Ich ging weiter – um die Ecke herum. Ich fand aufgehäuftes Holzwerk, das jedenfalls zum Verbrennen bestimmt war. Hinter dem Hause gab es ein kleines Viereck, eingezäunt mit Pfählen, die in die Erde gestampft waren, so wie man es in deutschen Dörfern für Schweine oder Gänse herzustellen pflegt. Das Viereck schien leer zu sein, denn es war nicht die mindeste Bewegung zu bemerken.
Und dennoch schnaufte grad hier mein Rappe weit mehr und ängstlicher als vorher. Er schien sich zu scheuen, ganz an die Umzäunung heranzutreten.
Ich will nicht sagen, daß dies mir geradezu verdächtig vorgekommen sei, aber es war mir doch eine Veranlassung, meine Vorsicht zu verdoppeln. Das Haus war verschlossen, also bewohnt. Sollte man aber eine Wohnung in solcher Gegend und des Nachts ohne alle Aufsicht lassen? Es war leicht möglich, daß hier wenigstens etwas Ungewöhnliches vorgekommen sei, und ich nahm mir vor, die Sache weiter zu untersuchen.
Da mir das Pferd dabei nur hinderlich war und es auch leicht in eine unvorhergesehene Gefahr kommen konnte, so mußte ich das wertvolle Tier sichern. Ich brauchte zum Anhobbeln[27] weder Pflock noch Lasso, weder Strick noch Riemen; vielmehr ließ ich es mit den Vorderbeinen in die Zügel treten. Es war dadurch so gefesselt, daß es sich nicht weit entfernen konnte, selbst wenn es dies ganz gegen seine Gewohnheit hätte tun wollen. Und sollte es ja während meiner Abwesenheit in irgend einer Weise bedroht werden, so war ich überzeugt, daß es sich mit den Hinterhufen auf das tapferste zur Wehre setzen werde.
Nun erst trat ich ganz an die Umpfählung heran und zog eines der Wachshölzchen hervor, von denen ich mir in einer Spezereihandlung in Edreneh einen kleinen Vorrat gekauft hatte. Ich brannte es an und leuchtete über die Umzäunung hinein.
Da lag ein Tier, riesig groß und lang und dicht behaart, grad wie ein Bär. Das Flämmchen erlosch; es war nun wieder dunkel. Welch ein Tier war das? War es lebendig oder tot? Ich nahm die Büchse herab und stieß es an. Es regte sich nicht. Ich stieß kräftiger, und dennoch blieb es unbeweglich. Das war nicht Schlaf, sondern Tod.
Ich stieg, da mir die Sache nun doch verdächtig vorkam, über die ungefähr vier Fuß hohen Pfähle, bückte mich nieder und befühlte das Tier. Es war kalt und steif, also tot. Das Fell war an mehreren Stellen klebrig. War das Blut?
Ich betastete den Körper. Ein Bär war es nicht, denn ich fühlte einen langen, zottigen Schwanz. Man sagt zwar, daß es auf den Höhen des Despodo-Dagh, Schar-Dagh, Kara-Dagh und Perin-Dagh noch vereinzelt Bären gebe. Ich will das nicht in Abrede stellen; aber wie sollte sich ein solcher grad hierher verlaufen haben, um in dieser Verzäunung zu verenden? Und wäre er in dieser Umgegend erlegt worden, so hätte man ihn gewiß nicht hier herein geworfen, ohne ihm vorher das Fell zu nehmen, ganz von dem sehr brauchbaren Fleisch abgesehen.
Um zu sehen, mit welcher Art von Tieren ich es zu tun habe, fühlte ich nun nach den Ohren. Sapristi! Der Kopf des Tieres war zerschmettert, und zwar so, daß es eines sehr schweren Instrumentes bedurft hatte!
Ich brannte ein zweites Hölzchen an und sah nun, daß das erschlagene Tier ein allerdings wahrhaft riesiger Hund war, wie ich noch keinen gesehen hatte.
Wer hatte ihn erschlagen, und warum war dies geschehen? Der Besitzer des Tieres hatte es jedenfalls nicht getan. Und ein Fremder, der so etwas tut, kann dabei keine andere als nur eine böse Absicht verfolgen.
Ich begann zu ahnen, daß hier ein Verbrechen begangen worden sei. Zwar drängte sich mir die Frage auf, was das grad mich angehe, und warum grad ich mich in Gefahr begeben solle; aber ich hatte Grund, zu vermuten, daß die Schmiede dem Bruder des Rosengärtners gehöre, und da fühlte ich denn doch die Verpflichtung, die Sache näher zu untersuchen.
Wenn ich dabei an Gefahr dachte, so geschah dies wohl mit vollem Recht. Die Täter konnten sich ja noch im Hause befinden. Vielleicht verhielten sie sich ruhig, weil sie den Hufschlag meines Pferdes gehört und also meine Ankunft bemerkt hatten.
