Scepter und Hammer. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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und Doria; wer ist das?!«

      Die Zigeunerin machte nicht die geringste Miene, sich zu erheben. Sie that noch einen kräftigen Zug aus ihrer Pfeife und antwortete dann:

      »Donner und Doria; er kennt Zarba, sein Weib nicht mehr!«

      »Zarba!« rief er, sichtlich erschrocken und den Riegel vor die Thür schiebend. »Du lebst noch! Was willst Du? Hast Du vergessen, daß der Tod darauf ruht, wenn Du mein Haus betrittst?«

      »Der Körper der Zingaritta ist gealtert, aber ihr Geist ist stark. Sie hat nichts vergessen, doch fürchtet sie Dich nicht. Sie lebt noch und wird nur dann sterben, wen Bhowannie es will. Wo hast Du meinen Sohn?«

      »Er ist längst gestorben.«

      Jetzt erhob sie sich.

      »Lügner!«

      Er lächelte überlegen.

      »Weib, nimm Dich in Acht, daß ich Dich nicht vernichte!«

      »Mann, hüte Dich vor Zarba, der Zigeunerin! Als sie die Schönste war unter den Töchtern der Brinjaaren, hast Du sie bethört. Sie verließ ihr Volk, um bei Dir zu wohnen; aber Deine Schwüre waren Meineid, Deine Küsse Gift und Deine Liebe und Treue Betrug. Du raubtest mir den Sohn, Deinen und meinen Kind?«

      »Gestorben.«

      »Gestorben? Ja, todt, mehr als todt! Sein Körper lebt, aber seit sechs Jahren mordest Du seinen Geist, dessen Stärke Allem widersteht. Wo ist mein Kind, mein Sohn? Im Irrenhause, von Dir eingekerkert und unter die Wahnsinnigen gesteckt, weil er weiß, daß ein Herzog sein Vater ist. Gieb ihn heraus!«

      »Du selbst bist wahnsinnig!«

      Sie trat von ihm zurück und sah ihm lange in das finstere Angesicht; dann ließ sie sich langsam auf das Knie nieder.

      »Du hast das Herz eines Mädchens kennen gelernt, welches sein Volk, seinen Stamm, seinen Glauben, seine Eltern und Schwestern und Alles, Alles hingab, weil Du es wolltest; aber Du kennst nicht das Herz einer Mutter; es ist das Herz einer Löwin, welche den zerreißt, der ihr Junges rauben will. Denke zurück an unser Glück und sieh Zarba, wie sie jetzt vor Dir kniet! Sie fleht zu Dir um« – — —

      »Halt!« unterbrach er sie streng, »kein Bühnenspiel! Dein Sohn ist todt für Dich. Du wirst ihn niemals wiedersehen!«

      Sie erhob sich.

      »Noch einmal bittet Zarba: Gieb ihn mir zurück!«

      »Niemals!«

      »So wird die Zingaritta Dich zu zwingen wissen! Sie wird vor allen Thüren erzählen und auf allen Gassen ausrufen, daß Du der Vater ihres Kindes bist!«

      »Pah! Das wird zu verhindern sein.«

      »Meinst Du?« Ihre Züge nahmen jetzt einen Ausdruck des Hasses und der Entschlossenheit an, der doch den Hohn, welcher um seine Lippen spielte, verschwinden machte. »Meinst Du, Zarba fürchte sich vor Dir und Deiner Macht, Herzog von Raumburg? Du bist in ihre Hand gegeben wie der Fuchs in die Tatze der Löwin, und ein einziges Wort von ihr bringt Dich in Tod und Verderben!«

      »Ah? Sprich dieses Wort!« gebot er, ungläubig und verächtlich lächelnd.

      Sie trat ihm näher und raunte ihm zu:

      »Es heißt: Prinzenraub!«

      Er fuhr zurück.

      »Landstreicherin, Du bist wahrhaftig wahnsinnig!«

      »So höre weiter!«

      Sie näherte sich ihm von Neuem und zischte ihm Worte entgegen, welche Max nicht verstehen konnte, weil sie leise gesprochen waren. Der Herzog war mit einem Male leichenblaß geworden; er vermochte nicht zu antworten.

      »Nun? Du trachtest nach Thron und Krone; die Hand der Landstreicherin kann Dir Beides geben und Beides nehmen. Soll sie ihren Sohn wiederhaben?«

      Er trat an das Fenster und starrte lange hinaus. Endlich drehte er sich zu ihr um.

