»Ich fürchte mich nicht.«
»Auch vor dem da nicht?«
Er zog ein Dolchmesser hervor und hielt es ihm entgegen.
»Nein, auch vor diesem Messer nicht. Ich bin nicht allein.«
Ich war an die Oeffnung des Weidengeflechtes, welche als Türe diente, getreten. Bei den letzten Worten zeigte der Schmied auf mich. Der Fremde drehte sich um, erblickte mich und rief:
»Das ist des Teufels!«
Er sah höchst erschrocken aus, und auch ich war überrascht, denn ich erkannte in ihm jenen Menschen, der mich so eigentümlich beobachtet hatte, als ich mit dem »Tanzenden« durch die Straßen von Edreneh gekommen war. Er hatte den Ausruf in walachischer Sprache getan. War er ein Walache? In so unbewachten Augenblicken pflegt der Bestürzte sich gewöhnlich seiner Muttersprache zu bedienen.
Ich mußte das, was der Schmied verdorben hatte, wieder gut zu machen suchen. Er hätte gar nicht verraten sollen, was er von ihm wußte. Er mußte dessen Fragen abwarten; dann erst war es Zeit, sich zu äußern.
»Das ist nur zu wahr,« antwortete ich auch rumänisch. »Du bist des Teufels!«
Er faßte sich, steckte das Messer, mit welchem er dem Schmiede gedroht hatte, wieder zu sich und sagte:
»Was willst du? Ich kenne dich nicht!«
»Das ist auch nicht notwendig. Die Hauptsache ist, daß ich dich kenne, mein Bursche!«
Er machte ein ganz erstauntes Gesicht, schüttelte den Kopf und meinte im Tone aufrichtigster Beteuerung:
»Ich kenne dich nicht! Gott ist mein Zeuge!«
»Lästere Gott nicht! Er ist Zeuge, daß du mich gesehen hast!«
»Wo denn?«
»In Edreneh.«
»Wann?«
»Pah! Kannst du türkisch sprechen?«
»Ja.«
»So laß dein Rumänisch jetzt. Dieser brave Schmied soll auch hören und verstehen, was wir reden. Du gestehst doch zu, daß du anwesend warst, als Barud el Amasat in Edreneh verurteilt wurde, weil er gegen das Gesetz gesündigt hatte?«
»Ich war nicht dabei, und ich weiß von nichts.«
Ich hatte ihn allerdings nicht unter den Zuschauern gesehen. Darum mußte ich seine Versicherung ohne Entgegnung hinnehmen. Doch fragte ich weiter:
»Du kennst aber Barud el Amasat?«
»Nein.«
»Auch nicht seinen Sohn Ali Manach?«
»Nein.«
»Warum erschrakst du so sehr, als du ihn als meinen Gefangenen erblicktest?«
»Ich habe weder dich, noch ihn gesehen.«
»Ah so! Du kennst wohl auch nicht den Handschia Doxati in Edreneh?«
»Nein.«
»Und bist auch nicht sofort, nachdem du mich und Ali Manach gesehen hattest, fortgeeilt, um deine und seine Verbündeten zu warnen?«
»Ich begreife nicht, wie du mir solche Fragen vorlegen kannst. Ich sage dir, daß ich von dem allem nicht das Geringste weiß!«
»Und ich sage dir, daß du von der Flucht des Gefangenen weißt, daß du schuld bist an dem Tode Ali Manachs, daß du aber nicht dafür kannst, daß die andere Kugel den Kawassen traf anstatt mich, und daß du dich jetzt auf dem Wege befindest, Manach el Barscha und Barud el Amasat zu warnen. Das alles weiß ich ganz genau.«
»Und dennoch irrst du dich. Du verkennst mich. Wo soll denn das, was du sprichst, geschehen sein? Wie ich aus deinen Reden vermute, in Edreneh?«
»Ja.«
