In den Schluchten des Balkan. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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aber bin ich überzeugt, dieses Recht zu haben!«

      »Hat dich der Färber Boschak nicht eines Besseren belehrt?«

      »Ich war noch nicht bei ihm.«

      »Warum nicht? Warum zauderst du? Es muß jetzt weit über Mittag sein. Du hast längst Zeit gehabt, nach Dschnibaschlü zu gehen.«

      »Du irrst. Es ist noch nicht so weit, wie du denkst. Aber ich werde mich sogleich aufmachen. Also du behauptest, daß er dich kennt?«

      »Ja. Frage nur nach dem Agenten Pimosa.«

      »Weiß er, daß du jetzt nicht in Edreneh gewesen bist?«

      »Ja. Er wird, wenn du ihn fragst, bezeugen, daß ich während der letzten Tage in Mandra und Boldschibak gewesen bin.«

      »Wie will er das wissen?«

      Er zögerte, zu antworten, und sagte erst nach einer Pause:

      »Das wirst du von ihm selbst hören.«

      »Ich möchte es aber noch lieber gleich jetzt von dir erfahren.«

      »Wozu denn?«

      »Es ist das die beste Weise, mein Mißtrauen zu bekämpfen.«

      »Das sehe ich nicht ein!«

      »Muß ich dir vielleicht vorher eine Erklärung geben? Du schweigst, weil du verhüten willst, daß seine Aussage der deinigen widerspricht. Also sage mir, ob er vielleicht mit dir an jenen beiden Orten gewesen ist.«

      »Das habe ich nicht nötig. Gehe hin, und frage ihn selbst!«

      »Es scheint, daß du dir deine Lage nicht verbessern willst. Was habe ich denn eigentlich für eine Ursache, zu diesem Boschak zu gehen? Gar keine!«

      »Ich verlange es aber, damit du meine Unschuld erkennst.«

      »Wärst du schuldlos, so würdest du selbst mir die geforderte Auskunft erteilen.«

      »Du sollst ihm sagen, daß ich mich hier befinde.«

      »Damit er dich aus diesem Keller holt? Glaubst du, daß meine Dummheit größer als deine Klugheit sei? Um aber alle Vorwürfe zu vermeiden, werde ich zu dem Färber gehen. Vielleicht erfahre ich bei ihm ganz das Gegenteil von dem, was er nach deinem Wunsche mir sagen soll. Hast du Hunger?«

      »Nein.«

      »Oder willst du trinken?«

      »Nein. Noch lieber will ich verschmachten als von solchen Menschen, wie ihr seid, einen Tropfen Wasser annehmen!«

      »Ganz nach deinem Belieben!«

      Ich machte Anstalt, wieder emporzusteigen; da sagte er in barschem Tone:

      »Ich verlange, daß ihr mir die Fesseln abnehmt!«

      »Von Menschen, welche nicht wert sind, dir einen Tropfen Wasser anzubieten, kannst du das doch nicht verlangen.«

      »Sie tun mir weh!«

      »Das schadet nichts! Der Durst tut auch weh, und dennoch willst du ihn ertragen, um nur von uns nichts empfangen zu müssen. Uebrigens weiß ich sehr genau, daß dir die Fesseln keine Schmerzen verursachen. Der Prophet sagt: Wenn du in Leiden fällst, so bedenke, daß es meist nicht Allahs Wille, sondern nur der deinige gewesen ist. Denke an dieses Wort, bis ich zurückkehre!«

      Er zog es vor, sich nun in Schweigen zu hüllen.

      Der Schmied hatte die Zeit dazu benutzt, mir mein Pferd vorzuführen. Er brachte zugleich dasjenige des Gefangenen mit.

      »Willst du wirklich den Meinigen entgegen reiten?« fragte ich.

      »Wenn du es erlaubst, Effendi, ja!«

      »Meinest du, daß deine Gegenwart hier nicht nötig sein werde?«

      »Meine Frau ist da. Sie wird den Gefangenen bewachen.«

      »Man weiß nicht, was sich während unserer Abwesenheit ereignen kann!«

      »Was soll sich ereignen? Ich halte es für notwendig, daß deine Leute erfahren, wo du dich befindest, und daß du auf sie wartest. Ich reite nur bis Dere-Kiöj: finde ich sie da nicht, so kehre ich zurück!«

      »Ihr könnt euch umreiten.«

      »Meine Frau wird dafür sorgen, daß sie hier nicht vorüberkommen, ohne einzukehren.«

      »Nun, wie du willst! Auch hat sie vor allem dafür zu sorgen, daß kein Mensch erfährt, wir hätten einen Mann im Keller.«

      Die Frau hatte bei uns gestanden und alles gehört.

