dd) Kinder
350
§ 2068 enthält eine Regelung für den Fall, dass der Erblasser seine „Kinder“ bedacht hat und eines dieser Kinder vor Testamentserrichtung verstorben ist. Dann soll im Zweifel eine Erbfolge nach Stämmen (wie bei § 1924 Abs. 3) erfolgen, die Abkömmlinge des vorverstorbenen Kindes sollen also an dessen Stelle treten. Kind i.S.d. § 2068 ist auch ein Adoptivkind[81] (§ 1754 Abs. 1) und ein nichteheliches Kind[82]. Bei Wegfall des Kindes wegen Erbverzicht gilt hingegen nicht § 2068, sondern § 2349.[83]
ee) Abkömmlinge des Erblassers
351
Bei nachträglichem Wegfall eines zum Erben eingesetzten Abkömmlings sind gem. § 2069 im Zweifel dessen Abkömmlinge insoweit als Ersatzerben bedacht, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge (nach dem Erblasser) nachrücken würden. Es handelt sich um eine Regel der ergänzenden Testamentsauslegung, da nicht eine Mehrdeutigkeit des Testaments zu beheben ist, sondern eine später entstandene Lücke geschlossen wird.[84]
(1) Abkömmling
352
Abkömmling meint neben den Kindern i.S.v. § 2068 auch die Enkel, Urenkel usw. des Erblassers.[85] Ungeachtet des Wortlauts („einen seiner …“) gilt § 2069 auch dann, wenn der Erblasser nur einen Abkömmling hatte.[86] Wenn andere nahestehende Personen (z.B. nahe Verwandte, Ehegatten, Stiefkinder) wegfallen, wird eine analoge Anwendung von § 2069 allgemein abgelehnt[87]; allerdings kann in solchen Fällen ggf. eine ergänzende Auslegung zu dem Ergebnis führen, dass die Abkömmlinge des Weggefallenen Ersatzerben sein sollen[88].
(2) Wegfall
353
Unter Wegfall ist ein Ereignis zu verstehen, das den Anfall der Zuwendung bei dem ursprünglich Bedachten verhindert, ohne zugleich die Verfügung als solche unwirksam zu machen.[89] Nach dem Wortlaut muss der Wegfall nach der Errichtung der Verfügung von Todes wegen erfolgt sein. Die Vorschrift ist jedoch analog anzuwenden, wenn der Wegfall dem Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung nicht bekannt war.[90]
354
Der häufigste Wegfallgrund ist der Tod des Bedachten.[91] Unproblematisch unter § 2069 fällt auch die Erbunwürdigerklärung (§ 2344, → Rn. 494 ff.) eines Bedachten.[92]
355
Ein Zuwendungsverzicht eines Abkömmlings gem. § 2352 (→ Rn. 523 ff.) stellt zwar an sich ebenfalls einen Wegfall dar. Allerdings ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob der Zuwendungsverzicht des Abkömmlings sich nicht auch auf dessen Abkömmlinge erstreckt; sofern die Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, ist dies gem. §§ 2352 S. 3, 2349 im Zweifel anzunehmen.
