Vampirjagd. Heike Möller. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heike Möller
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738005189
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      Das Knacken aus dem Gerät sagte Jannik, dass Nicole mit ihrer kleinen Ansprache fertig war. Er schmunzelte, konnte sich Nicole mit blitzenden Augen aus Lapislazuli vorstellen. Seitdem Adolar sie gewandelt hatte, vermischte sich oft in dem Blau mit dem goldenen Ring um die Iris noch ein Hauch Silber.

      Jannik seufzte, als er daran dachte. Es klopfte an der Tür und Marie Schraner kam ohne Aufforderung herein. Jannik hatte ihr gleich am ersten Tag gesagt, dass sie jederzeit eintreten durfte und nicht auf ein Kommando seinerseits warten sollte. In der Hand hielt Marie ein kleines Tablett mit einer Tasse Kaffee, die kleine Dampfschwaden von sich gab. Jannik roch sofort das kräftige Aroma und sein Appetit stieg an.

      „Danke, Marie. Ich sehe mir die Briefe durch und sage Ihnen in einer halben Stunde Bescheid, was wichtig ist und was noch warten kann.“

      „Ist gut, Herr Cerný.“ Marie ging wieder in den Vorraum.

      Jannik trank inzwischen seine dritte Tasse Kaffee, hatte die Post durchgesehen, einige Angebote durchgearbeitet, die meisten wieder verworfen und abgelehnt und sah sich die Börsengänge an. Dabei sah er immer wieder auf seine Uhr, runzelte die Stirn. Unruhig stand er auf, ging zu einem der drei Fenster und sah auf die Spree hinunter. Gedankenverloren zupfte Jannik an den Blättern eines Ficus Benjamin.

      >Wo bleibt nur Leclerc? Das ist nicht seine Art!<

      Trotz allem war Bertrand Leclerc ein zuverlässiger Geschäftspartner, egal, welch persönliches Manko er hatte.

      Die Sprechanlage summte. „Herr Cerný, Herr Kerner ist hier und möchte sie dringend sprechen.“ Maries Stimme klang eindringlich.

      Jannik runzelte erneut die Stirn. Sein Freund Tobias Kerner hatte die Firma bisher nur einmal betreten, als Jannik ihm die Räume zeigte. Ansonsten trafen sie sich Abends oder am Wochenende, zogen um die Häuser, suchten sich ihr Vergnügen. Das Tobi jetzt hier aufkreuzte, konnte nicht wirklich etwas Gutes bedeuten. Zudem Marie etwas anders klang als sonst, wenn sie unangemeldeten Besuch ankündigte.

      „Danke, Marie. Er kann reinkommen.“ Jannik wandte sich der Tür zu, die kurz darauf aufging. Marie ließ einen jungen Mann hinein, verschloss die Tür dann wieder von außen. Tobias Kerner war eins-fünfundsiebzig groß, hatte dunkelblondes, kinnlanges Haar mit hohem Haaransatz, das er meistens, so wie jetzt auch, als streng zurück gekämmten Pferdeschwanz trug. Die grün­braunen Augen lagen etwas weiter auseinander, die Nase kurz und schmal, dafür aber einen ungewöhnlich sinnlichen Mund. Seine Körperhaltung war gerade, aufrecht und grazil. Ein Tänzer, das verriet jede seiner Bewegungen.

      Wer ihn nicht kannte, konnte ihn durchaus für homosexuell halten, aber Tobias Kerner war dem weiblichen Geschlecht genauso zugetan wie Jannik Cerný. Sie genossen es beide, Frauen zu erobern ohne eine ernste Bindung einzugehen.

      „Was ist los, Tobi?“ Janniks Stimme war leise. Er sah, dass das Gesicht seines Freundes ungewöhnlich ernst und angespannt war.

      >Halt mich nicht für dämlich, aber ich habe heute Nacht einen üblen Traum gehabt. Einen richtig üblen Traum!<

      Jannik horchte auf. Wenn Tobias anfing sich mit ihm gedanklich zu unterhalten, war es alarmierend.

      >Was ist los?<, wiederholte Jannik in Gedanken.

      >Einer von uns ist gefoltert worden. Übel gefoltert. Und wurde dann getötet.<

      Jannik erschauerte. Tobias Kerner war kein Fantast oder Schwarzseher. Jan hatte ihn in den Zwanzigern des letzten Jahrhunderts kennen gelernt, als in Berlin das leichte Leben tobte. Dann, als die Nazis kamen, hatten die beiden viele Juden und politische Flüchtlinge außer Landes gebracht und so manchen Kampf Seite an Seite ausgefochten. Dabei hatte Jannik viel von den Fähigkeiten seines neuen Freundes kennen gelernt und wusste auch, dass Tobi gelegentlich Träume oder Visionen hatte, die sich dann bewahrheiteten. Er konnte das Wesen der Dinge unter der Oberfläche erkennen, wenn er sich darauf konzentrierte. Tobias konnte nicht nur die Gedanken der Menschen lesen, sondern eben auch ihren Charakter.