      »Effendi, reite ohne Sorge nach Dschnibaschlü,« sagte sie. »Es wird alles so sein, als ob du selbst dich hier befändest.«

      Auf diese Versicherung hin bestieg ich das Pferd. Es kam mir der Gedanke, die Gewehre zurück zu lassen, um leichter zu sein; doch waren sie mir zu wertvoll, als daß ich sie hätte in Gefahr bringen mögen. Es gab in diesem Hause keinen Ort, der ein sicheres Versteck bieten konnte. Also nahm ich sie mit.

      Das Dorf lag nicht weit von der Schmiede. Es war nicht groß, ich kam also schnell hindurch. Dann ging‘s über die Brücke und links um nach Südost, nicht, wie der Schmied gesagt hatte, nach Süden zu.

      Ich passierte einige Maisfelder, dann Weideland und kam nun an unbebautes Land. Einen eigentlichen Weg gab es nicht. Jeder läuft, fährt oder reitet hier, wie es ihm beliebt. Darum wunderte ich mich nicht, als ich zu meiner Rechten, in ziemlicher Entfernung von mir, einen Reiter auftauchen sah, welcher dieselbe Richtung zu verfolgen schien. Auch er bemerkte mich und hielt nun nach mir herüber.

      Als er näher herangekommen war, beobachtete er mich und schien nicht ins klare kommen zu können; dann faßte er einen schnellen Entschluß und kam im Trabe ganz heran.

      »Ssabahhak bilcheer – guten Morgen!« grüßte er mich, zu meinem Erstaunen in schönstem arabisch.

      »Allah jußabbihak bilcheer – Gott gebe dir einen guten Morgen!« antwortete ich in freundlicher Weise.

      Der Reiter gefiel mir nämlich. Er gehörte jedenfalls nicht zu den reichen Leuten. Sein Pferd war keine zweihundert und fünfzig Mark wert, und er trug eine fast ärmliche Kleidung; aber diese Kleidung zeugte von einer hier in dieser Gegend ungewöhnlichen Sauberkeit, und das Pferd war, wenn auch nicht üppig genährt, doch sehr gut gehalten. Der Striegel und die Kardätsche mußten wohl den Mangel von Haferüberfluß ersetzen. Dies macht auf den Pferdefreund stets einen guten Eindruck. Uebrigens war der junge Mann sehr schön gewachsen, und sein von einem wohlgepflegten Schnurrbart geziertes Gesicht hatte einen so offenen, ehrlichen Ausdruck, daß ich mich keineswegs darüber ärgerte, den Gang meiner Gedanken durch ihn unterbrochen zu sehen.

      »Sie sprechen arabisch?« fuhr er fort, indem er durch ein befriedigtes Nicken zu erkennen gab, daß er sich freue, mich richtig beurteilt zu haben.

      »Gewiß, sehr gern sogar.«

      »Wollen Sie die Güte haben, mir zu sagen, woher Sie kommen?«

      »Von Koschikawak.«

      »Ich danke schön!«

      »Wollen Sie vielleicht mit mir kommen?«

      »Ich werde Ihnen dafür sehr verbunden sein!«

      Das war eine recht herzgewinnende Höflichkeit. Ich fragte ihn nun, wie er auf den Gedanken gekommen sei, mich arabisch anzureden. Er deutete, indem seine Augen blitzten, auf mein Pferd und antwortete:

      »So einen Nedschi kann nur ein Araber reiten. Das ist ein echter Wüstenhengst! Bei Allah! Rote Nüstern! So ist die Mutter wohl gar eine Kohelistute gewesen?«

      »Sie haben ein gutes Auge. Der Stammbaum weist allerdings nach, daß Sie recht haben.«

      »Sie glücklicher und Sie reicher Mann! Die Hufe und die Fesseln zeigen, daß dieses Pferd nicht in der Sand-, sondern in der Steinwüste geboren wurde.«

      »Auch das ist richtig. Ist die hiesige Gegend Ihre Heimat?«

      »Ja.«

      »Wie kommen Sie da zu diesem Scharfblick für arabische Pferde?«

      »Ich