Mara und der Feuerbringer. Tommy Krappweis. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tommy Krappweis
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783964260444
Скачать книгу
und verschwand. Wenn sie den Kontakt zu ihm abbrach, sah er nicht mehr, was sie sehen konnte!

      Sofort tat sie das einzig Richtige und machte einen großen Schritt in seine Richtung, ohne die Hände von den Ohren zu nehmen. Kaum berührte ihr Arm wieder den seinen, erschien er wieder und sah sie erleichtert an.

      Sie war trotzdem verwundert, als die Stimme des Professors laut und deutlich in ihrem Kopf ertönte, obwohl sie sich die Ohren zuhielt. »Danke, Mara, es wäre wirklich schade, wenn ich das nicht miterlebt hätte. Wobei mir gerade etwas einfällt …« Dann lachte er und nahm die Hände von den Ohren. »Das bringt nix. Ist ja alles in unseren K…«

      Alle Fasern von Maras Körper wurden nun von dem wahnwitzigsten Geräusch durchgerüttelt, das sie jemals gehört hatte und sicherlich auch jemals hören würde.

      Heimdall stieß in sein Gjallarhorn.

       Kapitel 4

      Eine wahnwitzige Mischung aus Schiffstuten, Drucklufttröte, Schafsblöken und Hilfeschrei schmetterte sich durch die Köpfe von Mara und ihrem Mitstreiter. Es klang so widerlich, als würden vierhundert Schweine durch ebenso viele Vuvuzelas kreischen und dabei so erhaben wie Kirchenglocken.

      Können die nicht einmal einfach nur ein ganz normales Geräusch machen, die Götter?!, schimpfte Mara in sich hinein.

      Das Ohrenzuhalten half überhaupt nichts, denn natürlich konnte man sich innerhalb einer Vision, die nur im Kopf stattfand, nicht die Ohren zuhalten. Nun gut, natürlich konnte man. Es brachte nur nix.

      Mara schlang trotzdem ihre Arme um den Kopf, denn es war nicht auszuschließen, dass dieser von dem Lärm bald platzen würde. Und zwar in fünf, vier, drei …

       Odin erwacht

       Allvaðir! Heimdall eilt zu dem kaum wahrnehmbaren, schemenhaften Umriss des Oberhaupts der alten Götter, will ihn stützen. Aber seine Hände gleiten durch die Gestalt, er kann nicht helfen. Gleichzeitig erscheinen rundherum weitere Schatten, manche etwas klarer, andere nicht mehr als ein Flirren der Luft.

      Der Professor drehte sich um die eigene Achse, deutete hin und her und stieß verzückte Laute aus, die Mara einfach mal als Namen nordisch-germanischer Götter interpretierte.

      »ÓðinnÞórrSunnaUllrForsetiSifHöðrViðarrFriggFreyr … ich kann nicht mehr …«

      Mara registrierte, dass sie nun tatsächlich von alten Göttern eingekreist waren. Also war das vielleicht der geeignete Moment, um hier abzuhauen. Andererseits war sie nun ganz nah an einer Antwort auf viele, viele Fragen, und sie hatte es gründlich satt, weiter dumm durch die Gegend zu stolpern. Also blieb sie einfach stehen, wo sie war und sah zu, was weiter passierte.

      Da kam Heimdall direkt auf sie und den Professor zu, und beide reagierten leider etwas asynchron: Während Mara in Richtung des Professors ausweichen wollte, drängelte der in die entgegengesetzte Richtung, und so blieben sie ein paar wertvolle Sekunden rangelnd in der Mitte wie zwei Schuljungen.

      So kam es, dass der alte Heimdall nun im wahrsten Sinne zwischen ihnen stand: Ihn schien es nicht zu stören, dass er jetzt eine Schnittmenge von etwa 85 Prozent mit Mara und dem Professor aufwies. Aber den beiden war das höchst unangenehm, und so einigten sie sich recht schnell auf einen geordneten Rückzug von etwa zwei Metern hinter Heimdall.

      »Brr, das war nicht schön«, zischte Mara dem Professor zu. »Der stand echt mitten in uns drin!«

      »Ich habe aber nichts gespürt, du etwa?«, fragte Professor Weissinger.

