Mara und der Feuerbringer. Tommy Krappweis. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tommy Krappweis
Издательство: Автор
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Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783964260444
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Oder es war einfach nur verwirrt. Obwohl Mara gerade verdammt frustriert und sehr genervt war, bereitete ihr das doch eine gewisse Freude. Trotzdem blieb sie nicht stehen.

      Mara passierte das Eichhörnchen und würdigte es dabei keines Blickes. Aus den Augenwinkeln sah sie aber, wie Ratatösk sich schließlich doch entschloss, das Wagnis einzugehen. So blitzschnell, wie es seine Art war, schoss es los.

      Mara hörte, wie der Professor einen wütenden Laut ausstieß und gleich darauf das Plockediplock des schweren Steins auf dem Asphalt. Er hatte ihn wohl nach dem Eichhörnchen geworfen, aber natürlich nicht getroffen. Stattdessen raste nur Sekunden später ihr eigener Stab an Mara vorbei. In der Mitte befand sich etwas Rotes, das sich so schnell bewegte, dass man es nur schemenhaft erkennen konnte: Ratatösk hielt den Stab quer umklammert und trug ihn mühelos in den Pfoten, während es die Straße entlangschoss. Dann bog es überraschend ab, und schon waren Eichhörnchen und Stab in dem angrenzenden Feld verschwunden. Nur die Halme der Pflanzen zeigten noch ein paar Sekunden lang, wo es sich befand, und dann regte sich gar nichts mehr. Stille trat ein, und Mara blieb stehen.

      Da erst bemerkte sie, dass sie zitterte. Sie kannte dieses Gefühl. Das hatte sie immer, wenn sie begriff, dass sie gerade eine besonders dämliche Grütze verbrochen hatte. Instinktiv machte sie sich bereit für den lautstarken Anschiss ihrer Mutter. Stattdessen folgte ein lautstarker Anschiss von Professor Weissinger.

      »Was war DAS denn, in drei Teufels Namen!?«, rief er, während er näherkam. »Ich kann es gar nicht glauben, und doch hab ich es gesehen! Du hast dem Viech deinen Stab überlassen? Kampflos?! Mit dem Delfin? Der Delfin aus dem Museum, den wir Steffi zurückgeben müssen?«

      Nein! Mara wäre am liebsten im Boden versunken. Ganz egal, ob die Kraft des Delfins aufgebraucht war – er gehörte ihr nicht, und sie hatten versprochen, ihn zurückzubringen.

      »D… daran hab ich gar nicht … ich dachte nur«, purzelte es kleinlaut aus ihr heraus.

      »Du dachtest? Das möchte ich an dieser Stelle mal höchst wissenschaftlich anzweifeln, Mara Lorbeer! Wenn du gedacht hättest, dann hättest du das nicht getan!«

      »Es ist doch nur, weil Sie gesagt haben, der Stab ist eh wertlos! So wie …« Maras Stimme versiegte, und gleichzeitig erweichte sich auch der Blick von Professor Weissinger.

      »Du liebe Zeit, das war es also. Ach Gott, wie konntest du das nur so falsch verstehen.« Niedergeschlagen ließ sich der Professor auf einem verwitterten Grenzstein am Straßenrand nieder.

      »Das tut mir leid«, sagte er und starrte zu Boden.

      »Nein, mir«, entgegnete Mara sofort.

      »Nein, mir. Ich wollte dir doch nicht das Gefühl geben, du wärst wertlos!«

      »Nein, mir, weil Sie ja recht haben und ich den Delfin nicht hätte weggeben dürfen!«

      »Nein, mir, aber trotzdem«, antwortete der Professor und musste dabei ein kleines bisschen grinsen.

      »Immer einmal mehr als Sie«, sagte Mara und grinste auch.

      »Immer einmal mehr als du plus tausend unendlich«, erwiderte Professor Weissinger. »Und mit der Unendlichkeit kenne ich mich besser aus als du! Weil ich älter bin und weil ich Wissenschaftler bin, nämlich!« Dabei stampfte er mit dem Fuß auf und machte ein dermaßen beleidigtes Leberwurstgesicht, dass Mara losprusten musste.

      Da war der Professor auch schon aufgestanden und schlang seine Arme um Mara. Sie konnte und wollte gar nicht anders und schlang die ihren um ihn. Kaum war das geschehen, begann sie auch sofort, bitterlich zu weinen. Mara spürte, wie sie dabei zitterte und wie ihre Knie weich wurden, aber sie konnte nicht aufhören. Sie hörte die Stimme des Professors wie durch einen Schleier. »Es wird alles gut … Du schaffst das … Wir schaffen das zusammen, Mara«, sagte er, und obwohl seine Stimme beruhigend klang und einfach nur guttat, konnte Mara nicht aufhören zu weinen.

