Satan und Ischariot II. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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befindet er sich?«

      »Er ist mit mehreren Indianern fort, um Sie zu beobachten und es Melton zu sagen, wenn Sie kommen. Er scheint Sie nicht gesehen zu haben, sonst wäre er wieder zurück.«

      »So ist er es also nicht, den wir jetzt hier unten zu erwarten haben. Melton wird es sein.«

      »So haben Sie die beste Gelegenheit, ihn zu ergreifen!«

      »Ob ich das tue, kommt auf die Umstände an. Man muß vorsichtig sein. Weller kann auch zurückgekehrt sein und mitkommen. Wir werden also abzuwarten haben, was geschieht. Darum muß ich Sie bitten, sich einstweilen wieder einriegeln zu lassen.«

      »Einriegeln?« fragte sie erschrocken. »Das werde ich nicht. Ich bin tausendfroh, daß ich heraus bin.«

      »Ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich Sie sicher wieder herauslasse. Ich will wissen, wer da kommt und warum er kommt; er muß darum hier alles in Ordnung finden und darf nicht vermuten, daß jemand bei Ihnen gewesen ist.«

      Sie wollte nicht, fügte sich aber endlich doch, wenn auch mit großem Widerstreben. Ich verriegelte hinter ihr die Tür, und dann kroch ich mit dem Mimbrenjo hinter einen Haufen von Hölzern, welche dort, wo der alte, verlassene Gang begann, aufgeschichtet waren. Natürlich hatten wir unser Licht ausgelöscht.

      Ich hätte keine Minute länger mit der sich weigernden Jüdin verhandeln dürfen, denn wir hatten uns kaum versteckt, so kam von oben ein Geräusch, aus welchem wir entnahmen, daß der Kasten wieder nach unten unterwegs sei. Das Geräusch näherte sich; ein Lichtschein fiel von oben; der Kasten wurde sichtbar und erreichte den Boden. Melton stand darin; er hatte eine Laterne im Gürtel hängen. Er stieg aus, bückte sich in den Kasten zurück und zog aus demselben einen Gegenstand, in welchem ich, obgleich wir ziemlich entfernt steckten, einen gefesselten Menschen erkannte. Hier unten verstärkte sich der Schall an den engen Mauern; darum hörte ich ganz deutlich jedes Wort, als Melton zu dem Gefesselten in höhnischem Tone sagte:

      »Du hattest solche Sehnsucht nach deiner weißen Blume. Darum habe ich dich hierher gebracht, um sie dir zu zeigen. Paß auf!«

      Er trat zu der Tür, hinter welcher die Jüdin steckte, öffnete dieselbe und rief hinein:

      »Kommen Sie heraus, Fräulein; haben Sie die Güte! Es steht Ihnen eine freudige Ueberraschung bevor.«

      Sie kam heraus. Er führte sie zu dem auf dem Boden liegenden Indianer und fragte:

      »Kennen Sie diesen? Hoffentlich erinnern Sie sich noch, wer er ist!«

      »Die »listige Schlange«!« rief sie betroffen aus. »Sie haben ihn überwältigt!«

      »Ja, das habe ich! Sie sehen da, was für ein Held Ihr neuester Liebhaber ist. Er kam, um mich zur Rechenschaft zu ziehen und Sie zu befreien, und befindet sich nun selbst hierunter. Er wird die Sonne niemals zu sehen bekommen. Sie haben mir zu viel von ihm erzählt, als daß ich ihm das Leben schenken könnte.«

      »Sie wollen ihn ermorden?« fragte sie schaudernd.

      »Ermorden! Welch ein Ausdruck! Muß man es denn geradezu einen Mord nennen, wenn ich ihn ein wenig unter die Erde grabe und ihm eine so hübsche Decke gebe, daß er rasch einschläft? Wenn er dann nicht wieder aufwacht, so ist das seine Sache.«

      »Also lebendig begraben!«

      »Ja, wenn es Ihnen Vergnügen macht, es so und nicht anders zu nennen.«

      »Unmensch, der Sie sind!«

      »Ereifern Sie sich nicht! Ich werde Ihnen gleich beweisen, daß ich kein Unmensch, sondern ein Mensch, und zwar ein sehr gutherziger, bin. Sie lieben den roten Gentleman, und er ist Ihnen zugetan. Sie sollen, ehe er stirbt, zwei oder drei Stunden beisammen sein. Geben Sie Ihre Hände her, damit ich sie Ihnen auf den Rücken binde, sonst könnten Sie meine Güte mißbrauchen und Ihren Anbeter losbinden.«

      Sie zögerte und sagte:

      Denken Sie ja nicht, daß Sie straflos tun können, was Sie wollen! Die Yumas werden ihren Häuptling rächen.«

      »Fällt ihnen nicht ein. Sie wissen nicht, daß ich es bin, der ihn verschwinden läßt.«