      >Einer von uns? Weißt du wer?<

      Tobias schloss kurz die Augen, ein Frösteln schien durch seinen Körper zu jagen. >Der Franzose.<

      Schockiert setzte sich Jannik hin, starrte seinen Freund an. „Ich hatte mit ihm einen Termin heute Vormittag. Bist du sicher?“

      Tobias ging auf Jannik zu. >Lass mich dir zeigen, was ich gesehen und gefühlt habe. Verzeih bitte, aber es ist wirklich grausam.< Er legte seine kühlen Finger an die Schläfen des Tschechen, holte tief Luft und übermittelte ihm die Bilder der letzten Nacht.

      Jannik keuchte, als er die Qualen des Franzosen fühlte wie seine eigenen.

      Ein Kellergewölbe in kaltem Neonlicht.

      Ketten.

      Ein gesichtsloser Mann, der mit verschiedenen Gegenständen Unvorstellbares an dem Franzosen beging.

      Schmerzen, die einen nahezu wahnsinnig machten.

      Und dann nichts mehr.

      „Verdammt!“ Jannik riss sich seine Krawatte vom Hals, knöpfte sein Hemd auf. Er schwitzte, sah Tobias entsetzt an. „Wer tut so etwas?“

      Tobias hob Schulter zuckend die Hände. „Ich weiß es nicht, mein Freund. Ich weiß nur, dass in den letzten Jahren immer wieder mal einer unserer Brüder hier in Berlin verschwunden ist. Und das war jetzt das dritte Mal, das ich eine Vision von Folterung und Tod hatte.“

      Entgeistert sah Jannik seinen Freund an. „Das dritte Mal? Willst du damit sagen, dass es schon mehrere von uns erwischt hat?“

      Tobias Kerner nickte. Seine Augen wurden so schwarz wie Obsidian, seine Fänge entblößten sich. „Ich habe genug davon, Jannik. Einmal kann passieren. Zweimal auch noch. Aber jetzt ist es kein Zufall mehr. Da verfolgt uns jemand.“

       Kapitel 2: Griechischer Frühling

      Jannik Cerný stand auf der Dachterrasse seines Lofts und trank ein Glas Blut. Die Freisprechanlage seines Handys war an seinem Ohr befestigt und er sah in den südwestlichen Abendhimmel, während er mit Adolar telefonierte.

      „Das klingt gar nicht gut, was du mir da erzählt hast, Jan.“ Adolars Stimme klang besorgt und nachdenklich. „Wenn ich Nicole davon erzähle wird sie darauf bestehen, dass du sofort nach Tschechien zurückkommst, damit du aus dem Gefahrenbereich bist.“

      Jannik grinste. „Du brauchst deine Frau nicht vorzuschieben, um deine Ängste und Wünsche zu äußern, Alter.“

      Adolar grunzte irgendetwas, dann seufzte er. „Du hast ja Recht. Ich möchte einfach nicht, dass dir etwas passiert, Jan.“

      „Addi, ich verspreche dir, dass ich auf mich aufpasse. Ich halte meine Augen offen und melde mich täglich bei dir, Tobi oder Tris. So können wir uns auch gegenseitig absichern.“

      „Rowena ist auch vor einem Jahr nach Berlin gezogen. Sie hat eine Galerie in Zehlendorf eröffnet.“

      Jannik zog überrascht die Brauen hoch. „Rona ist hier? Das ist schön. Vielleicht kann man sich mal zwanglos treffen und ….“

      „Das ist keine Einleitung zu einem amourösen Abenteuer, Jannik!“

      Die Strenge in Adolars Stimme überraschte Jan. „Entschuldige. So war das nicht gemeint. Ich würde mich einfach nur freuen, Rowena mal wieder zu sehen, Addi. Ohne irgendwelche Hintergedanken.“

      Adolar grunzte wieder irgendetwas. „Entschuldige, Jan. Ich bin einfach nur nervös, weil ich nicht vor Ort bin. Irgendwie ist innerhalb des letzten Jahres unglaublich viel passiert und ich werde davon regelrecht überrannt.“

      „Na na! Bereust du es etwa, Nic geheiratet und gewandelt zu haben?“

      „Nein! Das meine ich auch nicht. Du bist in Deutschland, ich schmeiße die Firma in Prag allein, arbeite Nic ein wenig ein und ich bin gerade in das Konzil berufen worden. Soviel Aufregung habe ich in den