Satan und Ischariot II. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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welchem die Tür offen war, stürzte aus derselben eine weibliche Gestalt auf mich zu, krallte mir die zehn Fingernägel in den Hals und kreischte in deutscher Sprache:

      »Elender Bösewicht! Bist du schon wieder da! Laß mich hinauf, oder ich erwürge dich!«

      Die Begrüßung war keine sehr freundliche; ich nahm sie aber nicht Uebel, da sie jedenfalls an eine andere Adresse gerichtet war, schob die Arme des wütenden Wesens, in welchem ich zu meiner Ueberraschung die Jüdin erkannte, von mir ab, hielt sie fest, um den Nägeln nicht Gelegenheit zu geben, meinen Hals abermals einer so eindringlichen Lokalinspektion zu unterwerfen, und antwortete:

      »Bitte, Fräulein, wollen Sie bemerken, daß Sie sich in der Person irren! Ich komme nicht in der Absicht, von zarter Hand zu sterben.«

      Der Mimbrenjo leuchtete mir ins Gesicht. Sie erkannte mich und rief aus:

      »Sie sind es, Sie? Gott sei Dank! Sie werden mich nicht hier stecken lassen!«

      »Nein. Ich werde Sie in die Freiheit führen. Wer hat Sie denn hier eingesperrt?«

      »Melton, dieses Scheusal, dieser Teufel in Menschengestalt.«

      »Wie hat er Sie denn hier heruntergebracht? Es kann doch nicht leicht sein, jemand, der sich wehrt, in die Tiefe zu schaffen.«

      »Durch List. Ich bin ihm freiwillig gefolgt. Wir fuhren im Förderkasten herab.«

      »So hat er Ihnen etwas weisgemacht, Ihnen vielleicht gesagt, daß er Ihnen Ihren Vater zeigen will?«

      »Ja, das hat er gesagt; ich sollte meinen Vater heraufholen. Sie wissen, daß er hier eingesperrt ist?«

      »Das weiß ich. Ich weiß überhaupt mehr, als Sie denken. So weiß ich zum Beispiele, daß die listige Schlange, der junge Häuptling der Yumas, gestern mit einer Dame redete, die ihn so in Entzücken versetzt hat, daß er ihr Edelsteine, Gold, ein Schloß, einen Palast, schöne Kleider und viele Diener zur Verfügung stellen wird.«

      Sie errötete nicht, wie es sicher bei einem andern Mädchen der Fall gewesen wäre. Sie antwortete vielmehr ganz unbefangen:

      »Haben Sie mit ihm gesprochen?«

      »Nein.«

      »War er bei Melton?«

      »Das weiß ich nicht. Es steht aber zu erwarten, daß er noch zu ihm gehen wird, wenn er noch nicht bei ihm gewesen ist.«

      »Ich warte auf ihn und dachte, als ich Sie erkannte, er hätte Sie geschickt, um mich herauszuholen. Erst hielt ich Sie für Melton, diesen Schurken.«

      »Und doch haben Sie zu ihm gehalten!«

      »Weil er mir große Versprechungen machte.«

      »Ja, Gold und Geschmeide, ein Schloß und einen Palast. Haben Sie denn das wirklich glauben können? Der Umstand, daß er Ihre Landsleute hierher lockte, um sie einzusperren und für sich arbeiten zu lassen, mußte Ihnen doch unbedingt sagen, daß bei ihm von Ehrlichkeit keine Rede sein kann. Wie haben Sie sich die Zukunft der armen Menschen denn eigentlich gedacht?«

      »Gar nicht schlimm. Sie sollten hier unten solange arbeiten, bis sie eine gewisse Anzahl von Zentnern Quecksilber zu Tage gefördert hatten; das hätte gar nicht lange gedauert; er wäre dadurch ein steinreicher Mann geworden, hätte sie dann freigelassen und jedem soviel Geld gegeben, daß auch sie nun ohne Arbeit hätten leben können.«

      »Das haben Sie ihm geglaubt?«

      »Ja.«

      »Hm, dazu gehört sehr viel. Ich will Ihnen sagen, wie es gekommen wäre. Durch die hier unten herrschende Luft, die schlechte Nahrung und die eingeatmeten Quecksilberdämpfe wäre der Körper jedes Arbeiters in kurzer Zeit zerstört worden, und nach zwei oder drei Jahren hätte keiner mehr gelebt. Das wäre der entsetzlichste Massenmord gewesen, der sich denken läßt, und Sie wären dabei seine Mitschuldige geworden.«