356
Im Falle der Ausschlagung (→ Rn. 588 ff.) eines Abkömmling liegt grundsätzlich ebenfalls ein Wegfall vor, weil der Ausschlagende gem. § 1953 Abs. 2 rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erbfalls als verstorben zu betrachten ist (→ Rn. 597). Umstritten ist allerdings, ob § 2069 auch dann gilt, wenn der Ausschlagende seinen Pflichtteil verlangt.[93] Denn dann würde der Stamm letztlich doppelt begünstigt: einmal durch den Pflichtteil und einmal durch den Anfall der Erbschaft an den/die Abkömmling(e) des Ausschlagenden. Letztlich faire Ergebnisse lassen sich hier aber zumindest dann erreichen, wenn der Ersatzberufene gem. § 2320 die Pflichtteilslast trägt.[94] Wenn jedoch ein pflichtteilsberechtigter Nacherbe ausschlägt, entlastet § 2320 den Vorerben nicht; hier ist der Wille des Erblassers im Einzelfall zu klären (→ Rn. 639).[95]
357
Kein Wegfall i.S.d. § 2069 ist hingegen die Anfechtung der letztwilligen Verfügung, denn diese führt zu deren Nichtigkeit ex tunc (§ 142 Abs. 1, → Rn. 423).[96] Ebenso wenig stellt der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht (→ Rn. 523 ff.) einen Wegfall des Bedachten i.S.v. § 2069 dar, denn dadurch wird nur die gesetzliche Erbfolge berührt, die aber hier von der (ergänzend auszulegenden) gewillkürten Erbfolge verdrängt wird.[97] Kein Wegfall i.S.v. § 2069 ist ferner der Verstoß eines Abkömmlings gegen eine Verwirkungsklausel (→ Rn. 149), denn mit Eintritt der auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2) wird die Verfügung unwirksam, sodass § 2069 schon deshalb nicht anwendbar ist.[98]
358
Wenn ein eingesetzter Nacherbe (zur Vor- und Nacherbschaft → Rn. 746 ff.) wegfällt, ist zu differenzieren: Fällt er vor dem Erbfall oder mit Rückwirkung auf den Erbfall weg, hat er die Nacherbenanwartschaft nie erworben; somit treten im Zweifel die Ersatzberufenen gem. § 2069 an seine Stelle.[99] Fällt der Nacherbe hingegen zwischen Erbfall und Nacherbfall weg, so hat/haben sein(e) Abkömmling(e) bereits ein Nacherbenanwartschaftsrecht erlangt, welches gem. § 2108 Abs. 2 S. 1 vererblich ist, sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist; diese Regelung genießt zwar grundsätzlich Vorrang vor § 2069, die Möglichkeit eines entgegenstehenden Erblasserwillens ist jedoch sorgfältig zu prüfen (→ Rn. 796 ff.).
ff) Abkömmlinge eines Dritten
359
Wenn der Erblasser die Abkömmlinge eines Dritten ohne nähere Bestimmung bedacht hat, so ist gem. § 2070 Alt. 1 im Zweifel anzunehmen, dass diejenigen Abkömmlinge nicht bedacht sind, welche zur Zeit des Erbfalls noch nicht gezeugt sind. Diese Auslegungsregel ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass ein beim Erbfall nicht Gezeugter nur als Nacherbe eingesetzt werden kann (§§ 1923 Abs. 2, 2101 Abs. 1); der Nacherbfall tritt dann mit der Geburt ein, Vorerben sind bis dahin die gesetzlichen Erben (§§ 2106 Abs. 2 S. 1, 2105 Abs. 2) (→ Rn. 753, 755 f.). Im Zweifel hat der Erblasser eine so komplizierte Regelung nicht gewollt, wenn er pauschal die Abkömmlinge eines Dritten einsetzt.
Das Gleiche gilt, wenn die Zuwendung unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter Bestimmung eines Anfangstermins gemacht ist und die Bedingung oder der Termin erst nach dem Erbfall eintritt, für die Abkömmlinge, die zur Zeit des Eintritts der Bedingung oder des Termins noch nicht gezeugt sind (§ 2070 Alt. 2).
gg) Personengruppe
360
Hat der Erblasser ohne nähere Bestimmung eine Klasse von Personen oder Personen bedacht, die zu ihm in einem Dienst- oder Geschäftsverhältnis stehen, so ist gem. § 2071 im Zweifel anzunehmen, dass diejenigen bedacht sind, welche zur Zeit des Erbfalls der bezeichneten Klasse angehören oder in dem bezeichneten Verhältnis stehen. Die Gruppe muss so eindeutig bezeichnet sein, dass ihre Angehörigen zweifelsfrei feststehen.[100] Schulbeispiele wären etwa Zuwendungen an „meine Patenkinder“, „die Mitglieder meines Streichquartetts“