II. Risiken beim Einsatz
Die Ausführungen in Kapitel 2 legen hinsichtlich der Risiken, die mit Transaktionen mit Eigen- und Fremdkapitalinstrumenten (einschl. Hybridinstrumenten) verbunden sind, eine dreifache Prüfung nahe. So ist erstens zu prüfen, ob die Transaktionen es einem der Transaktionspartner ermöglichen, Risiken auf den anderen abzuwälzen (Abschn. 1). Zweitens ist zu prüfen, ob sie dazu beitragen können, dass es auf der Seite eines Kreditnehmers zur Risikoverkettung kommt (Abschn. 2). Drittens ist zu prüfen, inwiefern die betreffenden Transaktionen mit einem Risiko einhergehen, dass es in einer Krise zu einem gleichförmigen und insofern krisenverstärkenden Verhalten kommt (Abschn. 3).
1. Risiken im bilateralen Verhältnis und Risikoexternalisierung
Die Risiken, die für die Transaktionspartner selbst mit dem Einsatz von Eigen- und Fremdkapitalinstrumenten verbunden sind, sind grundsätzlich überschaubar. Ein wesentlicher Grund hierfür ist, dass die Anleger bei beiden Arten von Instrumenten grundsätzlich kein Verlustrisiko übernehmen, welches das eingesetzte Kapital übersteigt. Die Möglichkeiten zu einer darüber hinausgehenden Risikoexternalisierung sind angesichts der überschaubaren Risikosituation von vornherein beschränkt.141 Bei Fremdkapitalinstrumenten besteht zwar eine Informationsasymmetrie zwischen Emittent (Kreditnehmer) und Investor (Kreditgeber), doch kann ein (erfahrener) Investor diese besser als bei komplexeren Instrumenten abschätzen und einpreisen.142
2. Einsatz von Hebelung und Risikoverkettung
Hinsichtlich der Frage, ob Risiken über die betreffenden Transaktionen verkettet werden, ist zwischen dem Einsatz von Eigenkapitalinstrumenten und dem von Fremdkapitalinstrumenten zu unterscheiden. Dabei spielt es eine besondere Rolle, ob und in welcher Weise Kredithebel im Rahmen der Transaktion zum Einsatz kommen.143
Eigenkapitalinstrumente führen grundsätzlich zu keiner Risikoverkettung. Die Instrumente weisen zwar Risiken, wie z.B. Marktwertrisiken (Kursrisiken) auf, die vom jeweiligen Inhaber zu tragen sind. Allerdings haben sie für sich genommen keine Hebelwirkung, weil sie keine Schuld repräsentieren und auch der Emittent keine Zahlung des verbrieften Betrags verspricht (= kein Ausfallrisiko). Die Verlustrisiken beschränken sich also auf den Erwerber und auf das von ihm eingesetzte Kapital.
Dagegen sind Fremdkapitalinstrumente mit einem Kredithebel verbunden, weil sie Kreditforderungen verbriefen. Kreditforderungen sind Forderungen aus einem Dauerschuldverhältnis (vgl. im deutschen Recht: §§ 488ff. BGB). Deshalb tritt hier zum Marktrisiko aus dem Finanzinstrument das Risiko hinzu, dass der Emittent (Schuldner) am Laufzeitende den Kredit nicht zurückzahlt (Kreditausfallrisiko) und das Finanzinstrument bei einer Realisierung dieses Risikos seinen Marktwert verliert.144 Dies kann sich zum Nachteil von Anlegern auswirken, die in das Fremdkapitalinstrument investieren, wenn der Emittent das von ihnen eingesetzte Kapital zu riskanten eigenen Investitionen verwendet. Auch der jeweilige Inhaber eines Fremdkapitalinstruments verliert beim Ausfall des Emittenten allerdings – anders als z.B. bei einem (u.U. sogar mehrfach gehebelten) Derivat – nur das von ihm übertragene Kapital. Wenn das Fremdkapitalinstrument nach seiner Emission weiterveräußert wird, kommt – ebenso wie im Handel mit Eigenkapitalinstrumenten – das Risiko hinzu, dass die jeweiligen Verkäufer des Fremdkapitalinstruments es zum vereinbarten Zeitpunkt nicht liefern können (Erfüllungsrisiko).145
Zwar bestehen im Fall eines – z.B. über ein Darlehen – fremdfinanzierten Erwerbs eines Eigen- oder Fremdkapitalinstruments zusätzliche Risiken für Kapitalgeber, die den Erwerb mit Fremdkapital finanziert haben, denn bei Fremdfinanzierung wird ein weiterer Kredithebel eingesetzt.146 Das ist etwa in Situationen der Fall, in denen eine Bank mit dem Geld ihrer Einleger Eigen- oder Fremdkapitalinstrumente erwirbt. Die damit einhergehenden Risiken beruhen in einem solchen Fall aber nicht auf dem Erwerb des Finanzinstruments, sondern auf der Fremdkapitalfinanzierung des Erwerbs.