      »Zwei oder drei Jahre? Solange sollte es nicht dauern; es ist nur von einigen Monaten die Rede gewesen.«

      »In so kurzer Zeit wird man nicht so reich, daß man so vielen Menschen soviel geben kann, daß sie ohne Arbeit leben können. War es denn Ihr Ernst, seine Frau zu werden?«

      »Warum nicht?«

      »Und nun wollen Sie die listige Schlange heiraten?«

      »Ja, Melton zur Strafe!«

      »Und Ihr einstiger Verlobter, der Ihnen so treu ergeben ist!«

      »Was geht er mich noch an? Uebrigens ist er jetzt tot.«

      »Ja, von den Geiern aufgefressen! Sie scheinen fast ebensowenig Gewissen zu haben wie Melton, und fast hätte ich Lust, Sie wieder einzusperren und Ihrem Schicksale zu überlassen.«

      Ich hatte ihre Arme längst losgelassen, so daß sie sich frei bewegen konnte. Sie stand noch zwischen mir und der Tür, drängte sich jetzt aber rasch an mir vorüber und rief aus:

      »Das werden Sie nicht tun! Kein Mensch bringt mich wieder in dieses Loch!«

      »Nun, es fällt mir auch nicht ein, meine Worte wahr zu machen. Sie werden frei sein.«

      »Das würde ich auch, wenn Sie mich wieder einsperrten, denn der Häuptling käme ganz gewiß, um mich wieder herauszulassen.«

      »Wenn er kann!«

      »Meinen Sie, daß er verhindert werden könnte?«

      »Ja, von Melton.«

      »Der kann ihm nichts tun; er hat ihn in der Hand.«

      »Das hat der Häuptling Ihnen gestern allerdings gesagt, aber es ist sehr möglich, daß Melton ihn viel eher in seine Hände nimmt. Und wenn dies geschieht, so tragen Sie die Schuld.«

      »Wieso?«

      »Das kann ich erst dann sagen, wenn ich weiß, was Sie mit Melton gesprochen haben. Die listige Schlange riet Ihnen, ihn auf die Probe zu stellen. Wie haben Sie das angefangen?«

      »Sagen Sie mir erst, woher Sie alles so genau wissen! Sie behaupten, nicht mit dem Häuptling gesprochen zu haben, und können das, was Sie wissen, doch nur von ihm erfahren haben.«

      »Ich lag hinter dem Steine, auf dem Sie mit ihm saßen, und belauschte Sie.«

      »Das haben Sie gewagt, das? Wenn der Häuptling Sie bemerkt hätte, wären Sie von ihm erschossen oder erstochen worden.«

      »Das geschieht nicht so schnell und leicht, wie Sie anzunehmen scheinen. Hätte er mich bemerkt, so wäre dies jedenfalls für ihn gefährlicher gewesen, als für mich. Nun sagen Sie mir, wie Sie es angefangen haben, Meltons Ehrlichkeit auf die Probe zu stellen.«

      »So, wie der Häuptling mir geraten hat. Da Sie uns belauscht haben, müssen Sie es doch wissen.»

      »Sie haben also Ihren Vater zu sehen verlangt?«

      »Ja. Er antwortete, daß ich noch warten Solle, weil mein Vater notwendig hier unten gebraucht werde; ich ließ mich aber nicht damit von ihm abspeisen, sondern bestand auf meinem Verlangen und drohte schließlich, daß ich ihn verlassen würde.«

      »Was antwortete er?«

      »Er lachte und sagte, daß ich ohne den Vater doch gar nicht fortkäme. Dann drohte ich ihm mit dem Häuptlinge.«

      »Ah, habe es mir doch gedacht! Damit haben Sie doch verraten, daß Sie mit dem Indianer im Einvernehmen stehen.«

      »Was schadet das? Er mußte wissen, daß ich auch ohne den Vater nicht so sehr, wie er dachte, ohne allen Schutz und alle Hilfe dastehe.«

      »Sie werden aber doch gleich einsehen, daß Sie damit keineswegs sehr pfiffig gehandelt haben. Ich vermute, daß Sie nicht nur den Namen des Roten als denjenigen Ihres Beschützers genannt, sondern noch mehr ausgeplaudert haben.«

      »Warum sollte ich nicht antworten, wenn er mich danach fragte!«

      »Aus Klugheit. Haben Sie ihm etwa gesagt, daß die rote Schlange Ihnen einen Antrag gemacht und Ihnen ganz dasselbe Glück und Wohlleben versprochen hatte, wie vorher Melton?«

      »Ja.«

      »Und