Fall 8 (→ Rn. 137):
Da sich Renate Rosenberger auf einer Seereise befand, könnte man zunächst an ein Seetestament (§ 2251) denken. Allerdings scheidet ein solches schon deshalb aus, weil es vor drei Zeugen errichtet werden muss und Renate Rosenberger sich allein in ihrer Kabine befand, als sie das Dokument abfasste. Es könnte aber ein wirksames eigenhändiges Testament gem. § 2247 vorliegen. Renate Rosenberger hat eigenhändig auf die Rückseite des Flyers geschrieben. Dass es sich um die Rückseite eines Flyers handelte und der Text mit einem rosafarbenen Glitterstift geschrieben wurde, ist unschädlich, denn das Schreibmaterial ist irrelevant (→ Rn. 162). Fraglich ist jedoch, ob eine formwirksame Unterschrift vorliegt. Die Unterzeichnung auf dem verschlossenen Briefumschlag genügt hier jedoch, denn der Unterschrift kommt keine eigenständige Bedeutung zu und sie steht – insb. auch aufgrund der Aufschrift „Testament“ – in so engem Zusammenhang mit der einliegenden Erklärung, dass sie sich nach dem Willen der Renate Rosenberger als äußere Fortsetzung und Abschluss der in der einliegenden Urkunde verkörperten Erklärung darstellt (→ Rn. 167). Dass die Unterschrift mit dem Künstlernamen „Rosarot“ erfolgt, ist irrelevant; da Renate Rosenberger diesen Künstlernamen seit Jahren benutzte, reicht dies i.S.v. § 2247 Abs. 3 S. 2 zur Feststellung ihrer Urheberschaft und der Ernstlichkeit ihrer Erklärung aus (→ Rn. 164). Schließlich führt auch das Fehlen von Ort- und Zeitangabe nicht zur Formunwirksamkeit, denn bei § 2247 Abs. 2 handelt es sich lediglich um eine Soll-Vorschrift. Im Übrigen: Selbst wenn später z.B. im Haus der Renate Rosenberger noch ein anderes Testament aufgefunden werden sollte, würden sich aus dem Fehlen von Zeit- und Ortsangabe keine Zweifel an der Gültigkeit des in der Kabine errichteten Testaments ergeben, weil die Erblasserin ja auf die Rückseite eines Flyers mit dem Menü für das Abendessen des Einschiffungstages schrieb. Es handelt sich folglich um ein wirksames eigenhändiges Testament i.S.d. § 2247.
Fall 9[130] (→ Rn. 137):
Der Bürgermeister hat konkludent durch das Einleiten der weiteren Förmlichkeiten erklärt, dass er subjektiv die Besorgnis eines vorzeitigen Ablebens des Erblassers für gerechtfertigt hielt. Ein Bürgermeistertestament kann dadurch errichtet werden, dass der Erblasser seinen letzten Willen mündlich erklärt und diese Erklärung in eine Niederschrift aufgenommen wird, § 2249 Abs. 1 i.V.m. § 2232 S. 1 Alt. 1. Der Erblasser hat seinen Willen mündlich erklärt. Weitere zwingende Voraussetzung für die Gültigkeit des Nottestaments ist jedoch eine Niederschrift (§ 2249 Abs. 1 S. 1, 4 i.V.m. § 8 BeurkG), die noch zu Lebzeiten des Erblassers angefertigt werden muss. Diesen Anforderungen genügt die aufgrund der Bandaufzeichnung vom Bürgermeister angefertigte Niederschrift nicht, da sie erst nach dem Tod des Erblassers hergestellt wurde. Als Niederschrift kommt jedoch das vom Erblasser übergebene Schriftstück in Betracht. Aus der Bezeichnung der Urkunde als Testament, dem Versehen mit Orts- und Datumsangabe und der Unterzeichnung durch Erblasser, Bürgermeister und die zwei Zeugen ergibt sich, dass alle die authentische Wiedergabe der vom Erblasser abgegebenen Erklärung bestätigen wollten. Die Mängel der Niederschrift (vgl. § 2249 Abs. 2 S. 1; §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1, 13 Abs. 1 S. 2, 28 BeurkG) sind – soweit es sich nicht ohnehin nur um Sollvorschriften handelt – nach § 2249 Abs. 6 unbeachtlich. Somit liegt ein formwirksames Bürgermeistertestament vor.