»Und zwar vor kurzem? So wisse, daß ich seit mehr als einem Jahre nicht in Edreneh gewesen bin.«
»Du bist ein großer Lügner! Wo warst du in den letzten Tagen?«
»In Mandra.«
»Woher kommst du heute?«
»Aus Boldschibak, wo ich schon seit gestern früh gewesen bin.«
»In Mandra an der Maritza warst du? Hm, ja, an der Maritza bist du gewesen, aber eine bedeutende Strecke oberhalb Mandra, nämlich in Edreneh.«
»Soll ich schwören, daß du dich irrst?«
»Dein Schwur würde ein Meineid sein. Liegt Bu-kiöj etwa auf dem Wege von Mandra über Boldschibak nach hier?«
»Bu-kiöj? Das kenne ich nicht.«
»Du warst nicht dort?«
»Nein.«
»Du hast keinen der dortigen Einwohner nach drei Reitern gefragt, welche zwei Schimmel und einen Braunen ritten?«
»Nein.«
»Dieser Mann hat dich nicht zum Wächter gewiesen, der dich dann zum Kiaja führte?«
»Nein.«
»Wunderbar! Wir alle irren uns, nur du irrst dich nicht. Du mußt doch bedeutend klüger sein, als wir. Willst du mir vielleicht sagen, was du bist?«
»Ich bin Agent.«
»In welchem Fache?«
»Für alles.«
»Und wie heißt du?«
»Mein Name ist Pimosa.«
»Ein eigentümlicher Name. Ich habe ihn noch in keiner Sprache gefunden. Hast du ihn dir vielleicht ausgesonnen?«
Da zogen sich seine Brauen drohend zusammen.
»Herr,« fragte er, »wer gibt dir das Recht, in dieser Weise mit mir zu sprechen?«
»Ich gebe es mir!«
Und der Schmied fügte hinzu:
»Das ist nämlich der Effendi, von dem ich vorhin gesprochen habe.«
»Ich merke es,« antwortete er. »Aber er mag ein Effendi aller Effendis sein, so erlaube ich ihm doch nicht, mich unhöflich zu behandeln! Ich kenne die Art und Weise, wie man Leute seines Schlages höflich macht, sehr genau.«
»Nun, wie fängt man das an?« fragte ich.
»So!«
Er legte die Hand an den Gürtel, in welchem seine Waffen steckten, und zog die Pistole halb heraus.
»Gut, das ist eine Sprache, vor deren Deutlichkeit ich allen Respekt habe. Ich werde also höflicher sein. Wirst du vielleicht die Freundlichkeit haben, mir zu sagen, wo du geboren bist?«
»Ich bin ein Serbe, aus Lopaticza am Ibar gebürtig.«
»Ich will so höflich sein, zu tun, als ob ich es glaube, halte dich aber im stillen für einen Walachen oder Rumänier, was ganz dasselbe ist. Wo willst du hin?«
»Nach Ismilan.«
»Wunderbar! Du bist ein so kluger Mann und machst einen so bedeutenden Umweg? Wie kommst du nach Koschikawak, wenn es deine Absicht war, von Mandra nach Ismilan zu reiten? Dein Weg hätte dich viel weiter südlich geführt.«
»Ich hatte eben an den Orten, die ich berührte, zu tun. Aber nun verbitte ich mir alles weitere. Bist du etwa ein Beamter der Polizei, daß du mich wie einen Verbrecher ausfragst?«
»Gut, ich will dir auch hierin deinen Willen tun. Sage mir nur noch, warum du hier abgestiegen bist!«
»Wollte ich etwa absteigen? Dieser Schmied hat mich dazu gezwungen, da er im Freien nicht antworten wollte.«
»Hast du ihm nun deine Fragen vorgelegt?«
»Nein.«
»So tue es jetzt, damit du erfährst, was du erfahren wolltest!«
Er wurde verlegen, aber nur ein wenig; er faßte sich schnell und antwortete:
»Dazu ist mir nun die Lust vergangen. Wenn man in dieser Weise behandelt