       Kapitel 3

      Ein lautes »Krah Krah« ließ sie erschrocken zusammenfahren.

      Mara kannte nur zwei Raben, die »Krah Krah« sagten, anstatt es zu krähen. Der Professor hatte sie natürlich ebenfalls sofort erkannt. »Hugin und Munin! Wenn ihr keine guten Nachrichten habt, schlage ich vor, ihr kommt später wieder.«

      Die beiden Raben hatten sich gerade erst auf einem Ast in Augenhöhe des Professors niedergelassen, machten nun aber sofort Anstalten, wieder loszufliegen.

      »Stallþu«, rief der Professor sofort auf Altnordisch, was wohl so was wie Stopp hieß. »Das war ein Scherz!«

      Ausdruckslos klappten die beiden Vögel ihre Flügel wieder ein und beschränkten sich erst einmal darauf, stumm von dem Ast herunterzublicken.

      Doch auch Mara hatte ein Anliegen. Sie versuchte, sich einigermaßen zusammenzunehmen und kratzte alles zusammen, was sie noch an fester Stimme sammeln konnte. Dann erst bemerkte sie, dass sie den Professor immer noch fest umklammert hielt. Sie löste sich etwas zu schnell, als hätte man sie ertappt. Es war ihr eh immer schon unangenehm gewesen zu weinen. Und unter dem stoischen Blick der beiden komischen Vögel erst recht. Sie räusperte sich ein bisschen albern und sah die beiden Raben dann mit einem möglichst seherischen Blick an. »Erklärt mir bitte jetzt, wie das mit meinen Kräften und den Göttern zusammenhängt«, sagte sie.

      Die beiden Raben Odins sahen sich für einen kurzen Moment an, als würden sie sich wortlos austauschen. Dann nickten sie, wie Raben eigentlich nur in animierten Trickfilmen nicken, und Munin begann zu sprechen:

       Einst schritten die Rater zum Richterstuhl

       Die heiligsten Götter hielten Rat —

      »Stallschuh!«, rief Mara sofort dazwischen und hoffte, dass sie das altnordische Wort einigermaßen richtig ausgesprochen hatte. »Bitte diesmal ohne diesen nordisch-germanischen … Reim … Rätsel … Bampf!«

      »Ich protestiere«, hörte sie den Professor neben sich, aber Mara hob die Hand. »Ich weiß, dass Sie viel Freude daran haben, das immer wieder zu entschlüsseln und so, aber ich will jetzt mal viel Freude daran haben, dass ich gleich alles verstehe.«

      Der Protest des Professors brach sich in Form eines lautstarken Ausatmens Bahn, doch er sagte nichts. Mara blickte auffordernd zu Hugin und Munin. »Also? Wie sieht’s aus? Sagt ihr mir jetzt, wie das alles kam, oder nicht? Ich warne euch aber vor: Wenn ich nicht zufrieden bin mit der Erklärung, dann könnt ihr die so was von alleine retten, eure Welt!«

      »Unsere«, verbesserte der Professor.

      »Die wissen, was ich meine!«, fauchte Mara zurück, und alle schwiegen.

      Ein paar Sekunden lang geschah nichts. Wieder wirkte es so, als würden die beiden Raben stumm miteinander kommunizieren. Doch dann passierte etwas Seltsames. Hugin drehte ziemlich plötzlich seinen Kopf zur Seite und starrte nun mit einem Auge direkt in Maras Kopf hinein. Ihr erster Gedanke war: Hoffentlich schaut der sich da drin jetzt nicht um! Ihr zweiter galt dem Professor, und sie hatte noch die Geistesgegenwart, ihn an der Hand zu packen, um ihn mit einzuschließen.

      Aber schon der dritte Gedanke war nicht mehr der ihre. Stattdessen erfüllte die Stimme von Hugin all ihre Sinne. Schnell erkannte sie auch, was er sprach, und im nächsten Moment hörte sie schon nicht mehr, sondern fühlte nur noch …

       Heimdall

       Wächter der Götter, Bewacher von Bifröst,

       Erwacht.

       Wie lang schlief ich, wie lang wachte ich nicht?

       Warten schon die Feinde, am anderen Ende der Farbenbrücke?

       Ist Asgard schon Feuer, der Wohnsitz der Asen vernichtet?

      Heimdall