Anmerkungen
BVerfG v. 3.11.1981 – 1 BvL 11/77 und 85/78, 1 BvR 47/81, BVerfGE 58, 377, 398; BVerfG v. 16.10.1984 – 1 BvR 513/78, BVerfGE 67, 329, 341; BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165, 174; BVerfG v. 25.3.2009 – 1 BvR 909/08, ZEV 2009, 390 Rn. 14; BVerfG v. 30.10.2010 – 1 BvR 3196/09, NJW 2011, 366 Rn. 17.
BGH v. 18.1.1989 – IVa ZR 296/87, NJW 1989, 2054, 2055; BGH v. 21.3.1990 – IV ZR 169/89, BGHZ 111, 36, 39; BGH v. 5.6.1992 – BLw 7/91, BGHZ 118, 361, 365; BGH v. 16.3.2017 – I ZB 50/16, NJW 2017, 2115 Rn. 27.
Vorausgesetzt in BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165, 174 f.; noch offengelassen in BVerfG v. 16.10.1984 – 1 BvR 513/78, BVerfGE 67, 329, 341 und BVerfG v. 14.12.1994 – 1 BvR 720/90, BVerfGE 91, 346, 359; Maunz-Dürig/Papier/Shirvani, 84. EL 2018, Art. 14 Rn. 414.
Zur Verfassungsmäßigkeit des geltenden Pflichtteilsrechts: BVerfG v. 19.4.2005 – 1 BvR 1644/00 u. 1 BvR 188/03, NJW 2005, 1561 Rn. 74 ff.
Vgl. Staudinger/Baumann, 2018, § 2229 Rn. 12 f.; MüKoBGB/Hagena, 7. Aufl. 2017, § 2229 Rn. 2.
Vgl. Staudinger/Baumann, 2018, § 2233 Rn. 12; BeckOGK/Grziwotz § 2233 Rn. 14.
BayObLG v. 31.1.1991 – 1a Z 37/90, NJW 1992, 248 unter Aufgabe der Rechtsprechung aus BayObLG v. 22.10.1984 – 1 Z 53/84, FamRZ 1985, 539; s. auch BayObLG v. 21.7.1999 – 1 Z BR 122/98, NJW-RR 2000, 6; BeckOGK/Grziwotz § 2229 Rn. 5 m.w.N.
BGH v. 29.1.1958 – IV ZR 251/57, FamRZ 1958, 127, 128; BayObLG v. 6.11.1995 – 1Z BR 56/95, BayObLGZ 1995, 383; OLG Frankfurt a.M. v. 22.12.1997 – 20 W 264-95, NJW-RR 1998, 870; OLG Hamm v. 12.12.2013 – 10 W 180/12, BeckRS 2016, 01336 m.w.N.
Vgl. nur Staudinger/Baumann, 2018, § 2229 Rn. 52 m.w.N. Vgl. auch BGH v. 1.7.1959 – V ZR 169/58, NJW 1959, 1822.
BGH v. 29.1.1958 – IV ZR 251/57, FamRZ 1958, 127; BGH v. 23.11.2011 – IV ZR 49/11, ZEV 2012, 100 Rn. 21; BayObLG v. 12.9.1995 – 1Z BR 59/95, NJW 1995, 3260; BayObLG v. 3.8.1989 – 1 a Z 56/88, BayObLGZ 1989, 327.
BGH v. 23.11.2011 – IV ZR 49/11, ZEV 2012, 100 Rn. 21; BayObLG v. 22.11.2001 – 1Z BR 38/01, BeckRS 2001, 16025 Rn. 29 ff.
BGH v. 23.11.2011 – IV ZR 49/11, ZEV 2012, 100 Rn. 21.
BayObLG v. 2.2.1996 – 1Z BR 146/95, NJW-FER 1996, 44.
BayObLG v. 2.2.1996 – 1Z BR 146/95, NJW-FER 1996, 44.
BayObLG v. 2.2.1996 – 1Z BR 146/95, NJW-FER 1996, 44.