wären wir nicht wieder zurückgekehrt. Und doch war es nur ein kleiner Unfall, der uns betraf. Die Komantschen nahmen uns nämlich ein wenig gefangen.« – »Donnerwetter!« rief er. »Ich werde sie züchtigen lassen!« – »Das wird nicht sehr leicht sein«, erwiderte Emma spöttisch. »Übrigens sind wir ja davongekommen, hier unsere Lebensretter.«
Der Graf trat einige Schritte zurück, setzte den Zwicker auf die Nase, betrachtete die beiden »Retter«, zog ein sehr enttäuschtes Gesicht und fragte:
»Wer sind diese Leute?« – »Dieser hier ist Señor Helmers aus Deutschland, und der andere ist Bärenherz, der Häuptling der Apachen.« – »Ah, ein Deutscher und ein Apache. Das gehört allerdings zusammen. Wann reisen diese Señores wieder ab? Doch sogleich?« – »Sie sind meine Gäste und werden bleiben, so lange es ihnen beliebt«, entgegnete der Haziendero. – »Aber, Arbellez, wo denkt Ihr hin!« rief da der Graf. »Seht Euch diese Männer an. Ich und sie unter einem Dach! Sie riechen nach Wald und Sumpf. Ich würde sofort abreisen!«
Der Haziendero richtete sich auf. Sein Auge flammte vor Zorn.
»Ich kann Ew. Erlaucht nicht halten«, versetzte er. »Diese Señores haben das Leben und das Glück meines Kindes gerettet und sind mir hochwillkommen.« – »Ah! Ihr widersprecht mir?« rief der Graf. – »Ja«, antwortete Arbellez fest. – »Wißt Ihr, daß ich hier der Gebieter bin?« – »Das weiß ich nicht.« – »Nicht?« zischte Alfonzo. »Wer sonst?« – »Graf Ferdinando. Ihr seid hier nur als Gast anwesend. Übrigens hätte selbst Graf Ferdinando keine Stimme in dieser Angelegenheit. Ich bin Pächter auf Lebenszeit. Wer will mir befehlen, wen ich bei mir empfangen soll oder nicht?« – »Verdammt, das ist stark.« – »Nein, stark war mir Ihre Unhöflichkeit und Rücksichtslosigkeit gegen meine Gäste. Wenn Ihnen schon der Wald- und Sumpfgeruch nicht angenehm ist, von dem ich allerdings ganz und gar nichts merke, so weiß ich wirklich nicht, ob diese Señores nicht Ihre Parfüms auffällig finden, die ich recht gut bemerke. Ich werde meine Gäste jetzt in den Speisesaal führen und überlasse es Ihnen, weiterzuspeisen oder nicht.«
Damit öffnete der Haziendero die Tür des Saales noch weiter und bat die beiden mit der höflichsten Verbeugung, Zutritt zu nehmen. Der Indianer hatte teilnahmslos dagestanden; kein Blick seines Auges hatte den Grafen getroffen, und fast schien es, als ob er auch kein Wort desselben verstanden habe. Er schritt stolz und wortlos in den Saal. Helmers dagegen wandte sich zuvor zum Grafen:
»Sie sind Graf Alfonzo de Rodriganda?« – »Ja«, antwortete der Gefragte erstaunt, daß ihn der Jäger anzureden wagte. – »So. Señor Arbellez hatte vergessen, Sie auch uns vorzustellen. Sie sind gefordert. Was wählen Sie, Degen, Pistolen oder Kugelbüchsen?« – »Sie wollen sich mit mir schlagen?« fragte der Graf viel erstaunter als vorher. – »Versteht sich. Hätten Sie mich draußen vor der Hazienda beleidigt, so hätte ich Sie niedergeschlagen wie einen dummen Jungen; da es aber unter dem Dach meines Gastfreundes geschah, so nahm ich Rücksicht auf ihn und auf die Gegenwart dieser Damen. Nun ich jedoch höre, daß Sie in diesem Haus eigentlich keinen Pfifferling gelten, so biete ich Ihnen die Wahl der Waffen an.« – »Schlagen? Mit Euch? Gott, wer seid Ihr denn? Ein Jäger, ein Herumläufer! Pah!« – »Also nicht? So seid Ihr ein Lump, ein Feigling, ein ganz erbärmlicher Wicht! Laßt Ihr auch diese Prädikate auf Euch sitzen, so seid Ihr gerichtet auf alle Zeit. Tut, was Euch beliebt!«
Helmers schritt dem Apachen nach. Der Graf stand ganz perplex da.
»Arbellez, das leidet Ihr?« fragte er den Haziendero. – »Wenn Ihr es leidet!« antwortete dieser. »Komm, Emma, komm, Karja. Unser Platz ist da drinnen bei den Ehrenmännern.« – »Ah, welche Niederträchtigkeit! Das werde ich Euch eintränken, Arbellez.« – »Versucht es!«
Der wackere Alte ging in den Saal, die beiden Damen mit ihm. Als jedoch Emma an dem Grafen vorüberschritt, sagte sie mit verächtlich gekräuselten Lippen und funkelnden Augen:
»Das war niederträchtig, das war armselig!«
Die Indianerin folgte ihr mit niedergeschlagenen Augen, es widerstrebte ihr, den Geliebten zu verachten, und dennoch konnte sie ihm nicht in das Gesicht sehen. Graf Alfonzo blieb stehen und kehrte nicht wieder nach dem Saal zurück. Er warf die Serviette zu Boden, stampfte mit den Füßen und knirschte:
»Das sollt Ihr mir büßen, und bald, bald, bald!«
Nach dieser ohnmächtigen Zornesäußerung suchte er sein Zimmer auf.
Die anderen