Wie aber an sie kommen? Sollte ich die Ankunft meiner Gefährten erwarten? Was konnte bis dahin im Innern des Hauses geschehen! Nein, ich mußte handeln.
Ich hatte die vierte Seite, die westliche Giebelseite des Hauses, noch nicht untersucht. Ich schlich mich leise hin und bemerkte dort zwei Läden; der eine war von innen befestigt, der andere aber – — ließ sich öffnen.
Ich überlegte.
Wollte ich einsteigen, so konnte ich augenblicklich eine Kugel vor den Kopf erhalten. Doch just der Umstand, daß von den vorhandenen fünf Läden – denn drei befanden sich auf der vordern Seite – nur dieser eine nicht befestigt war, ließ mich vermuten, niemand befinde sich im Innern. Um die Entdeckung möglichst hinauszuschieben, hatte man alles verschlossen und war dann durch dieses Fenster gestiegen, dessen Laden man also nur hatte fest andrücken, aber nicht von innen befestigen können.
Dennoch befand ich mich in einer mehr als heiklen Lage.
Ich zog den Laden leise so weit auf, daß ich für meinen Arm Platz fand, und langte hinein. Fenster sind in dieser Gegend selten, und darum fand ich auch, was ich erwartet hatte, nur eine fensterähnliche Oeffnung, die weder durch Glas, noch durch einen andern Gegenstand versperrt war.
Ich lauschte. Es war mir, als ob sich innen ein dumpfes, unterdrücktes Gepolter vernehmen ließe. Befand sich doch jemand im Hause? Sollte ich rufen? – Nein.
Ich kehrte zur andern Giebelseite zurück und holte einen Arm voll des Geästes, welches ich dort bemerkt hatte. Ich machte ein dichtes Bündel, setzte es in Brand und warf es durch das Fenster. Mich vorsichtig an die Seite haltend, blickte ich hinein.
Das Gebäude war nicht hoch; die Fensteröffnung lag sehr niedrig; die Reiser brannten hell, und ich erblickte einen großen, viereckigen Raum, dessen Fußboden aus hart geschlagenem Lehm bestand, und rundum diejenigen Gegenstände, welche man in einer armen, rumelischen Wohnung zu finden pflegt. Von einem menschlichen Wesen keine Spur!
Ich warf mehr Reiser auf das Feuer, nahm meinen Fez vom Kopfe, stülpte ihn auf den Büchsenlauf und schob ihn langsam in die Oeffnung. Das sah von drinnen jedenfalls so aus, als ob ich hineinsteigen wolle.
Ich wollte damit die etwa drinnen Versteckten verführen, sich zur Wehre zu setzen; aber es regte sich nichts.
Da zog ich die Büchse zurück, lehnte sie mit dem Stutzen, da beide mich nur hindern konnten, an die Mauer, setzte den Fez wieder auf – ein Schwung, und ich hatte den Oberkörper im Innern. Ich war bereit gewesen, ihn schnell wieder zurückzuziehen; aber dieser erste Blick genügte, mir zu zeigen, daß sich kein feindliches Wesen in dem Raume befand.
Nun stieg ich vollends hinein, langte hinaus, um meine Gewehre hereinzunehmen, und blickte mich um.
In diesem Augenblick wiederholte sich das vorhin erwähnte Poltern. Dies war für mich um so beunruhigender, als das Feuer, welches überdies einen scharfen, in die Augen beißenden Qualm verbreitete, erlöschen wollte. Ich freute mich daher, als ich in einer Ecke ein Häufchen langer Späne bemerkte, das hier vielleicht gebräuchliche Beleuchtungsmaterial.
Ich brannte einen Span an und steckte ihn in ein Mauerloch, welches jedenfalls zu diesem Zweck diente, wie ich an der rauchgeschwärzten Umgebung desselben bemerkte. Dann zog ich den Laden zu und band ihn mittels der an ihm befindlichen Schnur fest, um nach außen hin gesichert zu sein.
Mit einem zweiten angezündeten Span begann ich nun den Raum zu untersuchen.
Die Mauern bestanden aus festgestampfter Erde. Sie faßten die Stube auf drei Seiten ein, während die vierte Seite von einem von der Decke bis zum Boden herabreichenden Strohgeflecht gebildet wurde, in welchem sich eine Oeffnung zum Passieren befand.
Als ich nun durch diese Oeffnung trat, sah ich mich in einer kleineren Abteilung, deren Boden zum Teil durch eine aus Weidengeflecht verfertigte Falltüre gebildet wurde. Gab es hier einen Keller? Das war ja in einem solchen Hause etwas Seltenes!
Und jetzt hörte ich das vorige Geräusch. Es war raschelnd und polternd und kam unter der Falltüre hervor.
Ich