      »Hast Du bisher geschwiegen?«

      »Ja.«

      »Schwöre es mir!«

      »Ich schwöre es bei Bhowannie.«

      »So sollst Du Deinen Sohn sehen!«

      »Nur sehen?«

      »Und mitnehmen dürfen.«

      »Wann?«

      »Wann Du willst.«

      »Morgen! Ich kenne das Haus, in welchem er wohnt.«

      »Gut. Ich werde Dir einen Befehl für den Direktor schreiben.«

      Er setzte sich und füllte ein herbeigezogenes und bereits mit Unterschrift und Siegel versehenes Blanket aus.

      »Hier. Auf Vorzeigen dieser Schrift erhältst Du Einlaß in die Anstalt.«

      Ihr Auge ruht scharf auf ihm.

      »Du wirst mich nicht betrügen?«

      »Nein.«

      »So lebe wohl! Ich komme niemals wieder!«

      Die Antwort des Herzogs konnte Max nicht vernehmen; er mußte sich zurückziehen. Doch wohin? In den Gang durfte er sich noch nicht wagen, da ihn die dort bewandertere Zigeunerin sicher eingeholt hätte; es blieb ihm nichts Anderes übrig, als sich unter der Tafel zu verbergen, deren weit herabhängende Decke ihm sicheren Schutz gewährte.

      Bibliothekzimmer.

      »Lebe wohl für immer,« sprach der Herzog, »und bedenke, daß meine Macht so weit reicht, als Euch Eure Füße tragen!«

      Sie entfernte sich durch die geheime Thür, während er in sein Arbeitszimmer zurückkehrte.

      Lange hörte Max ihn in demselben auf- und abgehen; dann erklang das leise Kritzeln einer Feder. Schon überlegte der Doktor, ob er sich auf alle Gefahr hin entfernen oder ruhig versteckt halten solle, bis der Herzog schlafen gegangen sei, als dieser sich erhob und heraus in die Bibliothek trat. Er schritt zur verborgenen Thür, öffnete dieselbe und stieg die Treppe hinab.

      Jedenfalls wollte er sich überzeugen, ob die Zigeunerin das Fenster unten wieder verschlossen habe. Max vermuthete, was der Herzog soeben geschrieben habe; er hatte jetzt Gelegenheit, sich zu überzeugen, ob seine Ahnung richtig sei. Er eilte in das Arbeitszimmer, trat an den Schreibtisch und warf einen Blick auf das dort liegende und bereits vollendete Schriftstück. Es enthielt den Befehl an den Direktor der Landesirrenanstalt, die Zigeunerin Zarba als unheilbar wahnsinnig zu installiren, sobald sie erscheine, sich auf keinerlei Verhör mit ihr einzulassen und bei etwaiger Widersetzlichkeit die schärfsten Zwangsmaßregeln in Anwendung zu bringen. Eine eingehendere Instruktion sollte umgehend folgen.

      »Schurke!« konnte sich der Doktor nicht enthalten auszurufen; dann kehrte er in sein Versteck zurück.

      Er erreichte es gerade noch rechtzeitig, denn schon im nächsten Augenblicke trat der Herzog wieder ein und begab sich in das Nebenzimmer. Bald darauf wurde der Geruch von Siegellack bemerkbar, dann rückte ein Sessel, und die Außenthür zum Arbeitskabinet erklang. Der hohe, fürstliche »Schurke« hatte dasselbe jedenfalls verlassen, um den Befehl einem Kourier zu übergeben, da es nothwendig war, der Zigeunerin zuvorzukommen.

      Jetzt durfte Max seinen unbequemen Platz verlassen. Er öffnete das Bücherfach, verschloß es hinter sich und tastete sich die Treppe hinab. Er hatte ein eigenthümliches und gefährliches Abenteuer bestanden und stand, unten im Gang angelangt, unwillkürlich tief aufathmend still.

      »Zarba, Du sollst gerettet werden,« gelobte er sich; »Du und Dein unglücklicher Sohn. Gott hat mich hinter Dir hergeführt; er ist der Schutz der Gerechten!«

      Er fand das Fenster geschlossen; die Wirbel befanden sich an der Außenseite desselben, doch war eine Scheibe zerbrochen, so daß er hindurchlangen und öffnen konnte. Als er hinausgestiegen war und den Verschluß wieder bewerkstelligt hatte, trat Thomas auf ihn zu.

      »Gott sei Dank, Herr Doktor, daß Sie mit heiler Haut wieder pei mir sind! Die Hexe ist schon längst wieder heraus. Was hat es denn da drin gegepen?«

      »Das