Mara und der Feuerbringer. Tommy Krappweis. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tommy Krappweis
Издательство: Автор
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Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783964260444
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dass sie wohl ein wenig zu weit gegangen waren. Auch Hugin und Munin blickten recht vorwurfsvoll drein.

      Diese Situation war, zumindest für Mara, eine neue Erfahrung. Jetzt bin ich schon wie der Professor, dachte sie. Kaum dass ich was durchblickt hab, krieg ich einen Laberflash. Oh Mann.

      Wie immer war es Professor Weissinger, der eine Antwort parat hatte. »Ach nein …«, winkte er ab. »Es ist alles viel banaler, als Sie denken. Mara soll nur in einer Schulaufführung die Frau des listigen Gottes Loki spielen …«

      »Genau, Sigyn! Ich spiel die Sigyn, nämlich!«, warf Mara etwas zu laut ein, und der Professor nickte. »Exakt, und das Stück ist leider ein wenig kompliziert. Da ich mich in dem Thema recht gut auskenne – rein hobbymäßig – muss ich ihr nun helfen, die Zusammenhänge zu klären.«

      »Schulaufführung?«, sagte Willi und zog seine Stirn in Falten. Er sah skeptisch aus, und beide starrten ihn erwartungsvoll an. Würde er den Köder schlucken?

      Doch da lachte der massige Mann hinter dem Steuer und schüttelte den Kopf. »Du liebes bisschen, das kenn ich noch von früher. Musste da auch ein paar Mal mitmachen und hab nie verstanden, um was es geht!« Und dann lachte er so laut, dass es in Maras Ohr ein paarmal ganz laut knackste. »Schon in der dritten Klasse haben wir die Fabel von dem Hasen und dem Igel aufgeführt, und ich hab’s nicht gerafft! Ich war damals schon ein bisschen pummelig und sollte darum die Doppelrolle von Herrn und Frau Igel spielen. Hab aber das Stück nie gelesen und drum nicht gecheckt, warum ich immer schon da sein sollte, wo doch der Hase viel schneller läuft, hahaha!«

      Um Gottes willen, schau nach vorne!, dachte Mara, als Willi auffordernd zu seinen beiden Beifahrern hinüberlachte. Irgendwie war klar, dass er erst wieder nach vorne schauen würde, wenn sie beide genug mitlachten. Also bemühte sich Mara, ebenso wie Professor Weissinger, um ein einigermaßen authentisches Gelächter. Hauptsache, der schaute wieder nach vorne.

      »Na, dann macht mal weiter mit eurer Analyse, ich find’s ja ganz spannend. Lern ich vielleicht doch noch was«, kicherte Willi und wendete sich dann endlich wieder der Straße zu.

      Mara und der Professor sahen sich an, und beide atmeten so erleichtert aus, dass sie den Luftzug des anderen in ihren Gesichtern spürten. Das erinnerte Mara an etwas anderes: »Ähm, Sie haben nicht zufällig einen Kaugummi oder ein Mintdrops oder so was in der Art?«

      Willli lachte noch einmal: »Haha, na klar. Direkt vor dir in der Ablage findest du ein ganzes Sortiment an »Lufterfrischern«, wenn du das meinst.«

      »Mein‘ ich, danke«, antwortete Mara, fummelte zwei Lutschpastillen aus einer Packung, auf der die Worte »Fresh« und »Extra« besonders groß gedruckt waren, und steckte sich eine davon in den Mund. Die andere legte sie dem Professor in die dankbar geöffnete Hand.

      »Wo waren wir? Ach ja, richtig«, fuhr dieser schließlich vielsagend fort. »Nun, Mara … die Rolle, die du in dem Ganzen spielst, ist tatsächlich die eines Fasses.«

      »Hey, das wär doch eigentlich eine Rolle für mich!«, warf Willi ein und kicherte wieder.

      »Glauben Sie mir, das wollen Sie nicht spielen«, antwortete Mara trocken.

      »Es ist ja auch eher ein Fass im Sinne eines perfekten Behälters gemeint«, erklärte der Professor. »Bei anderen, weniger perfekten Fässern ginge vielleicht was daneben, und da läuft auch schon mal was aus, verstehst du? Bei dir eben nicht. Wenn man dich mit Götterkräften auffüllt …« Professor Weissinger sah kurz zu Willi hinüber, der schon wieder die Stirn runzelte. »Also, dich in der Rolle in dem Stück, du verstehst …« Und Mara nickte eifrig.