      »Sie wissen aber doch, daß er jetzt bei Ihnen ist. Die Wächter haben ihn zu Ihnen gehen sehen.«

      »Sie werden ihn aber wieder fortgehen sehen. Es ist finster droben, so daß ich es leicht bewerkstelligen kann, daß sie mich für ihn halten; aber das ist gar nicht notwendig. Ich habe die Wächter, um jetzt herabgelassen zu werden, wecken müssen. Sie werden nachher weiter schlafen und müssen es glauben, wenn ich behaupte, daß der Häuptling inzwischen fortgegangen ist. Also her mit den Händen! Ich sage das zum letzten Mal!«

      Er hatte einen Riemen in der Hand. Ich war wirklich neugierig darauf, was sie tun würde. Sie wußte, daß ich hier war und ihr helfen würde. Ebenso wußte sie aber auch, daß ich sie, wenn sie sich binden ließ, dann befreien würde. Mochte sie ihm gehorchen oder mich rufen, mir war es gleich. Sie reichte ihm die beiden Hände hin und sagte:

      »Da, binden Sie mich! Ich will nicht mit Ihnen ringen, da es mir graut, Sie zu berühren. Aber der Strafe werden Sie nicht entgehen!«

      »Wollen Sie Prophetin sein, Judith? Das ist ein schlechtes Geschäft, denn die jetzige Menschheit besitzt keinen Glauben.«

      Er band ihr die Hände auf den Rücken und schob sie in den dunkeln Raum, in welchem sie gesteckt hatte. Sie ließ es ruhig geschehen. Sodann schleifte er den Indianer auch hinein, machte die Tür zu und schob den Riegel vor. Nun blieb er eine Zeitlang stehen und hielt das Ohr an die Tür, um zu lauschen. Der Schein seiner Laterne fiel auch auf sein Gesicht. Der Ausdruck desselben war ein teuflischer. Dann stieg er in den Kasten und gab mit einer herabhängenden Schnur ein Zeichen nach oben, auf welches man den Förderkasten aufwärts zu winden begann. Das Licht verschwand und mit demselben auch das Geräusch, welches der Kasten verursachte, indem er an die Wände des Schachtes stieß.

      Ich hatte den Menschen für vorsichtiger und klüger gehalten, als er sich jetzt zeigte. Mir an seiner Stelle wäre Judiths gegenwärtiges Verhalten aufgefallen; es hätte mich mißtrauisch gemacht; ich hätte mir sogleich gesagt, daß irgend ein Grund für sie vorhanden sei, seinen jetzigen Besuch in solcher Ruhe hinzunehmen, und ich wäre bemüht gewesen, den Grund kennen zu lernen. Daß dies bei ihm nicht stattfand, ließ seinen Scharfsinn in keinem rühmlichen Lichte erscheinen.

      Mein Mimbrenjo hatte, seit wir durch die Mauer gekrochen waren, kein Wort gesagt; jetzt aber wunderte er sich über mein Verhalten so sehr, daß er nicht zu schweigen vermochte, sondern, als wir uns hinter den Hölzern erhoben, zu mir sagte:

      »Der Weiße, den wir haben wollen, war da. Wir konnten ihn ergreifen. Warum hat Old Shatterhand ihn fortgelassen?«

      »Weil er mir sicher genug ist. Später wird sein Schreck ein doppelter sein.«

      Ich steckte das Licht wieder an und ging wieder zu der Tür, um sie zu öffnen. Die Jüdin hatte dicht hinter derselben gestanden, um zu horchen. Sie trat rasch heraus, holte tief Atem und sagte:

      »Gott sei Dank! Es war mir wirklich angst, ob Sie kommen würden!«

      »Was ich verspreche, halte ich. Haben Sie mit dem Häuptling gesprochen?«

      »Noch kein Wort. Ich konnte vor Sorge nicht reden. Sie haben gehört, was Melton sagte?«

      »Alles.«

      »Wie leicht konnte er Sie entdecken! Dann befand ich mich wieder in seiner Gewalt!«

      »Nein, sondern er hätte sich in der meinigen befunden. Wenn Sie noch nicht mit der »listigen Schlange« gesprochen haben, so werde ich ihn aufklären. Wie gut, daß er von Melton überwältigt worden ist! Der Bösewicht hat mir dadurch einen Trumpf in die Hand gespielt, an dem seine Karte verloren gehen wird.«

      Ich trat zu dem Indianer und durchschnitt seine Fesseln. Er richtete sich schnell auf und fragte die Jüdin:

      »Wer ist das Bleichgesicht, welches sich in unserm Schachte befindet und doch nicht zu uns gehört?«

      »Mein roter Bruder wird sogleich erfahren, wer ich bin,« antwortete ich an des Mädchens Stelle. »Er