      »Außer dass es mir saumäßig unangenehm hoch tausend war? Nö, gar nix«, gab Mara zurück. »Und hat der gerade echt mit der Tröte des Wahnsinns alle alten Götter geweckt?«

      »Gjallarhorn«, antwortete der Professor recht einsilbig. »Übersetzt: laut tönendes Horn

      »Laut tönend? Die haben es echt drauf mit dem Untertreiben, die nordischen …« Sie verstummte auf der Stelle, als Heimdall das Wort ergriff. »Ihr Asen!«, rief er mit brüchiger Stimme. »Hört mich an! Wachsam war ich, wachsam bin ich und muss es immer sein! So erwachte ich, und wie es scheint, doch zu spät! Asgard ist in Trümmern. Ich saß auf Hliðskjálf, hielt Ausschau, suchte nach den Göttern. Doch keinen der mächtigen Richter fand ich, nur sah ich Loki Asenfeind – immer noch gebunden, doch voller Kraft – in seinem Gefängnis am Ende der Zeit.«

      Ein Raunen ging durch die schattenhaften Umrisse, doch einer von ihnen hob nur die Hand, und alle hielten augenblicklich inne.

      Heimdall fuhr fort: »Viele Monde sind vergangen, die Welt ist eine andere, und der Eine Gott ist nun mächtig! Viel mächtiger, als wir es sind, vielleicht mächtiger als wir es jemals waren! Einzig voller Kraft noch liegt Loki, gefesselt zwar, jenseits der Welten! Und ich sage euch, es braucht nur noch wenig, und er wird sich befreien!« Heimdalls Stimme wirkte belegt, er wirkte, als würde eine schreckliche Last seine Schultern niederdrücken, als er weitersprach: »Asen! Ihr wisst, was wir ihm angetan. Die Fesseln aus seines Sohnes Gedärmen, gerissen vom Bruder in Wolfsgestalt! Darüber Skaðis giftiges Geschenk, ihn peinigend für alle Ewigkeit! Strafe, ich weiß, Vergeltung für die Schmähungen in Ägirs Halle, für den Tod von Balder, Odins Sohn, Licht unter den Göttern …«

      Er verstummte und für einen Moment wurde Heimdalls Blick sanft. Mara wusste, was er dachte. Sie hatte Balder selbst kennengelernt, bei ihrem unfreiwilligen Besuch in der nordischen Unterwelt. Balder hatte sie vor der Todesgöttin Hel beschützt, kurz bevor diese Mara mit Stumpf und Stiel verschlingen wollte. Ein netter Kerl, der Balder. Warum nur hatte Loki ihn getötet?

      »Mara, es wird interessant«, raunte der Professor, und sie konzentrierte sich wieder auf das Geschehen vor ihnen.

      »Hört mich an, ich sage euch!«, rief Heimdall den anderen Göttern zu. »Lokis Fesseln sind schwach, wie wir schwach sind! Er wird sich lösen, und er wird grausame Rache üben! Um uns sorg ich mich nicht, denn nichts mehr als Schatten sind wir. Doch wir alle wissen, was die Weissagung spricht. Das Endschicksal der Götter ist auch das Ende für die Menschen, deren Schutz, deren Schicksal wir einst waren. Diese Erde wird brennen, wie es vorausgesagt ist. Und wir sind schwach, können nichts mehr tun … nichts mehr …« Und damit sank der alte Wächter im Kreise der alten Götter auf die Knie und weinte. Es tat Mara weh, den Alten so verzweifelt zu sehen. Er weint um uns, dachte sie in einem fort, um uns Menschen.

      »Das ist es also«, wisperte der Professor. »Die Angst vor Loki! Dem einzigen der alten Götter, der noch seine alte Kraft besitzt. Von wegen Feuerbringer, es ist tatsächlich Loki, den du aufhalten sollst!«

      »Aber«, wollte Mara gerade widersprechen, als etwas geschah: Vor ihren Augen nahm einer der Schatten Gestalt an, und gleichzeitig hörte sie ein seltsames Geräusch. Es klang so ähnlich wie »Wuuhu, wuhuuhu …«

      Mara stellte fest, dass es von Professor Weissinger kam, der vor Aufregung ganz zappelig war.

      »Odin … das ist Odin …«, wiederholte er immer und immer wieder und wirkte wieder einmal wie ein kleiner, aufgeregter Junge. Doch Mara sah keinen Odin, sie sah jemand völlig anderes. Vor ihren Augen stand nun nämlich …

      »Gandalf?«, hauchte Mara völlig überfordert, denn die Ähnlichkeit mit dem Zauberer aus Herr der Ringe war wirklich verblüffend. Bis auf die Augenklappe stand in der Tat Gandalf der Graue ein paar Meter von ihr entfernt. Der Professor hatte ja schon mehrfach auf die Parallelen zwischen der nordischen Mythologie und dem Werk Tolkiens hingewiesen, aber das war einfach nur … krass.

      »Hab ich’s nicht gesagt?«, jubilierte der Professor neben ihr. »Ach was, gesagt! Geschrieben hab ich’s in meinem Buch über