      »Also, wenn man dich mit Götterkraft auffüllt, dann kann man sicher sein, dass du nichts davon verschwendest und dass es im Sinne der Sache eingesetzt wird. Weil du ein reines Herz hast und weil du nichts nur zu deinem eigenen Vorteil tun würdest.«

      Mara überlegte einen Moment. Dann zuckte sie mit den Schultern. »Tja, das haben die jetzt davon, die Götter. Eine Spákona, die keinen Bock hat und dazu ’nen größenwahnsinnigen Esoknilch, einen jähzornigen Feuerbringer und ein gemeingefährliches Eichhörnchen.«

      »So!«, rief Willi dazwischen. »Jetzt reicht’s mir aber!«

      Erschrocken sahen Mara und der Professor ihn an.

      »Das ist ja wohl der größte Schwachsinn, den ich jemals gehört hab!«, schimpfte Willi weiter, und sein Gesicht wurde dabei immer röter. »Was für ein blödes Theaterstück ist das denn bitte? Was denken sich denn die Lehrer bei so was! Warum kann man die alten Geschichten nicht einfach so aufführen, wie sie gehören! Muss da immer dieser moderne Kram mit rein ge… gedingst werden? Ich meine, was hat bitte ein Eichhörnchen mit der Götterdämmerung zu tun?«

      »Mehr als Sie denken«, sagte Mara leise, aber Willi hörte es nicht, denn er war jetzt richtig wütend.

      »Wieso müssen Kinder in deinem Alter ein Stück spielen, das hinten und vorn keinen Sinn macht, außer man entschlüsselt es zusammen mit dem Opa, der sich zufällig damit auskennt!? Also, da ist was ganz schön faul an unserem Schulsystem, sag ich euch! Ich weiß schon, warum ich da selten war, in dem Laden. Also wirklich! Götterdämmerung mit Eichhörnchen, wo gibt’s denn so was!?« Willi lachte trocken und verstellte dann seine Stimme zu einem theatralischen Säuseln. »Oh nein, seht, da ist das Eichhörnchen, und es stürzt uns alle in die Hö…«

      In dieser Sekunde stieg Willi so brutal auf die Bremse, dass Mara von dem Gurt die Luft wegblieb!

      Die Bremsen quietschten, und sie spürte gleichzeitig, wie das Gewicht des Anhängers den Truck nach vorne und zur Seite schob! Würden sie umkippen? Nein, Willi war ein routinierter Trucker und hatte das riesige Gefährt sofort wieder unter Kontrolle. Dann kam der Laster endlich zum Stillstand, und Mara schaute erschrocken hinüber zu Willi. Der sah aus, als hätte er ein Gespenst gesehen.

      »Hallo?«, fragte Mara vorsichtig, aber Willi reagierte nicht. Er sah nur nach vorne und blinzelte nicht einmal.

      »Mara! Da!«, rief der Professor und deutete schräg nach unten auf die Straße. Mara folgte seinem Zeigefinger und sah: Ratatösk.

      Das kleine rote Eichhörnchen saß mitten auf der Straße. In den putzigen Krallen hielt es den Stab, und nach wie vor war der Delfin oben befestigt.

      »Was will es?«, flüsterte Mara. Obwohl sie oben im Führerhaus des LKWs saßen, war ihr irgendwie mulmig zumute.

      »Keine Ahnung«, gab der Professor zurück. »Aber es sieht wütend aus, findest du nicht?«

      Da meldete sich Willi zu Wort. »Warum geht das Tier nicht weg? Und warum hat es ein Stück Holz?«

      Bevor irgendwer was antworten konnte, griff Willi zur großen Drucklufthupe und zog. Ein lautes dröhnendes Tuten ertönte. Das Eichhörnchen rührte sich nicht.

      »Wer das Gjallarhorn gewöhnt ist, dürfte sich kaum vor einer Lastwagenhupe fürchten«, murmelte der Professor.

      »Gibt’s doch nicht.« Willi schüttelte erstaunt den Kopf und drückte dann auf den Fensterheber.

      »Moment!«, entfuhr es Mara erschrocken, die genau wusste, wie schnell Ratatösk in Willis Haaren stecken würde, wenn es nur wollte. Doch Willi hatte schon seinen Kopf aus dem Fenster geschoben und machte: »Ksch! Ksch! Gehste weg! Ja, gehst du weg!«

      Er wartete einen Moment, aber nichts passierte. Willi zog seinen Kopf wieder zurück und setzte sich gerade hin. Dann zuckte er mit den Schultern. »Dann halt nicht«, sagte er und startete den Motor.

      »Sie wollen doch nicht …«, rief Mara erschrocken und wunderte sich im selben Moment, warum ihr das jetzt gegen den Strich ging. Das da vorne war Ratatösk, verdammt noch mal! Ihr Feind! Und er hatte ihren Stab, verdammt! Eine Stimme in Mara schrie: »Fahr’s platt!« Eine andere, zaghaftere Stimme flüsterte jedoch gleichzeitig irgendwas von »Puschelschwänzchen« und »Knopfaugi« und war trotz der Flüsterei irgendwie viel, viel lauter. Warum musste es auch