Denkbar ist darüber hinaus, dass Ansteckungskanäle auch durch die Informationspflichten begründet werden, die Emittenten von Eigenkapitalinstrumenten gegenüber ihren Anteilsinhabern und Emittenten von Fremdkapitalinstrumenten gegenüber den Fremdkapitalgebern (z.B. zur Ermöglichung einer Kreditkontrolle) haben. Solche informationellen Ansteckungskanäle erhöhen zwar das Verlustrisiko aus dem Finanzinstrument nicht, können allerdings möglicherweise bei dem Inhaber des Finanzinstruments zu einer Korrektur seiner sonstigen Marktentscheidungen führen. So ist z.B. denkbar, dass ein Anteilsinhaber, der aufgrund der Informationspflichten des emittierenden Unternehmens von Zahlungsproblemen bei dessen Kunden erfährt, seine Anlagen bei diesem Kunden reduziert. Dabei dürfte es sich jedoch um Ausnahmesituationen handeln.
3. Anreize zu gleichförmigem Verhalten
Bei Transaktionen mit Eigen- und Fremdkapitalinstrumente kann es nicht nur dann zu über die Transaktion hinaus relevanten Risiken kommen, wenn Risiken abgewälzt werden oder wenn der Erwerb kreditfinanziert erfolgt. Davon abgesehen können parallele Anlagen in solche Instrumente problematisch sein, wenn es außerhalb viele Risiken im Markt gibt und wenn diese sich realisieren. In einem solchen Fall können einerseits die direkten Anleger in die betreffenden Instrumente Verluste erleiden. Andererseits kann die Wahrnehmung des Marktumfelds unabhängig vom tatsächlichen Risikoprofil der eigenen Anlagen dazu führen, dass auch andere Finanzmarktakteure (andere Anleger, Kapitalgeber) sich gezwungen sehen, ihre Risikoeinschätzung zu korrigieren, und es im Extremfall möglicherweise sogar zu Panikreaktionen (runs) kommt.147
119 Vgl. IAS 32.11 und F.49. Zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten sieh auch noch unten Kap. 6.B.II (S. 783). 120 Man unterscheidet (aktive und passive) offene Investmentfonds sowie geschlossene und andere alternative Fonds. Anders als aktive Investmentfonds nehmen passive Fonds (Indexfonds) keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Fondsportfolios, sondern investieren die angelegten Gelder anhand eines Index. Wenn sie börsengehandelt sind, werden Indexfonds auch als Exchange Traded Funds (ETF) bezeichnet. Von diesen sind für die Zwecke dieser Arbeit allerdings synthetische ETF zu unterscheiden, die den jeweiligen Index über ihre derivative Struktur lediglich abbilden; dazu siehe unten Abschn. Kap. 3.M.I (S. 127). 121 Armour u.a. (Fn. 1), S. 31. Zu Gewinnausschüttungen siehe z.B. im deutschen Aktienrecht §§ 60, 174 AktG. 122 Vgl. §§ 32, 48 BörsG, wonach solche Wertpapiere der Zulassung zum regulierten Markt bzw. zum Freiverkehr bedürfen. Eine Börsenzulassung kommt für nichtdeutsche Eigenkapitalinstrumente nur in Betracht, wenn es sich um Wertpapiere nach dem Recht eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats oder eines Drittstaates handelt, bei dem bestimmte Zulassungsvoraussetzungen und Melde- und Transparenzpflichten bestehen (vgl. § 33 Abs. 1 BörsG). Zu den Orderbuchumsätzen ausländischer Aktien am Handel in Frankfurt siehe FWB, Kassamarktstatistiken, Monatliche Orderbuchumsätze ausländischer Aktien; abrufbar: http://www.deutsche-boerse-cash-market.com/dbcm-de/instrumente-statistiken/statistiken/kassamarktstatistiken/orderbuchumsaetze-auslaendischer-aktien. 123 Zu den bilanzrechtlichen Zweifelsfragen bei der Abgrenzung zwischen Eigen- und Fremdkapitalinstrumenten (relevant für Mezzanine-Instrumente) siehe IASB, Financial Instruments with Characteristics of Equity, Konsultationspapier vom 28. Juni 2018; abrufbar: https://www.ifrs.org/news-and-events/2018/06/iasb-consults-on-the-accounting-for-financial-instruments-with-characteristics-of-equity/. Als Fremdkapitalinstrumente, die nicht auf einen Zahlungsanspruch gerichtet sind, sind insbesondere die v.a. in den USA bekannten sog. PIK Bonds/Notes zu nennen (PIK = Payment in Kind). Bei diesen wird eine Anleiheschuld durch Lieferung weiterer Anleihen